Am letzten Tag im Mai hat das Burgenland gewählt.

Rund 300.000 Wahlberechtigte entschieden darüber, wer sie die nächste Periode über regieren sollte. Zur Wahl standen neben der SPÖ, ÖVP, FPÖ, den Grünen noch die Liste Burgenland sowie kleinere Parteien wie zum Beispiel die KPÖ und die NEOS.

Wir alle kennen das Wahlergebnis mittlerweile mehr als genau, die Folgen dieser Wahl hallen auch noch immer nach. Vor allem die SPÖ-Burgenland geht neue Wege. Dabei kam es immer wieder zum langsam gängigen Ausspruch:

Wer hat uns verraten? – Die Sozialdemokraten!

Nur, ist dem auch tatsächlich so oder gibt es da noch andere Faktoren die mitspielen?

Schauen wir uns das Ganze einmal an.

Nun da ist natürlich zuerst die politische Komponente: In ihrem Parteiprogramm ist der antifaschistische Grundkonsens festgeschrieben, die Ausgrenzung einer Partie mit ideologischer Nähe zum Nationalsozialismus bisher auch Parteidogma. Immerhin ist die FPÖ ja das Sammelbecken ehemals rechter PolitikerInnen und ParteigängerInnen. Egal ob sie jetzt VdU oder FPÖ heißt.

Interessanterweise hatten bei der Gründung der damaligen VdU der sowjetische Hochkommissar in Österreich sowie die Sozialisten (Oskar Helmer) entscheidend ihre Finger im Spiel, da sie sich damals eine Schwächung des christlich-sozialen Lagers versprachen.

Danach gab es bis Bruno Kreisky obige klare Trennung. Erst der oftmals als „Sonnenkönig“ verspottete Kreisky band die FPÖ, vor allem ihren Obmann Friedrich Peter in sein politisches Konzept ein. Peter war Offizier der Waffen-SS und einer Einheit zugeordnet, deren Mitglieder im Rahmen der sogenannten Einsatzgruppen in Russland Kriegsverbrechen an der dortigen Bevölkerung verübten. Kreisky kam damals in Konflikt mit Simon Wiesenthal, Stichwort: Kreisky-Peter-Wiesenthal-Affäre.

Schaler Beigeschmack

Es kam letztendlich ohnehin nicht zu dieser fragwürdigenKoalition aber der schale Beigeschmack blieb. Danach gab es eine Zeit, in der die Sozialisten wieder auf Distanz zur FPÖ gingen, vor allem nach den absoluten Wahlerfolgen in den 1970er Jahren.

Erst 1983, nach Verlust der Absoluten, waren die Blauen wieder ein Partner, Fred Sinowatz regierte mit blauer Hilfe – Norbert Steger wurde FPÖ-Vizekanzler – das Land. Die erste bundesweite rot-blaue Koalition der damals noch als Sozialistische Partei Österreichs firmierenden SPÖ. Als der Schritt von der Arbeiterpartei weg zu einer linken Volkspartei immer grösser wurde, benannte man sich 1991 wieder in „Sozialdemokratische Partei Österreich“ um.

Der Richtungsstreit innerhalb der SPÖ hält seit damals an, zumal mit den Grünen eine weitere linke Kraft einen beachtlichen Stimmenanteil für sich verbuchen kann. Darüber hinaus haben sich viele Altlinke von der SPÖ verabschiedet und sind neue Wege gegangen.

Die (erweiterte) politische Komponente

In der Zwischenzeit hat sich allerdings die unter Steger moderate FPÖ immer weiter nach rechts bewegt, nicht zuletzt durch ihre Obmänner Jörg Haider und HC Strache. Die allgemein schwierige Lage in Europa erleichterte den ohnehin als Nörglern und Schwarzmalern bekannten Menschen hierzulande, ihren Frust über die herrschende Politik kundzutun.

Zum Schaden der arrivierten (Groß)Parteien SPÖ und ÖVP, die fast fünfzig Jahre lang einträchtig das Land regiert haben. Dieses Proporzverhalten stört aber immer mehr Menschen, die sich von den herrschenden Politikern nicht mehr oder nur mehr wenig vertreten sehen. Entscheidungen, die darüber hinaus in Brüssel gefällt werden, erregen zusätzlich Missfallen. Das ist die (erweiterte) politische Komponente.

