Gleicher Lohn für gleiche Arbeit oder doch Nivellierung nach unten in krisenhaften Zeiten?

Die „Besoldung Neu“ kommt auf uns zu. Neben einem Wust an schönen Schlagwörtern wie „Leistung“ und „Qualität“, „Vereinfachung“, „Transparenz“ und „funktionsbezogene ­Entlohnung“, bringt sie uns allen ­Neuerungen mit Nebenwirkungen, die aus ArbeitnehmerInnensicht durchaus kritisch zu betrachten sind.

Wie alles begann:

Im November 2012 wurde eine sozialpartnerschaftliche Arbeitsgruppe zur „Besoldung Neu“ in der Stadt Wien ins Leben gerufen. GewerkschaftsvertreterInnen der Mehrheitsfraktion und Dienstgeberin­vertreterInnen kamen zum Beschluss, dass vierzig Jahre „Altes Besoldungs­system“ genug sind und ein neues System her muss (Zeitung Teamwork).

Dieses soll für alle neu in den Dienst der Stadt Wien eintretenden MitarbeiterInnen ­Gültigkeit haben.

Alle jene, die bereits im Dienst sind, können auf eigenen Wunsch in das neue Besoldungssystem wechseln, das angeblich Leistung und Qualität in den Vordergrund stellen wird.

„Besoldung Neu“ und das Hay-Modell

Das in Wien zur Anwendung kommende System basiert auf dem sogenannten Hay-Modell, welches Funktionen im Betrieb aufgrund ihrer Anforderungen bewertet. Dieses in der Privatwirtschaft weit verbreitete Stellenbewertungsverfahren setzen mittlerweile der Bund sowie die Länder Steiermark und Niederösterreich, die oberösterreichischen Gemeinden und die Sozialhilfeverbände ein.

Durch das neue Besoldungs­modell wird eine fixe Anzahl an Funktionslaufbahnen in der ­Gemeinde Wien ­geschaffen.

Aufgrund der Bewertung nach dem Hay-Modell ­werden sämtliche Verwendungen einer Funktionslaufbahn zugeordnet; die Zuordnung von Verwendungen für ganze Gruppen von Bediensteten erfolgt über eine Einreihungsverordnung. Sonstige Verwendungen werden aufgrund von Einzelbewertungen zugeordnet.

Das Umsetzen des Hay-Modells soll in der Theorie die gleiche Bezahlung für Beamte und Vertrags­bedienstete bei gleicher ­Tätigkeit bewirken. Außerdem soll es ein Abgehen vom Vorbildungsprinzip, eine verwendungsorientierte Einstufung und ein sofortiges Auswirken der neuen Funktion auf die jeweilige Einstufung mit sich bringen.

Nach der Reform wird – wenn die Erwartungen zutreffen – das Entlohnungs­system für die Dienstgeberin einfacher, transparenter und finanziell lang­fristig planbar werden. Dies entsteht vor allem durch eine Umverteilung der ­Lebensverdienstsumme der Mitarbeiter­Innen (höhere Einstiegsgehälter aber geringere Endbezüge, weniger Vor­rückungen und eine flachere Gehaltskurve), der Abschaffung des derzeitigen „Zulagendschungels“ und dafür sogenannte „all-in-Gehälter“ ohne Beförderungssprünge. Eine Annahme der Dienstgeberin ist dabei, dass sich Leistungsanreize insbesondere aus der Durchlässigkeit des ­Systems ergeben, da es Karrieren auch ohne zusätzliche schulische bzw. universitäre Höherqualifikation ermöglicht.

Ein neues System voller Schwachstellen

Es liegt nahe, dass ein Besoldungs­system aus der Privatwirtschaft, von dem sich die Gemeinde Wien länger­fristig bedeutende Einsparungen verspricht, für alle MitarbeiterInnen Nachteile mit sich bringt – nicht nur für direkt betroffene, zukünftige KollegInnen.

Für all jene, die in die „Besoldung Neu“ fallen, ergibt sich zum einen der deut­liche Unterschied, dass das Hay-Modell in der Stellenbewertung nur die Anforderungen, bezogen auf die Bewertungskriterien, und den Wert der Stelle für die Gesamtorganisation berücksichtigt, nicht jedoch die individuelle Leistung der Stelleninhaberin/des Stelleninhabers oder ihre/seine Aus- und Vorbildung.

