Für eine bedarfs- und lebenslagenorientierte Grundsicherung.

Seit Monaten läuft sie nun, die ÖVP-Kampagne, ­fleißig befeuert von der „Kleine-Mann-Partei“-FPÖ: Die Mindestsicherung müsse dringend reformiert werden. Weniger Geld-, mehr Sachleistungen. Die Mindest­sicherung sei zu hoch, sie würde keine Anreize setzen, einer Arbeit nachzugehen. Und ganz besonders muss die Mindestsicherung für Asylberechtigte gekürzt werden, weil diese ja noch nie etwas „ins System“ eingezahlt hätten.

Die ÖVP führt wieder einmal einen Verteilungskampf, einen „Klassenkampf von Oben“ – gegen die Armen und Ärmsten in unserer Gesellschaft. Die SPÖ droht nach anfänglichen Widerständen einmal mehr einzuknicken. Die Bereitschaft, mit der ÖVP über eine Reform der ­Mindestsicherung verhandeln zu wollen, lässt Schlimmes befürchten.

Die AUGE/UG war die erste Gewerkschaftsfraktion, die sich für eine bedarfs- und lebenslagenorientierte Grund­sicherung – als Ergänzung zu bestehenden Sozialleistungen – stark gemacht hat. Damals noch gegen die ­Widerstände der sozialdemokratischen Mehrheitsfraktion in ÖGB und Arbeiterkammer.

Daher war die Einführung der Bedarfsorientierten ­Mindestsicherung ein wichtiger – wenn auch nur erster und unzureichender Schritt – in die richtige Richtung. Wir stellen uns ganz entschieden gegen alle Versuche, die ­Mindestsicherung zu kürzen.

Wir sehen in der aktuellen Diskussion – insbesondere um die Kürzung der Mindestsicherung für Asylwerber­Innen und der Deckelung der Mindestsicherung mit ­maximal 1500  Euro pro Haushalt – den Probegalopp für einen Generalangriff auf den Sozialstaat insgesamt.

Es wird unter Garantie nicht bei diesen Kürzungen ­bleiben, Sparmaßnahmen werden nicht auf einzelne ­Gruppen beschränkt bleiben, sondern ausgeweitet werden.

Es geht längst nicht nur um die Mindestsicherung

Weil der Sozialstaat mit seinen Leistungen – Arbeits­losengeld, Mindestsicherung, Gesundheitsversorgung, ­Pensionen, Daseins­vorsorge – nicht nur die Funktion hat, in bestimmten Not- und Lebens­lagen abzusichern, sondern auch den „Machtlosen“ zumindest etwas Macht gibt.

Und das widerspricht nun mal klar den Interessen rechtsgerichteter PolitikerInnen und konservativer ­beziehungsweise neoliberaler Wirtschaftsverbände und stellt deren uneingeschränkten Macht­anspruch in Frage: Wer Arbeitslosengeld bezieht, muss eben nicht seine Arbeitskraft zu jedem Preis verkaufen und jeden Job annehmen, sei er noch so mies.

Wer weiß, dass er/sie sich auf ein soziales Netz verlassen kann, wird nicht jede Schikane im Beruf akzeptieren. Wer weiß, dass er/sie im Krankheitsfall gut versorgt wird, weil die solidarisch finanzierte, öffentlichen Krankenversicherung diese Versorgung sicherstellt, wird eben nicht krank in die Arbeit gehen und sich kaputt machen.

Der Sozialstaat stärkt jene, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen – also die ArbeitnehmerInnen – gegenüber jenen, die diese kaufen – also den UnternehmerInnen. Der Sozialstaat ist nicht zuletzt deshalb Konservativen, ­Wirtschaftsverbänden und neoliberalen PolitikerInnen und „ExpertInnen“ aller Schattierungen so verhasst.

Und deshalb stehen gerade auch sozialstaatliche ­Leistungen wie Mindestsicherung oder auch das Arbeits­losengeld unter Dauer­beschuss von ÖVP, FPÖ, Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung.

