„Grenzen dicht“-Rhetorik ist glatte Themenverfehlung. Replik auf Arbeiterkammer-Direktor Muhm.

Krise und Sparpolitik sind für steigende Arbeits­losigkeit verantwortlich, nicht die Arbeitnehmer­Innen. Egal, woher sie kommen! Arbeitnehmer­Innen aus Osteuropa für die steigende Arbeits­losigkeit in Österreich verantwortlich zu machen ist billiger Populismus und nicht mehr. Mit einer „Grenzen dicht“-Rhetorik à  la AK-Direktor Muhm lassen sich die Arbeitsmarktprobleme in Österreich jedenfalls nicht lösen.

Wir erinnern gerne an die zentralen Gründe für die hohe Arbeitslosigkeit, nachzulesen übrigens in zahlreichen, ­hervorragenden Arbeiterkammer-Publikationen: Wirtschaftskrise, eine ruinöse Sparpolitik quer über Europa, Ungleichverteilung und damit einhergehende Nachfrageschwäche und der Strukturwandel in der Wirtschaft.

Die Aussagen des scheidenden Arbeiterkammer-Direktors Muhm in einem „Krone“-Interview, wo er den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Österreich auf den Zuzug über­wiegend osteuropäischer ArbeitnehmerInnen zurück­geführt und eine Diskussion über die Einschränkung der Personenfreizügigkeit gefordert hat, müssen scharf ­zurückgewiesen werden.

Arbeitslosigkeit ist die Folge verfehlter Sparpolitik

Es hätte uns gefreut, wenn Kollege Muhm in seiner Zweit-Lieblingsrolle als Kanzlerberater mit ähnlichem Engagement, mit dem er jetzt ein Ende der Personen­freizügigkeit fordert, bei seinem Bundeskanzler gegen ­Fiskalpakt, Schuldenbremse und Kampf gegen Steueroasen und für eine Finanztransaktionssteuer geworben hätte.

Mit einem Nein der SPÖ zu Fiskalpakt und Schuldenbremse wäre den Arbeitssuchenden in Österreich jedenfalls mehr geholfen gewesen, als mit einer Agitation gegen osteuropäische ArbeitnehmerInnen.

Die Arbeitslosenzahlen sprechen jedenfalls eine klare Sprache. Während der Anstieg der Arbeitslosigkeit in den ersten Krisenjahren noch gebremst werden konnte, ist sie seit 2012 von 260.600 auf aktuell über 490.000 Arbeitslose massiv angestiegen – in diesem Jahr wurde auf EU-Ebene von den Mitgliedsstaaten der Fiskalpakt mit Schuldenbremsen und massiven Einsparungen und Ausgaben­kürzungen beschlossen.

ArbeitnehmerInnen und Arbeitslose sind europaweit Opfer einer völlig verfehlten EU-Krisenpolitik, die auf ­Kürzungen, Sozialabbau und Abbau von ArbeitnehmerInnen- und Gewerkschaftsrechten setzt. Und nicht zuletzt die ArbeitnehmerInnen in den östlichen EU-Mitgliedsstaaten sind besonders hart betroffen.

Die Ursachen für Arbeitsmarktprobleme sind überwiegenden in einer verfehlten Wirtschaftspolitik zu suchen und auch dort anzugehen. Arbeitsmarktprobleme lassen sich nur bedingt mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, wie Begrenzung von Zuzug, lösen.

Ende der Personenfreizügigkeit fördert Schwarzarbeit und erhöht Lohndruck

Es sei eine Illusion zu glauben, über ein Aussetzen der Personenfreizügigkeit Zuwanderung und Arbeitsmarktdruck verhindern zu können.

Vielmehr wird das Gegenteil passieren: Wer Menschen Möglichkeiten einer legalen Beschäftigung nimmt, drängt sie in illegale, prekäre Beschäftigung. Damit wird der Druck auf Löhne und Sozialsysteme insgesamt erhöht.

Ein Ende der Personenfreizügigkeit ist ein Schuss ins Knie. Problemen, die sich aus Zuwanderung am Arbeitsmarkt ergeben – insbesondere der steigende Konkurrenzdruck im Bereich niedrigqualifizierter Beschäftigung – muss mit konkreten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, wie:

  • Qualifikation,
  • Weiterbildung,
  • erleichtertem Nachholen von Bildungsabschlüssen, etc.,

begegnet werden. Eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik steht und fällt allerdings mit einer Wirtschaftspolitik, die sich insbesondere die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zum Ziel setzt.

Die Verantwortung für steigende Arbeitslosigkeit ist in einer völlig verfehlten europäischen Krisenbewältigung zu suchen, die in Österreich ihre konkrete nationalstaatliche Umsetzung findet und die auf Kosten der Arbeitnehmer­Innen und der Beschäftigung geht.

Wenn mitten in der Krise massiv bei öffentlichen ­Ausgaben und Investitionen gespart wird, darf es nicht verwundern, dass die Arbeitslosigkeit steigt. Es braucht einen grundlegenden politischen Kurswechsel in Europa und auch in Österreich.

Wer die Schuld für die hohen Arbeitslosenzahlen bei ArbeitnehmerInnen aus dem EU-Ausland sucht, betreibt nicht nur billigen Populismus sondern begeht auch eine glatte Themenverfehlung.

Hinweis: Am 12. Feber 2016 erschien in der Kronen-Zeitung ein Artikel, in dem sich der scheidende Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm kritisch zur Personenfreizügigkeit in der EU zu Wort meldet und eine Diskussion über selbe einfordert. Die steigende Arbeitslosigkeit in Österreich – sie hat in den ersten Monaten des Jahres neue Rekordwerte erreicht – sei eine Folge der Arbeitsmigration aus den osteuropäischen EU-Mitglieds­staaten, die Arbeitslosigkeit in Österreich eine „importierte“.

Quelle: Die Alternative

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