Stellungnahme zum „Elementarpädagogik-Paket“ der Bildungsreform-Kommission.

Presse-Aussendung

„Opt-Out-Möglichkeit“ nach 3 verpflichtenden Kindergarten-Monaten für 4-Jährige? Sind dies wirklich Maßnahmen, die den Wert früher Bildung anerkennen und Verbesserungen im elementaren Bildungswesen bringen können? 

Wir begrüßen, dass die Bildungsreformkommission den Wert der elementaren Bildung anerkennt und der Elementarpädagogik ein eigenes Maßnahmenpaket widmet.

Leider sehen wir in den vorgeschlagenen Maßnahmen nur wenig Potential für die Stärkung früher Bildungsprozesse in elementar­pädagogischen Institutionen und möchten folgend erläutern warum.

Die Idee eines verpflichtenden „Bildungs­kompasses“ ist in unseren Augen nicht zielführend.

Es wird hier eine Verbesserung in der Qualität der frühen Bildung suggeriert, wo es unter diesen Bedingungen keine gibt. Schließlich ist weder die Idee neu, Kinder aufgrund der bei ihnen beobachteten und dokumentierten Entwicklungsbedürfnisse, Begabungen und Interessen zu fördern, noch fehlt es an inhaltlichen Zielen für die elementarpädagogische Arbeit – was fehlt sind die personellen, finanziellen und zeitlichen Ressourcen um diese Aufgabe zu bewältigen.

Ohne bundesweit einheitliche und bessere Rahmenbedingungen bezüglich Gruppengröße, Pädagogen / Pädagoginnen-Kind-Schlüssel, ausreichend „kinderfreie“ Zeit für Dokumen­tation, Reflexion und Planung, sowie einem Support­system mit Supervision und Fachberatung, wird eine Einführung eines solchen „Bildungskompasses“ zu einer Farce.

Eine solche Maßnahme läuft Gefahr im Alltag eher eine Verschlechterung der Qualität der pädagogischen Arbeit nach sich zu ziehen, weil zeitliche Ressourcen dafür aufgebracht werden müssen und dann in der eigentlichen pädagogischen Arbeit fehlen.

Nicht dass Dokumentation nicht wichtig wäre – wir sehen sie als zentralen Punkt professioneller elementarpädagogischer Arbeit – doch wenn sie in eine von außen auferlegte Pflichtübung verkommt und noch dazu die Zeit dafür fehlt, wird sie wenig mit den tatsächlichen Bildungsverläufen der Kinder zu tun haben und die Pädagogen und Pädagoginnen werden noch weniger Zeit haben auf diese individuellen Bildungsverläufe einzugehen.

Verbesserungen für die frühe Bildung sind damit wohl keine zu erreichen, wohl eher Verschlechterungen der pädagogischen Qualität im Kindergarten und Mitnahme von Problem­zuschreibungen in die Schule.

Ein qualifizierter Austausch zwischen Kindergartenpädagoge / Kindergartenpädagogin, Eltern und Volksschullehrer / Volkschullehrerin zur Planung des Überganges in die Schule wäre hier wohl die zielführendere Variante.

Überlegungen eines Sprach- und Entwicklungs­screenings vor Eintritt in den Kindergarten sind für uns nicht nachvollziehbar.

Auch die Überlegungen eines Sprach- und Entwicklungs­screenings vor Eintritt in den Kindergarten sind für uns nicht nachvollziehbar (vor allem nicht, wenn ja sowieso jedes Kind für drei Monate in den Kindergarten gehen soll…).

Hält man sich die Komplexität kindlicher Entwicklung und die Schwierigkeiten, diese durch solch punktuelle Maßnahmen zu erfassen, vor Augen, so stellt sich schon die Frage, welchen Sinn solche Maßnahmen haben. Es stellt sich auch die Frage, wie sie finanziert werden sollen – oder erwartet man diese Screenings von den Pädagogen und Pädagoginnen und wenn ja, wann sollen diese sie durchführen?

Noch dazu stellt sich die Frage, wie es Eltern und Kindern geht, wenn der erste Kontakt mit dem Kindergarten eine Testsituation darstellt. Keine besonders einfühlsame Art um institutionelle Bildung zu beginnen und wohl eher hinderlich um eine gute Bildungspartnerschaft aufzubauen.

Die vorgesehene „Opt-Out-Möglichkeit“ nach 3 Monaten ist eine absolut praxisferne Kompromisslösung

Könnte man dem Bildungskompass inklusive Sprach- und Entwicklungsscreenings vor Eintritt in den Kindergarten zumindest noch einen guten Vorsatz unterstellen, so ist die vorgesehene „Opt-Out-Möglichkeit“ nach 3 Monaten einfach eine absolut praxisferne Kompromisslösung, die den Streit um das verpflichtende 2. Kindergartenjahr ins Absurde führt.

Nichts anderes als absurd und realitätsfern ist die Vorstellung, Kinder in eine Einrichtung einzugewöhnen und sie nach drei Monaten dann wieder abzumelden. Steckt dahinter die Spekulation, dass die Kinder, sind sie erst einmal drei Monate in einer Bildungseinrichtung, dort auch bleiben?

