Nach drei Jahren hat Fritz Edlinger wieder ein Buch über Syrien herausgegeben. Während das erste Buch noch ziemlich differenziert an die Konflikte heranging, ist das jetzige weitgehend von „geopolitischen“ Sichtweisen dominiert und hat eine Pro-Assad- und Pro-Russland-Schlagseite.

Die Veränderung hängt natürlich mit der realen historischen Entwicklung zusammen. Aus einer – zunächst friedlichen – Rebellion wurde immer mehr ein bewaffneter, extrem blutiger Krieg, in den die diversen – internationalen – „Player“ eingreifen und ihr jeweiliges Süppchen kochen. Aus dieser negativen Entwicklung wird von etlichen AutorInnen kurzgeschlossen, dass man die innersyrische Dimen­sion der Konflikte kleinreden kann.

Beginnen wir jedoch mit dem Positiven. Das Buch enthält eine Menge von facts – etwa die starke Präsenz der Islamisten im Internet (Seite 71ff), erhellt einige Hintergründe. Ausgezeichnet und ausgewogen ist der Beitrag von Nikolaus Brauns „Die Kurden in Syrien und die Selbstverwaltung in Rojava“ (Seite 91ff); ebenso der Abschnitt von Murat Cakir „Erdogans Syrien Abenteuer“ (Seite 141ff). Schließlich möchte ich auf den Beitrag des Politologen Gerhard Mangott verweisen: „Russland und der Bürgerkrieg in Syrien“ (Seite 159ff).

Kommen wir zu den kritischen Punkten. Es fällt auf, dass es keinerlei Analyse der zwar sehr geschwächten, aber nach wie vor vorhandenen zivilgesellschaftlichen Ansätze in Syrien (und zwar in verschiedenen Landesteilen) gibt. Es fehlt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Muslimbrüdern, die ja nicht samt und sonders dem islamistischen Terror zuzuordnen sind!

Auf Grund dieser konzeptuellen Defizite landen einige AutorInnen bei einer „positiven“ Bewertung des Assad-Regimes. Etwa: „Das Regime Assads (ist) – nach der Zerstörung des Irak und Lybiens und abgesehen von der von den Saudis abhängigen ägyptischen Militärdiktatur – das letzte säkulare System der Region“ (Seite 26). Oder der blauäugige, affirmative Beitrag „Ohne ihn – gemeint ist Assad; H.D – wären wir alle schon tot“. Zu Geschichte und Gegenwart des Christentums in Syrien“ (Seite 113ff). Diese Lager-Sichtweise findet auf internationaler Ebene ihre Fortsetzung. Weil völlig zu Recht die Machenschaften des Imperialismus und seiner Wurmfortsätze in der Region ins Visier genommen werden, wird infolge der „campistischen Brille“ das Wirken Russland „freundlicher“ gesehen. Typisch die Ausführungen Werner Rufs „Der Syrienkrieg – ein regionaler Stellvertreterkonflikt“ (Seite 13ff). Während die Rolle der USA, der Türkei, Saudi-Arabiens etc. ausführlich und differenziert behandelt werden, gibt es zu Russland heiße 14 Zeilen und es heißt kommentarlos lapidar: „Wenn Russland ein globaler player bleiben will, muss es im Konflikt um Syrien Präsenz zeigen und seinem Partner Schutz bieten“ (Seite 18). Anstatt jedoch in „Lager“-Kategorien zu denken (die schon im Kalten Krieg nicht hinhauten), wäre es dringend notwendig eine unabhängige, kritische Herangehensweise zu wählen. Auch kein Zufall, dass internationale Friedensinitiativen ad Syrien – wie die von Leo Gabriel gestartete, die unter anderem zwei Konferenzen in Österreich abhielt und auch zu de Mistura Kontakte knüpfte – nicht einmal erwähnt werden.

Mein Ratschlag für das Buch: Lesen – aber sehr gegen den Strich!

Rezension von Hermann Dworczak.

Erstes Buch: Fritz Edlinger, Tyma Kraitt Syrien (Hg.) Hintergründe, Analysen, Berichte. Promedia Verlag, Wien 2013.

Bezugsquelle: Fachbuchhandlung des ÖGB-Verlags, Rathausstraße 21, 1010 Wien.

Quelle: Die Alternative

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