Mindestsicherung unzureichend

Mit knapp 837 Euro monatlich liegt die Mindestsicherung allerdings tatsächlich nach wie vor deutlich unter der Armutsgefährdungsgrenze (Armutsgefährdungsschwelle 2014, Einpersonenhaushalt: 1161 Euro im Kalendermonat, Quelle: Statistik Austria). Außerdem haben BMS-Bezieher­Innen keinen Rechtsanspruch auf Beratung, Ausbildung und Qualifikation. Maßnahmen, die wesentlich dabei ­helfen und unterstützen, aus einer Notlage herauszukommen. Auch entspricht das Konzept der BMS nur bedingt den Herausforderungen an eine moderne Arbeitsgesellschaft: Angesichts

  • zunehmenden Arbeitsdrucks und Stress am Arbeitsplatz,
  • steigender Burnout-Raten,
  • immer prekärer werdender Arbeits- und ­Lebensbedingungen
  • aber auch sich ändernder individueller Bedürfnis- und Lebenslagen

braucht es neue Formen sozialer Absicherung abseits von Erwerbsphasen.

Wir wollen daher eine Weiterentwicklung der ­bedarfsorientierten Mindestsicherung in Richtung einer bedarfs- und lebenslagen­orientierten Grundsicherung, die in spezifischen Lebensphasen (zum Beispiel berufliche Neuorientierung, Burnout-Prävention, familiäre Betreuungspflichten) zeitlich befristete, finanziell abgesicherte berufliche Auszeiten erlaubt.

Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten mit steigender Arbeitslosigkeit, instabiler werdenden Arbeitsverhältnissen und wachsender Armutsgefährdung

  • braucht es moderne soziale Sicherungssysteme, die stabilisierend wirken und spezifische Bedarfs- und Lebenslagen Betroffener berücksichtigen,
  • braucht es einen starken Sozialstaat der BürgerInnen nicht zu BittstellerInnen macht sondern sie mit ­Rechten ausstattet, sie „berechtigt“ und „ermächtigt“ statt entmündigt.

Was die AUGE/UG will:

