Ein Entlastungsvolumen von rund 5,2 Milliarden Euro muss erst einmal gegenfinanziert werden.

Der Umfang der Steuerreform war auch schon im Zusammenhang mit dem ÖGB/AK-Steuermodell im Fokus der Kritik der Unabhängigen GewerkschafterInnen. Die Unabhängigen GewerkschafterInnen sahen im großen Volumen sowohl die Finanzierung sozialstaatlicher Leistungen massiv gefährdet als auch budgetäre Spielräume für notwendige Investitionen eingeschränkt. Würde eine Entlastung nicht ausreichend – einnahmeseitig, verteilungsgerecht und ­ökologisch sinnvoll – gegenfinanziert, würden weitere Sparpakete drohen, so die Befürchtung. Und diese Befürchtung scheint sich mit dem vorliegenden SPÖ-ÖVP Steuerpaket zu bestätigen. Denn: Wie stellt sich die Bundes­regierung die Gegenfinanzierung vor?

  • Mit rund achthundertfünfzig Millionen Euro soll sich die Reform über höhere Steuereinnahmen und geringere ­Ausgaben als Folge erhöhter Nachfrage selbst finanzieren.
  • 1,9 Milliarden Euro sollen Maßnahmen gegen Steuer­betrug bringen.
  • Neunhundert Millionen Euro sollen aus steuer­recht­lichen Maßnahmen und Mehrwertsteuer­erhöhungen ­kommen.
  • 1,1 Milliarden Euro sollen Kürzungen von Förderungen und bei der Verwaltung erbringen.
  • Vierhundert Millionen Euro erwarten sich die Koalitionsparteien aus einem „Solidaritätspaket“.

Wie sind diese Gegenfinanzierungspositionen nun zu bewerten?