Doch es gibt noch anderes.

Die wirtschaftliche Notwendigkeit, Österreich in Europa und der Welt weiterhin gut aufzustellen. Damit geht auch eine persönliche Zufriedenheit der Menschen mit sich und ihrer Umwelt Hand in Hand. Fühlt man sich vertreten, wertgeschätzt und gut behütet, vermutet man nicht hinter jedem Busch einen (potentiellen) Verbrecher. Die „Insel der Seligen“ muss wieder aufgebaut werden, um es umgangs­sprachlich zu formulieren.

Ein weiterer Grund für den Rechtsruck in Österreich ist sicher das langsame Aussterben der „Kriegs­generation“, mit der das kollektive Erinnern immer schwieriger wird und die Aufklärung über die Schrecken jener Zeit mehr und mehr verschwindet. Man fühlt sich nicht mehr schuldig, da man lange nach dem Dritten Reich geboren ist und auch keinerlei Verbindungen innerhalb der Familie mehr hat.

Die Erinnerungskultur weicht für viele Menschen immer mehr einer Suderei verbunden mit Forderungen der Hinterbliebenen der damaligen Opfer die als frech und unangemessen empfunden werden.Die Tatsache, dass viele Österreicher noch heute auf „arisierten Liegenschaften“ sitzen, wird weitestgehend negiert.

(Pseudo)wissen

Daher ist es nur zu verständlich, dass die Partei, die sich gegen eine weitere Erinnerungskultur dieser Art wehrt, Zulauf bekommt. Da helfen dann auch keine Richtigstellungen oder verordnete Erinnerungs­szenarien. Im Gegenteil, sie werden als störend empfunden.

Schnell und problemlos zu erlangendes (Pseudo)wissen aus sozialen Netzwerken, den Medien und Zeitschriften steuert die sogenannte öffentliche Meinung noch weiter in die Richtung, in die man sie haben will. Eine konsequente und vor allem zeitgemäße Bildungspolitik könnte dem entgegenwirken – nur mit Instrumentarien, die über 40 Jahre alt sind, kann man da nicht wirksam gegensteuern und einem Bildungsabfall entgegenwirken.

Bildung

All diese Dinge werden schon seit langem kritisiert, die Umsetzung der Forderungen fehlt aber nach wie vor. Auch, da wir vor allem der SPÖ die Schuld geben, obwohl von 1994 bis 2007 dieses Ressort von der ÖVP besetzt war. Kernforderungen wie ein einheitliches Schulsystem von 6 bis 14 Jahren (Gesamtschule), Verkleinerung der Klassen und mehrsprachiger Unterricht sind bis jetzt chancenlos.

Ob das jetzt an den (SPÖ)MinisterInnen liegt oder der Zug für unser Bildungssystem schon länger abgefahren ist, muss jeder selber entscheiden. Ein „lebenslanges“ Gratisstudium frisst zusätzlich Ressourcen und macht viele ArbeitnehmerInnen grantig, die dieses Bildungssystem finanzieren müssen. Eine Abschlussquote von nur rund 40 Prozent aller Inskribierten dokumentiert die Schwäche des Systems wohl am besten.

Zurück zur Kernfrage:

Darf man denn als Sozialdemokrat mit dem Dritten Lager überhaupt koalieren? Per Definition muss man hier ganz klar NEIN sagen, will man nicht die (noch gültigen?) Grundprinzipien der Sozial­demokratie über den Haufen werfen. Tut man es dennoch, entfernt man sich vom eigentlichen Grundgedanken – und das gilt es zu hinterfragen.

Vor allem ob man eine Partei, die sich selbst ad absurdum führt, überhaupt wählen kann und soll. Dies zu entscheiden bedarf es mündiger Bürger, die nicht jeden vorgesetzten Brei kauen, sondern sich ihr „Mahl“ selber zubereiten.

Wir würden darüber gerne in eine Diskussion eintreten und laden jeden Leser dieser Zeilen ein, uns seine / ihre Meinung dazu mitzuteilen. Danke im Voraus!

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