  • Die Weiterentwicklung der bedarfsorientierten Mindestsicherung zu einer bedarfs- und lebenslagen­orientierten Grundsicherung und muss sich hinsichtlich der Höhe an der Armutsgefährdungsschwelle ­orientierten, um tatsächlich armutsvermeidend wirken zu können (etwa durch jährliche Valorisierung und 14-malige Auszahlung analog zur Ausgleichszulage im Pensionssystem). Lebenslagen­orientiert bedeutet, dass im Falle spezifischer Lebens- oder Problemlagen – beispielsweise im Falle der Inanspruchnahme einer beruflichen Auszeit etwa zur Burnout-Prävention, aus Pflege- und Betreuungsgründen, wegen einer ­beruflichen (Neu-)Orientierung, aufgrund einer schweren Erkrankung, um ein „Sabbatical“ oder eine ­Bildungskarenz zu nehmen oder beim Berufseinstieg – ein zeitlich befristeter Anspruch auf eine ­Einkommensersatzleistung zumindest in Höhe der Grundsicherung besteht. Die Grund­sicherung in bestimmen Bedarfs- und Lebenslagen ist – wie das Recht auf berufliche Auszeiten – als Rechtsanspruch und bundes­einheitlich zu regeln. Die Mindestsicherung für Kinder ist bundes­weit auf 220 Euro im Monat anzuheben, um Kinderarmut zu verhindern.
  • Keine Kürzung der Mindestsicherung. Die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) hatte vor allem einen Grund: Sie sollte die „Sozialhilfe“ – insbesondere hinsichtlich ihrer Höhe und ihres Leistungsumfangs – weitgehend vereinheitlichen und gegen Armut absichern. Mit einer Höhe von derzeit 837 Euro monatlich liegt sie bereits unter der Armutsgefährdungsschwelle, wirkt Armut beziehungsweise Armutsgefährdung also nur bedingt entgegen. Mit einer Kürzung würde die BMS noch weniger gegen Armut absichern! Eine teilweise Umstellung der Mindestsicherung auf Sachleistungen ist genauso wenig sinnvoll – sie würde angesichts der ohnehin niedrigen Höhe, die gerade einmal die notwendigsten Ausgaben deckt, BMS-BezieherInnen geradezu entmündigen und ein eigenständiges Leben erschweren. Dringende Anschaffungen, Reparaturen etc. könnten nicht mehr selbst getätigt werden, BMS-Bezieher­Innen würden zu BittstellerInnen degradiert und stigmatisiert. Sachleistungen – von Kinderbetreuungs- und -bildungseinrichtungen, Beratung und Betreuung, Hilfe bei der Finanzierung von energiesparenden Geräten, Zugang zu Bildungs­angeboten und leistbarem Wohnraum, günstige Mobilität, etc. sind allerdings wichtige und unabdingbare Ergänzungen zu finanziellen Transfers. Insbesondere auch, um Armuts­verfestigung zu vermeiden.
  • Eine Kürzung der Mindestsicherung wäre auch ein wirtschafts­politischer Unsinn. Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung sind Einkommensersatzleistungen die im Falle von Arbeitslosigkeit oder sozialen Not­lagen nicht nur ein Abrutschen in Armut verhindern. Sie sollen – insbesondere in Krisenzeiten – helfen, die drohende gesamt­wirtschaftliche Konsumschwäche, die sich aus dem Lohnverlust aufgrund von Arbeitslosigkeit ergibt, einzudämmen. Gäbe es derartige Sozialleistungen – sie werden auch als ­“automatische Stabilisatoren“ bezeichnet – nicht, würde die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen massiv einbrechen, die Produktion von Gütern und Dienstleistungen drastisch zurückgehen und die Arbeitslosigkeit noch weiter steigen. Eine Kürzung der Mindestsicherung hätte einen ähnlichen Effekt – eine sinkende Nachfrage weil die Betroffenen weniger Geld zum Ausgeben hätten und in Folge eine ­Verstärkung der Krise mit steigender Arbeitslosigkeit. Deshalb wäre auch die Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte nicht nur eine besondere soziale Härte – weil gerade dieser Gruppe vielfach noch ausreichende Sprachkenntnisse und ­Qualifikationen fehlen, um überhaupt einer Erwerbsarbeit nachgehen zu können – sondern auch wirtschaftspolitisch widersinnig: Weil „Arme“ – und BezieherInnen einer BMS sind arm – jeden Euro, den sie erhalten ausgeben (müssen), jeder Euro also sofort wieder in den Wirtschafts­kreislauf zurück fließt. Eine Mindestsicherung, die gegen Armut wirkt, wirkt also auch gegen Krise und Arbeitslosigkeit!
  • Diese Grundsicherung hat neben einer finanziellen Leistung einen Rechtsanspruch auf Zugang zu sozialen Dienstleistungen, Bildungseinrichtungen, und Gesundheitsversorgung zu beinhalten. Insbesondere braucht es auch einen Rechtsanspruch auf Ausbildung, Beratung, Betreuung und Qualifikation um den Wiedereinstieg in Erwerbsarbeit mit einem entsprechend guten Einkommen zu erleichtern.
  • Die Auszahlung der Grundsicherung soll innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Antragstellung erfolgen.
  • Grundsicherung soll auch „working poor“ zustehen: Über Einschleif­regelungen soll die Existenzsicherung – also Grund­sicherung – auch Erwerbstätigen zustehen, deren Einkommen nicht zum Leben reicht.
  • Arbeitslosengeld, Notstandshilfe wie auch Mindestpensionen sind „armutsfest“ zu machen und ggf. durch eine Grundsicherung auf die Armutsgefährdungsschwelle zu ergänzen. Um gegen Armut im Alter abzusichern wollen wir ab dem 65. Lebensjahr im Rahmen einer sozial gerechten Reform der Pensionen die Einführung einer Grundpension für alle als Basis – und darauf aufbauend wie bisher eine über das bewährte Umlagesystem finanzierte, öffentliche Sozialversicherungspension. Eine Grundpension würde insbesondere Frauen – die aufgrund langer Teilzeitphasen, Kinderbetreuung und anderen Erwerbsunterbrechungen oft nur einen geringen oder gar keinen eigenständigen Pensions­anspruch haben – eine Altern in Würde und in sozialer Sicherheit erlauben.
  • Auf eine Vermögensverwertung bei Bezug der Grundsicherung wird weitestgehend verzichtet, da dies den Ausweg aus Armut nur erschwert. In einem ersten Schritt soll die Vermögensobergrenze, ab der ­Verwertungspflicht bei Grundsicherungsbezug besteht, angehoben werden. Unser Ziel ist allerdings eine umfassende, allgemeine „solidarische“ Vermögensbesteuerung zur ­Finanzierung öffentlicher Leistungen, statt einer individuellen „Einzel­besteuerung“ – ausgerechnet in einer Notlage – was eine Vermögens­verwertung bei Bezug einer Grundsicherung tatsächlich darstellt!
  • Eine einzuführende, unabhängige Sozialanwaltschaft soll Betroffene gegebenenfalls bei der Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf Grundsicherung unterstützen und dabei beraten und helfen, jene Leistungen zu erhalten, die sie benötigen.

Quelle: Die Alternative

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