Das Geschlecht macht einen Unterschied.

Fällt das Wort „Arbeitslosigkeit“, entsteht bei vielen das Bild des arbeits­losen, ehemals vollzeitbeschäftigten Mannes. Dass Erwerbs­arbeitslosigkeit aber alle (be)treffen kann – natürlich in unterschiedlicher Härte – wird oft ausgeblendet.

Gerade die Diskriminierung von Frauen am Arbeitsmarkt ist vielen nicht bewusst. Um diesen blinden Fleck in der Diskussion um Erwerbs­arbeitslosigkeit Rechnung zu tragen, veröffentlicht die Frauenabteilung des Arbeitsmarktservices jährlich den Gleichstellungsbericht zur arbeitsmarktpolitischen Situation der Frauen, der wichtige Handlungsfelder aufzeigt.

Der Arbeitsmarkt war 2015 – wie im Jahr zuvor – durch einen geringen Anstieg der Beschäftigung und einer immer weiter ansteigenden Erwerbsarbeitslosigkeit – bei gleichzeitig ansteigendem Arbeits­kräfte­potenzial – gekennzeichnet.

2015 erreichte die Erwerbs­arbeitslosigkeit jedoch neue Höchstwerte: Fast eine Million Menschen (951.034 Personen) waren 2015 von Erwerbsarbeitslosigkeit betroffen, davon 42,8 Prozent (404.899) Frauen. Auch die Arbeitslosenquote von 9,1 Prozent ist die höchste der zweiten Republik. Frauen sind mit einer Erwerbsarbeitslosenquote von 8,3 Prozent nur scheinbar weniger von der krisenhaften Entwicklung betroffen (obwohl auch die Arbeits­losen­quote bei Frauen kontinuierlich nach oben geht), die Auswirkungen treffen sie allerdings anders als Männer. Beispielsweise durch den steigenden Anteil an atypischer Beschäftigung, durch unbezahlte Reproduktionsarbeit und durch eine zunehmende Segregation am Arbeitsmarkt.

Faktor: Frauenteilzeitarbeit, atypische Beschäftigung

Der Frauenanteil bei den Erwerbsarbeitslosen lag 2015 etwas unter dem Beschäftigungsanteil der Frauen von 46,8 Prozent. Ein Blick auf die Geschlechterverteilung bei der Erwerbsarbeitslosenquote wirft die Frage auf, warum Frauen weniger als Männer von Erwerbsarbeits­losigkeit betroffen sind. Mögliche Gründe könnten sein, dass zum einen meist mehr Frauen in prekären beziehungsweise atypischen Arbeits­verhältnissen arbeiten, während Männer meistens nach Vollzeitstellen suchen. So steigt 2015 die Frauenerwerbsquote zwar auf 67,1 Prozent (und damit über den EU-28-Durchschnitt von 60,4 Prozent). Jedoch muss die Quote kritisch betrachtet werden, wenn man bedenkt, dass die Frauenbeschäftigung vor allem aufgrund von hoher Teilzeit­beschäftigung gestiegen ist. 2015 waren insgesamt 82,2 Prozent aller unselbstständig teilzeitbeschäftigten ­Personen Frauen. 47,8 Prozent aller unselbstständig erwerbstätigen Frauen arbeiteten im Jahres­durchschnitt 2015 in Teilzeit.

Demgegenüber lag der Anteil aller unselbstständig erwerbstätigen Männer, die eine Teilzeitbeschäftigung ­ausüben, bei nur 9,8 Prozent. 62,6 Prozent der geringfügig Beschäftigten sind Frauen. Teilzeitarbeit und atypische Beschäftigungen garantieren den Frauen in den meisten Fällen kein eigenständiges existenzielles Auskommen, was vor allem auch im Alter dazu führt, dass Frauen deutlich weniger Pension bekommen: Bezogen auf die Daten des Hauptverbandes der österreichi­schen Sozialversicherungsträger liegen die Alterspensionen der Frauen je nach Art der Berechnung um rund vierzig bis fünfzig Prozent unter den Pensionen der Männer.