  • Eine Eigenfinanzierung im Umfang von 850 Millionen Euro ist eine ausgesprochen optimistische Schätzung. Die Eigenfinanzierungsquote hängt in hohem Maße davon ab, ob eine Steuerreform von einer expansiven Fiskalpolitik – also von entsprechend hohen öffentlichen Investitionsausgaben – begleitet wird. Das ist bei dieser Reform definitiv nicht der Fall. Nicht nur, dass sich die Bundesregierung bei Präsentation der Steuerreform zum strukturellen Null­defizit und zu den Einsparungszielen im Rahmen des von SPÖ und ÖVP beschlossenen Budgetpfads bekennt, sehen die Gegenfinanzierungs­maßnahmen selbst noch ein zusätzliches Sparpaket von 1,1 Milliarden Euro vor. Auch wird die Steuerentlastung aus der Tarifreform den Konsum nicht so stark beleben, wie erhofft, profitieren doch ins­besondere BezieherInnen mittlerer und höherer Einkommen von der Tarifreform. Einkommens­gruppen mit einer deutlich höheren Sparquote als „untere“ Einkommensschichten. Eine Eigen­finanzierung im erhofften Umfang erscheint vor diesen Hintergründen unrealistisch, nicht zuletzt, da die konjunkturpolitischen Wirkungen der Steuerreform – etwa nach Schätzungen des WIFO – ausgesprochen bescheiden, um nicht zu sagen vernachlässigbar, sind.
  • Kommen wir gleich zum Sparpaket im Umfang von 1,1 Milliarden Euro. Wo weiter gespart werden soll, ­darüber lässt sich die Regierung – noch – nicht wirklich aus. Erste Vorstellungen über das „Wie“ wurden allerdings bereits geäußert: Die Ausgaben für den öffentlichen Dienst sollten „gedämpft“ werden, meinte etwa der Finanzminister. Wie das geschehen sollte? Da kursierten in den Medien bereits einige Ideen: etwa geringere Einkommenszuwächse oder der Abbau von Überstunden und die Forcierung von „Arbeitszeitverkürzung“, allerdings ohne Einkommens­ausgleich. Und am Aufnahmestopp wird wohl auch nicht gerüttelt werden. Was man allerdings bereits jetzt weiß: Die Sparpolitik trifft bereits in aller Härte Einrichtungen der Arbeitsmarkt­politik, den Gesundheitsbereich und die sozialen Dienste. Und hier drohen weitere Einschnitte bei Beschäftigung und Einkommen – etwa über weitere Reduktionen bei den „Ermessensausgaben“ der Ministerien und damit tatsächlich sinkende Löhne und steigende Arbeits­losigkeit in oben erwähnten Bereichen. Allesamt jedenfalls Einsparungsmaßnahmen, die mit Sicherheit keinen Beitrag zur Krisenbewältigung und zur Belebung der Konjunktur darstellen. Allesamt Maßnahmen, welche über Umwege oder sogar direkt dazu führen, dass sich zumindest ein Teil der ArbeitnehmerInnen „ihre / seine“ Lohnsteuersenkung doch ­selber zahlen muss. Über steigende Arbeitslosigkeit, ­niedrigere Einkommen und über den Abbau öffentlicher Leistungen und sozialer Dienste.
  • Die geplanten Maßnahmen gegen Steuerbetrug (Registrierkassenpflicht, Belegerteilungspflicht, Bankkonteneinsicht im Rahmen von Betriebsprüfungen) sind grundsätzlich zu begrüßen und beruhen auf Schätzungen des Finanzministeriums selbst. Fragwürdig ist allerdings, ob das erhoffte Mehraufkommen tatsächlich einzubringen sein wird. Insbesondere, nachdem erste Details der Umsetzung bekannt geworden sind: So soll Registrierkassenpflicht nur bestehen, wenn die Bartransaktionen über den Girotrans­aktionen liegen. FreiberuflerInnen könnten so etwa einer Registrierkassenpflicht relativ leicht „entkommen“. Angesichts dieser Regelungen erscheint die Schätzung des erwarteten Aufkommens ausgesprochen optimistisch. Nicht zuletzt, weil ein „Anspruch“ noch lange keine „Realisierung“ bedeutet, weil nämlich durchaus nicht gesichert erscheint, dass Finanzschuldner bestehende Finanzschulden tatsächlich begleichen können.
  • Hervorgehoben sei hier jedenfalls, der ursprünglich geplante partielle Fall des Bankgeheimnisses, der inzwischen vollständig ausfallen dürfte. Künftig soll es ein Kontenregister geben, das für die Finanzbehörden einsichtig ist. Ein Kontenregister das sämtliche – private wie geschäftliche – Konten umfasst und regelmäßig aktualisiert werden soll.

Damit ist es mit dem Bankgeheimnis, das insbesondere Steuerhinterziehern und Geldwäschern nutzte, tatsächlich vorbei und einer möglichen, künftigen Vermögensbesteuerung beziehungsweise einer progressiven Besteuerung von Kapitalerträgen analog zu jener von Arbeitseinkommen, stünde damit auch nichts mehr im Wege. Notwendig ist hierzu allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, die nur mit den Grünen zu erzielen sein wird. Die Grünen sind zwar grundsätzliche Gegner des Bankgeheimnisses und haben die Unterstützung auch bereits in den Raum gestellt, doch wird es wohl auf die konkrete Umsetzung ankommen (kein Zugriff der ­Sozialämter auf Kontendaten, Informations­pflicht gegenüber Betroffenen bei Kontenabfragen, Schließung weiterer Steuerschlupflöcher etc.), ob es diese Zustimmung geben wird. Jedenfalls stehen die Chancen gut und es gilt, die Verhandlungen abzuwarten.