Die Vorgehensweise, den Wert von ­Stellen für die Organisation zu analysieren und den so errechneten Wert mit dem Wert der dort erbrachten ­Arbeit gleichzusetzen, ist nicht nur problematisch, sondern fast schon beleidigend. Auch das völlige außer Acht lassen von teilweise wichtiger Vorbildung und von Vorkennt­nissen für bestimmte Funktionen kommt dem angeblichen Bemühen der Dienstgeberin bei der allgemeinen Qualitätssicherung nicht unbedingt entgegen.

Ebenso ist die durch die „Besoldung Neu“ angestrebte Entwicklung hin zu höheren Einstiegsgehältern jedoch mit deutlich niedrigeren Endbezügen aus mehreren Gründen äußerst kritisch zu betrachten:

Zum einen gibt es hinsichtlich der ­finanziellen Auswirkungen des neuen Besoldungsmodells noch keine konkreten Zahlen. Die anfänglichen Mehr­kosten wegen der höheren Anfangs­bezüge können jedoch durch Einsparungen bei den Dienstposten und ­optimierten Personaleinsatz aufgefangen werden. Ziel der Stadt Wien als Dienstgeberin ist dabei angeblich, die langfristige Finanzierbarkeit sicherzustellen.

Kompensationsmodelle im Zusammenhang mit dem Stadtbudget werden also auch weiterhin verstärkte Personaleinsparungen sein. Für die MitarbeiterInnen bedeutet das: weniger Personal, weniger Geld, mehr Arbeit. Das oberösterreichische Modell (seit 12 Jahren etabliert) zeigt Erfolge auf DienstgeberInnenseite: „Wir profitieren von diesem mutigen Systemwechsel und ersparen uns jährlich rund eine Million Euro Personalkosten“, so ­Personalreferent LH-Stv. ­Hiesel. Mit anderen ­Worten: Weniger Personal, weniger ­Gehalt.

Weiters darf hier nicht vergessen ­werden, dass der persönliche Lebens­standard erhalten werden will. Mein redliches Streben kann ganz schön ins Auge gehen, wenn sich mit fort­schreitendem Alter meine Lohnkurve verflacht, die Lohnsprünge alle zwei Jahre nicht mehr vorhanden sind, die Inflation steigt und dadurch auch die ­Lebenskosten steigen. Denn auf die Kontinuität der jährlichen Lohn- und Gehaltsverhandlungen kann nicht wirklich gesetzt werden. Die prognostizierte Nulllohnrunde des Vorjahres konnte zwar noch nachhaltig ­bekämpft werden, zeigt aber, was die Zukunft ­verstärkt bringen wird.

Schließlich sollen die höheren Anfangsbezüge MitarbeiterInnen zur Stadt Wien locken. Ob das hinsichtlich der zu erwartenden Personalkürzungen und der verflachten Einkommenskurve funktionieren wird, ist fraglich. Hätte die ­Gewerkschaft nicht die Vordienstzeitenregelung im Zuge einer Lohn- und ­Gehaltsverhandlung an die Dienst-­geberin „verkauft“, so hätten wir dieses Problem nicht. Die KIV hat sich immer gegen eine Veränderung der Vordienstzeitenregelung ausgesprochen. Es ist höchst unklug, die Berufs­erfahrung und die bereits erbrachte ­Arbeitsleistung nicht anzuerkennen. Dass sich kompetente Fachkräfte natürlich überlegen, unter diesen Bedingungen zur Stadt zu gehen, ist begreiflich. Nur dies wird sich auch mit der neuen Regelung nicht verbessern.

Eine weitere Schwachstelle des Modells ist, dass die Berechnungen, die dem Projekt zugrunde liegen werden, über den Zeitraum einer Generation (2016 bis 2060) gehen, jedoch auf dem Wert des heutigen Euro beruhen. Der Euro, der heute der Berechnung der Lebensverdienstsumme zugrunde liegt, kann die wirtschaftliche Entwicklung und Krisen der nächsten Jahrzehnte nicht mitberücksichtigen. Laut ExpertInnenmeinung aus dem europäischen Raum lassen sich derzeit aufgrund der instabilen Weltwirtschaftslage, die sich durch verschiedene Kriterien gar nicht mehr so stabilisieren wird wie vorher, überhaupt keine sicheren langfris­tigen Berechnungen mit dem Euro oder irgendeiner anderen Währung anstellen.