Tritt dieser Fall ein, bleibt die Frage, welche Dynamik ein solches Vorgehen bei Pädagogen/Pädagoginnen und Eltern auslöst. Tritt entgegengesetzt jedoch der Fall ein, dass die Kinder nach drei Monaten wirklich wieder abgemeldet werden, ist dies für die betroffenen Kinder, für die restliche Gruppe und für die Pädagogen und Pädagoginnen eine völlig unnötige Zumutung.

Hier wird am ehesten zusätzlicher bürokratischer Aufwand geschaffen – der Ressourcen in Anspruch nimmt, die anderswo dringend gebraucht werden.

Qualitätsrahmen vs. Bildungsrahmenplan?

Sinnvoll klingt dagegen die Entwicklung eines einheitlichen Qualitätsrahmens – doch leider hält die Überschrift nicht was sie verspricht.

Anders als erwartet geht es darin weder um Gruppengröße noch um Pädagogen/Pädagoginnen-Kind-Schlüssel, auch nicht um ausreichend Zeit für Beobachtungsdokumentation und -reflexion und Planung der pädagogischen Arbeit oder um eine einheitliche Entlohnung. Es geht hingegen um inhaltliche Bildungsziele, die im Grunde bereits im bundesweiten Bildungsrahmenplan festgeschrieben sind.

Auch hier wird verkannt, dass durch Festschreibung von Zielen noch nicht deren Umsetzung ermöglicht wird, da diese stark an Rahmenbedingungen geknüpft ist.Vereinheitlicht sollen auch die Mindestqualifikations- und Ausbildungserfordernisse werden. Dies sehen wir sehr positiv als einen wichtigen Schritt, vor allem auch für die pädagogischen Assistenten und Assistentinnen.

Außer einer Engführung früher Bildung auf den Erwerb von Sprachkompetenzen, die zu hinterfragen ist, enthält aber auch dieses Vorhaben noch wenig Konkretes. Offen bleibt auch, warum der Zeitrahmen dafür bis 2025 anberaumt ist.

Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung, Forschung – Umsetzung?

Zu guter Letzt geht es noch um die Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung, sowie um ein Bekenntnis zu mehr elementarpädagogischer Forschung.

Dies sind beides sehr begrüßenswerte Aspekte, besonders das Augenmerk auf Diversität bei den pädagogischen Fachkräften scheint uns hier sehr sinnvoll. Es bleibt hier die Form der Umsetzung abzuwarten.

Wünschenswert wäre es die Elementarpädagogik auf den Universitäten und Hochschulen aus-/aufzubauen, verstärkt tertiär ausgebildete Pädagogen und Pädagoginnen in die Praxis zu bringen und einen intensiven Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis zu fördern.

Unser Maßnahmenvorschlag

Um eine reale qualitative Verbesserung im elementar­pädagogischen Bereich zu erreichen und damit auch dem längst nachgewiesenen Wert früher Bildung gerecht zu werden, sollten neben der Stärkung der Forschung und qualitativ hochwertiger Fortbildung folgende Maßnahmen Inhalt eines „Elementarpädagogikpakets“ sein:

  1. ein echter bundesweit einheitlicher Qualitätsrahmenplan, der Rahmenbedingungen wie Gruppengröße, Pädagogen / Pädagoginnen-Kind-Schlüssel, Zeiten für Dokumentation, Reflexion und Planung, Schaffung von fachlichen Support­systemen für Pädagogen/Pädagoginnen, Leitungen und Träger beinhaltet;
  2. ressourcenstarke Programme für elementarpädagogische Institutionen, die mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind (hoher Anteil an Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache, an Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Familien usw.) und Programme, die versuchen durch Aufbau von Vertrauen auch jene 4-Jährigen zu erreichen, die keinen Kindergarten besuchen und für die eine institutionelle Bildung und Betreuung aber von Vorteil wäre;
  3. ein deutlicheres Bekenntnis in Richtung qualitative Ausbildung auf tertiärem Niveau (wie es sich auch die anderen europäischen Länder leisten)
  4. die Eingliederung des gesamten Elementarbereichs ins Bildungsministerium, um die Umsetzung und Steuerung zu garantieren
  5. und ein bisschen mehr Vertrauen in die Arbeit der Pädagogen und Pädagoginnen, die ohne Vorgabe eines Bildungskompasses selbst entscheiden, welche Instrumente sie persönlich am besten dabei unterstützen die Kinder in ihrer Entwicklung und Bildung zu begleiten.

Diese Stellungnahme wurde mit Schreiben vom 22. November 2015 an die Mitglieder der Bildungsreformkommission, die Mitglieder des parlamentarischen Unterrichtsausschusses sowie an die Herren Bundes- und Vizekanzler geschickt.


Berufsgruppe Elementarer Bildungseinrichtungen Kärntens

Tessendorferstrasse 140
9020 Klagenfurt am Wörthersee

E-Mail: beb.ktn@gmail.com
Internet: http://bebek-ktn.blogspot.co.at
Facebook: https://www.facebook.com/beb.ktn

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