Hellhörig muss man als GewerkschafterIn nämlich ­insbesondere werden, wenn es an die Bekämpfung sogenannten „Sozialbetrugs“ gehen soll, woraus sich die Regierung zweihundert Millionen Euro erhofft. Hier gehen ­nämlich die Meinungen, was denn darunter zu verstehen ist, bei ÖVP und SPÖ deutlich auseinander. Während die Volkspartei weiter Arbeitslose und Mindestsicherungs­bezieherInnen „piesacken“ will, schweben der SPÖ eher Maßnahmen gegen Scheinfirmen und „Scheinrechnungen“ (Barauszahlungsverbot am Bau, um ausgestellte Rechnungen ohne tatsächlich erfolgte finanzielle Gegenleistung zu verhindern) vor.

Was die Gegenfinanzierung aus der Position „steuerliche Maßnahmen“ betrifft, fällt die Bewertung durchwachsen aus. Dass die Möglichkeit, bestimmte Sonderausgaben – wie etwa für private Pensionsvorsorge oder diverse Versicherungsleistungen – steuerlich absetzen zu können, auslaufen soll, ist durchaus begrüßenswert. Vorhaben wie die Absenkung der Abschreibungsquote von gewerblich genutzten Gebäuden von drei auf 2,5 Prozent, oder die höhere Besteuerung privat genutzter, „unökologischer“ Dienst­autos, gehen auch in Ordnung, auch wenn letztgenannte Maßnahme aus ökologischer Sicht bestenfalls als halb­herzig zu bezeichnen ist.

Deutlich umstrittener ist dagegen die Umsatzsteuer­erhöhung von zehn auf dreizehn Prozent etwa für Tiergarten-, Museums-, Kino- und Theaterbesuche sowie für Tierfutter. Auch wenn sich die zusätzliche finanzielle Belastung betroffener Gruppen deutlich in Grenzen hält, durch die Lohnsteuerentlastung mehr als wettgemacht wird und beinahe vernachlässigbar ist, handelt es sich doch um entstehende Betroffenheiten (insbesondere bei Tierfutter, Kino oder Tiergärten), die leicht Emotionen und politische Wogen hochgehen lassen. Der Löwenanteil aus der Mehrwertsteuererhöhung – nämlich rund 175 von 250 Millionen Euro kommt übrigens aus den Bereichen Hotellerie, da Nächtigungen teurer werden.

Kommen wir zuletzt zum „Solidaritätspaket“, wie es genannt wird. In diesem befindet sich jenes traurige Etwas, das von der sozialdemokratischen Forderung nach Vermögenssteuern noch übriggeblieben ist. Zwei Milliarden sollten Vermögenssteuern ursprünglich ausmachen, forderte der ÖGB, forderte auch die SPÖ. Vergleichsweise mickrige vierhundert Millionen Euro sind es geworden und das wenigste davon hat mit Vermögenssteuern zu tun. Das Solidaritätspaket setzt sich dabei, wie folgt, zusammen:

  • Die Immobilienertragssteuer – die Steuer auf Gewinne aus dem Verkauf von Immobilien – soll von fünfundzwanzig auf dreißig Prozent erhöht werden und hundertfünfzehn Millionen Euro bringen.
  • Die Kapitalertragssteuer auf Dividenden – und nur diese – soll, gibt es dafür eine Verfassungs­mehrheit, von 25 auf 27,5 Prozent erhöht werden, was hundertfünfzig Millionen Euro erbringen soll.
  • Ja nicht zu vergessen der bereits erwähnte neue Spitzensteuersatz von fünfundfünfzig Prozent für Einkommens­millionärInnen, der mit fünfzig Millionen Euro an Erträgen veranschlagt ist.
  • Die Grunderwerbssteuer auf die unentgeltliche ­(Vererbung, Schenkung) Übertragung von Grund und Boden, auf Basis der Verkehrswerte und progressiv ­gestaltet – mit einem erhofften Aufkommen von ­fünfunddreißig Millionen Euro.
  • Und zuletzt: die außerordentliche Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage für die Sozialversicherung um einmalig hundert Euro – mit erwarteten Mehreinnahmen von neunzig Millionen Euro

Was ist von alledem zu halten? Nun, sie sind zuallererst keinerlei adäquater Ersatz für Vermögens­steuern. Weder hinsichtlich des Aufkommens, noch hinsichtlich des ­Charakters, geht es bei Vermögenssubstanzsteuern doch vor allem auch darum, hohe Vermögensbestände aus demokratie- und machtpolitischen Gründen zu beschneiden und zu reduzieren.