Im Gegenteil, die derzeit herrschende internationale Krisenstimmung ist ­sicherlich der schlechteste Zeitpunkt für ein neues Besoldungspaket für ArbeitnehmerInnen.

Im Zentrum des Willens der Dienstgeberin steht der Sparstift

Hinter Argumenten, wie „das Budget muss planbarer werden“, stehen in ­erster Linie massive Einsparungen bei Löhnen und Gehältern, aber auch bei Pensionen. Die Dramatik, dass der Wert des Geldes im Kontext eines wirtschaftlich maroden Europas im ­Sinken ist und die Staatsschulden überall wachsen, die AktionärInnen aber weiterhin fette ­Gewinne einfahren und die ManagerInnen auf ihre moralisch verwerflichen Bonizahlungen bestehen, wird seitens der Dienstgeberin und so manchen ­Gewerkschafters schulter­zuckend weggewischt.

Gerne wird parallel zur analytischen ­Besoldung auch eine erweiterte, dienstgeberfreundliche Form des Zeitwertkontos eingeführt, so vermutlich auch in Wien. Das Anfallen von Mehrdienstleistungen bzw. Überstunden soll dadurch vorhersehbarer und budgetär gestaltbarer werden. Verkauft wird diese Veränderung unter dem Motto: Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Hier ist nur zu hoffen, dass nicht gerade die notwendige Vereinbarkeit seitens der MitarbeiterInnen in eine Zeit der Einbringung von massenhaft angesammelten Minusstunden fällt.

Sieger, Verlierer und Andere

Die wirklichen Sieger im Spiel um das „Besoldungssystem Neu” ist jedenfalls die externe Beraterfirma – in diesem Fall die Hay Group GmbH. Ein Auftrag bei der Stadt Wien in dieser Größenordnung treibt sogar verwöhnten ManagerInnen die Freudentränen in die Augen.

Nur kurz nach der Umstellung kann die Dienstgerberin die Zielgerade passieren und sich in einer über­schaubaren ­Anzahl von Jahren über das prognostizierte Einsparungspotential freuen.

Die Politik kann Personaleinsparung und Stellenabbau als Durchsetzungsvermögen im sozial­partnerschaftlichen Kontext verbuchen.

Die verhandelnden InteressenvertreterInnen wiederum werden sich über Lob und Anerkennung von Dienstgeberin und Beratungsfirma, vielleicht auch dem Rechnungshof, freuen.

Unter der Rubrik „Verlierer und Andere“ können sich alle jene finden, die schon jetzt oder bald eine dienstliche Verbindung zur Stadt Wien haben. Die Vorteile der Dienstgeberin sind hier die direkten Nachteile der MitarbeiterInnen, die Gewinne der Stadt Wien und der Beratungsfirmen sind ihre persönlichen ­finanziellen und lebensqualitäts­bezogenen Verluste.

Schlussendlich betrifft die „Besoldung Neu“, mit all ihren Nebenwirkungen im Bereich Qualität von Leistung bei der größten Dienstgeberin Wiens, und dem fehlenden Gewicht, das die Stadt künftig auf Vor- und Ausbildung von MitarbeiterInnen legt, unsere Gesellschaft insgesamt – nicht im Positiven.

Grund genug, sich kritische ­Gedanken zu machen.

Genaueres zum Hay-Modell

Die von der Hay Group GmbH ­entwickelte Methode ist ein Stellen­bewertungs­verfahren, dessen Haupt­bewertungskriterien die Anforderungen an das Wissen (Fachwissen, Management­wissen und Umgang mit Menschen), die Denk­leistung (Denkrahmen und Denkanforderung) sowie der ­Verantwortungswert (Handlungs­freiheit, Größenordnung und Einfluss auf Endergebnisse) einer Funktion sind.

Für jedes der drei Hauptkriterien mit allen Unterdimensionen gibt es eine ­eigene Bewertungstabelle, nach der der relative Wert von Funktionen für die ­Gesamt­organisation anhand von Punkten berechnet wird.

Angeblich soll das Hay-Modell so die Funktionsgerechtigkeit der Entlohnung sicherstellen.

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