Die Über­wachungs­rechte des Betriebs­rates sind umfassend.

„Leider ist die Einsicht in die Lohn- und Gehalts­listen, Arbeits­zeit­auf­zeichnungen, etc. aufgrund der Daten­schutz­bestimmungen nicht möglich“. Solches oder so ähnliches haben schon viele BetriebsrätInnen von der Geschäftsführung ihres Betriebes zu hören bekommen.

Dabei kann wieder einmal nur festgehalten werden: Die Überwachungsrechte des Betriebsrates sind umfassend, sie sind nicht zustimmungspflichtig und das Datenschutz­gesetz 2000 spielt keine Rolle. Wie auch der Oberste Gerichtshof im September 2014 bestätigte.

Im Feber-Heft der Zeitschrift „Das Recht der Arbeit – infas“ zitierte Martina Chlestil ein Urteil des Obersten Gerichtshofes von September 2014. Der Arbeitgeber einer Firma verweigerte dem Betriebsrat die Einsicht in die Lohn- und Gehaltslisten mit der Begründung, dass sich MitarbeiterInnen gegen die Übermittlung derartiger Unterlagen aussprachen und um Geheimhaltung ihrer Daten ersuchten.

Der Betriebsrat klagte und bekam recht. Demnach hat der Betriebsrat nicht nur bei den Lohn- und Gehalts­listen Einsichtsrecht, sondern auch bei allen vom Arbeitgeber geführten Aufzeichnungen über Bezüge der Arbeitnehmer­Innen,

in die zur Berechnung dieser Bezüge erforderlichen Unterlagen, in alle auf diese Bezüge bezugnehmenden Auszahlungsunterlagen sowie in sämtliche Aufzeichnungen, deren Führung durch Rechtsvorschriften vorgesehen ist – insbesondere in Urlaubskarteien, Krankenstandsaufzeichnungen und Arbeitszeiterfassungen.

Die Grundidee der Kontrollrechte im Arbeitsverfassungsgesetz

Schon in der Regierungsvorlage zum Arbeitsverfassungsgesetz vom 28. Juni 1973 zeigt sich der hohe ­Stellenwert der Überwachungs- (§ 89) und Interventionsrechte (§ 90), die der Betriebsrat besitzt.

Diese Rechte wurden an die Spitze der Befugnisse der ArbeitnehmerInnenschaft gestellt. Das Überwachungsrecht, so die Regierungsvorlage zum Arbeitsverfassungsgesetz,

wird umfassend mittels einer Generalklausel umschrieben und durch beispielsweise Aufzählung einzelner Überwachungsbefugnisse ausgeformt.

Die umfassende Formulierung der Generalklausel soll deutlicher als das geltende Recht ein umfassendes Überwachungsrecht des Betriebsrates bezüglich der Einhaltung aller die Arbeitnehmer berührenden Normen (beispielsweise arbeits-, steuer- oder sozialversicherungsrechtlichen Inhaltes) sicherstellen.

Die im Arbeitsverfassungsgesetz beispielhafte Aufzählung der Überwachungsrechte wurde gegenüber dem alten geltenden Recht (Betriebsrätegesetz 1919) insoweit ausgeweitet, als das Recht auf Einsicht­nahme in die Gehalts­unterlagen auch auf andere die Arbeitnehmer­Innen betreffende Aufzeichnungen ausgedehnt wurde, sofern deren Kenntnis für den Betriebsrat zu einer zweckentsprechenden Ausübung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse nötig ist.

Die im Betriebsrätegesetz von 1919 ausdrücklich angeführten Überwachungsrechte bezüglich Kollektiv­verträgen beziehungsweise Arbeitnehmerschutzvorschriften

sind von der Generalklausel eindeutig mitumfasst und bedürfen daher keiner gesonderten Erwähnung,

wie in der Regierungsvorlage deutlich vermerkt wurde.

Datenschutzgesetz nimmt sich selbst aus dem Spiel

Aber eigentlich geht es viel einfacher: Das Datenschutzgesetz 2000 selbst lässt das Arbeitsverfassungsgesetz unberührt:

§ 9. Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen werden bei der Verwendung sensibler Daten ausschließlich dann nicht verletzt, wenn […]

11. die Verwendung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten des Auftraggebers auf dem Gebiet des Arbeits- oder Dienstrechts Rechnung zu tragen, und sie nach besonderen Rechtsvorschriften zulässig ist, wobei die dem Betriebsrat nach dem Arbeitsverfassungsgesetz zustehenden Befugnisse im Hinblick auf die Daten­verwendung unberührt bleiben. (Hervorhebung durch den Verfasser, Anm.)

Überwachungsrecht als Pflichtbefugnis des Betriebsrates

So entschied auch der Oberste Gerichtshof in seiner Begründung und führt weiter aus:

Das Überwachungsrecht des Betriebsrats gemäß § 89 Z 1 Arbeits­verfassungs­gesetz besteht auch ohne Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers […] Würde man hier eine individuelle Zustimmung der Dienstnehmer für erforderlich halten, würde dies die Tätigkeitsmöglichkeiten des Betriebsrats im Bereich seiner Pflichtkompetenz aushöhlen.
(Hervorhebung durch den Verfasser, Anm.)

Es bestünde ebenso die Gefahr, dass ArbeitgeberInnen einzelne DienstnehmerInnen unter Druck setzen, um so die Kontrolltätigkeit des Betriebsrates zu verhindern. Der Oberste Gerichtshof hat klar entschieden, dass dieses Einsichts- und Kontrollrecht nicht von der Zustimmung der einzelnen ArbeitnehmerInnen abhängig ist.

Und lehnt eine Verweigerungsmöglichkeit der Einsichtnahme unter Hinweis auf den Datenschutz ab, denn es besteht

diesbezüglich eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder sogar Verpflichtung („Pflichtbefugnis“) des Betriebsrates.

Der Betriebsrat als gewähltes Organ der Belegschaft eines Betriebes ist gesetzlich verpflichtet, die Interessen und das Wohl der ArbeitnehmerInnen wahrzunehmen und muss daher schon deswegen Einsicht in sämtliche Aufzeichnungen, deren Führung durch Rechtsvorschriften vorgesehen ist, erhalten.

Die Daten der KollegInnen sind dadurch geschützt, dass der Betriebsrat und dessen Mitglieder einer strengen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Chlestil belegt das im Artikel durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 2001, wonach schon allein durch die Weitergabe von Daten über die Gehaltssituation in ganzen Betriebsbereichen ein Entlassungsgrund verwirklicht wird.

Anzunehmen bleibt, dass die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen weiter unter den Vorwand des Datenschutzes die Überwachungsrechte und damit in weiterer Folge die Interventionsrechte des Betriebsrates einschränken werden. In den meisten Fällen wird nicht das Wohl der ArbeitnehmerInnen der Grund der Verweigerung sein, sondern das Unverständnis vieler ArbeitgeberInnen, dass der Betriebsrat dazu ermächtigt ist, auf Augenhöhe mit ihnen zu agieren.

Stefan Steindl ist Mitarbeiter der AUGE/UG.

Quelle: Die Alternative

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