Zusätzlich scheint auch bei diesen Steuern das Prinzip Hoffnung zu gelten: So gingen etwa von den bei Einführung erhofften siebenhundert Millionen aus einer Immobilienbesteuerung erst vierhundert Millionen Euro ein. Auch die Einnahmen aus der Besteuerung von Kursgewinnen bei Aktien sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Und die veranschlagte Grunderwerbssteuer ist schon gar kein Ersatz für eine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Zusätzlich benötigt die Bundesregierung auch für die Erhöhung der Kapitalertragssteuer für Wertpapierzinsen beziehungsweise Dividenden eine Zwei-Drittel-Mehrheit, da die Verfassung nur eine einheitliche Endbesteuerung von Finanzerträgen erlaubt. Und diese Zwei-Drittel-Mehrheit ist derzeit nicht in Sicht. Vollständig durchgesetzt haben sich ­einmal mehr die Besitzer großer Vermögen, die Millionenerben und die Stifter, die in der ÖVP und ihrem Finanz­minister eine starke Lobby haben.

Eine so starke Lobby, dass sich die Volkspartei lieber mit einer ihrer Kernschichten, den Gewerbe­treiben anlegt (siehe Registrierkassenpflicht), als auch nur einen Milli­meter von der Verteidigungsfront für Großgrundbesitzer und Euromilliardäre abzuweichen. Das ist dann doch bemerkenswert und sagt einiges über die Kräfteverhältnisse in dieser Partei aus  …

Zusammenfassend kann festgehalten werden:

  • Die Maßnahmen zur Gegenfinanzierung der Tarifreform sind nicht nur hinsichtlich ihres Aufkommens fragwürdig, sie stehen auch im Widerspruch zueinander.
  • Wenn die Sparpolitik fortgeführt wird und nicht nur das, sondern sogar noch verstärkt, steht das einem hohen Selbstfinanzierungsgrad entgegen.
  • Die Gegenfinanzierung schafft keinerlei Spielraum für zusätzliche Investitionen, vielmehr drohen, um Nulldefizit und Budgetpfad nicht zu gefährden, weitere zusätzliche Sparmaßnahmen.
  • Ist die Einhaltung des bereits beschlossenen Budgetpfads in Richtung Nulldefizit schon fragwürdig – sind in diesen doch etwa jährlich fünfhundert Millionen Euro Aufkommen aus der nach wie vor nicht umgesetzten Finanztransaktionssteuer eingepreist und deutlich optimistischere Erwartungen an die konjunkturelle Entwicklungen – ist dieser durch die zu erwartenden Einnahmeausfälle zusätzlich gefährdet.

Das weiß die ÖVP und das kommt ihr auch durchaus entgegen – kann sie doch dadurch den Druck auf weitere Einschnitte im Sozialsystem, bei Pensionen, bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und im Gesundheitssystem zusätzlich erhöhen. Dann ist es allerdings endgültig aus mit der Mär, dass „wir ArbeitnehmerInnen“ uns die Steuerreform nicht selber zahlen würden.

Die Verteilungskämpfe haben dahingehend schon begonnen. Jedenfalls gilt: Diese Steuerreform ist nicht unsere Steuerreform. Mit dieser Steuerreform wurde eine wichtige Chance auf mehr Steuer­gerechtigkeit vertan. Der Kampf um Vermögenssteuern und um eine grundsätzliche sozial-ökologische Steuerreform muss umso intensiver geführt werden. Ab jetzt.

Quelle: Die Alternative

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