Faktor: Unbezahlte Reproduktionsarbeit von Frauen

Zum anderen greift eine abgewandelte Form des sogenannten „Ernährer-Modells“, bei dem traditionell der Mann der vollzeit­beschäftigte Alleinverdiener ist und die Frau zumindest vorübergehend zu Hause bleibt. Um die existenzielle Absicherung und Unabhängigkeit der Frauen im emanzipatorischen Sinne voranzutreiben, kam es ausgehend von der Familienrechtsreform 1975/76 zu Maßnahmen der Förderung von Frauenbeschäftigung. Diese Maßnahmen führten zwar dazu, dass die Frauenbeschäftigung kontinuierlich bis jetzt anstieg, lösten aber gleichzeitig nicht das Problem der fehlenden oder nicht flächendeckenden Kinderbetreuung.

So entsteht ein Teufelskreis, da der Staat immer noch nicht genügend politische Maßnahmen setzt, was wiederum dazu führt, dass Frauen in die Teilzeitbeschäftigung gehen, um nebenher noch die unbezahlte Reproduktionsarbeit leisten zu können. So sind laut EUROSTAT in Österreich beispielsweise 83 Prozent der unter 3-jährigen Kinder in keiner formalen Kinderbetreuung.

Faktor: Segregation am Arbeitsmarkt

Die Auswirkungen der Segregation am Arbeitsmarkt, nämlich dass es typische Frauenbranchen gibt, wo frau weniger verdient und dass es am Arbeitsmarkt generell für Frauen weniger Zugang zum beruflichen Aufstieg gibt, führen schon während des Erwerbsverlaufs zu geschlechter­spezifischen Diskriminierungen.

Folglich kommt es auch bei den passiven Leistungen des Arbeits­marktservices zu geschlechterspezifischen Unterschieden: Frauen bekommen um 16,8 Prozent weniger Arbeitslosengeld und um 15,6 Prozent weniger Notstandshilfe als Männer. Die ablehnenden Bescheide mangels Notlage, die hauptsächlich aufgrund der Berechnung durch das Partner­Inneneinkommen zustande kommen, betreffen in erster Linie Frauen (81,5 Prozent).

Gegenmaßnahme: Gender Budgeting

Das Arbeitsmarktservice hat „Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt“ als ein klar formuliertes Ziel: Um dieses zu erreichen, hat sich das Arbeitsmarktservice zu Gender Budgeting in der Arbeits­marktförderung verpflichtet. 47,3 Prozent des Förderbudgets wurden 2015 für Frauen ausgegeben; damit lag die Zielerreichung drei Prozent unter der vorgegebenen 50-Prozent-Marke.

Auch bei der Anzahl der Personen, welche eine Förderung vom Arbeits­marktservice erhalten haben, sank der Frauenanteil mit fast zwei Prozent Unterschied zum Vorjahr (2015: 47 Prozent, 2014: 48,6 Prozent) erneut unter die 5-Prozent-Quote. Für die kommenden Jahre wird es daher größter Anstrengung benötigen, um das selbst gesetzte Ziel zum Ausgleich der bestehenden Ungleichheiten am Arbeitsmarkt zu erreichen.

Gegenmaßnahme: Arbeitsmarktpolitisches Frauenprogramm

Ein umfangreiches arbeitsmarktpolitisches Frauen­programm unterstützt die Umsetzung der Gleichstellungsziele, die sich auf die

  • Erwerbsintegration von Frauen,
  • die Vermeidung von Erwerbsarbeitslosigkeit
  • und den verbesserten Zugang von Frauen in alle Berufe und Positionen beziehen,

um existenzsichernde Beschäftigung sicherzustellen. In diesem Rahmen bietet das Arbeitsmarktservice die Programme „Wiedereinstieg unterstützen“, „Frauen in Handwerk und Technik“ und die „Frauenberufszentren“ an.

Auch die Möglichkeit der Höherqualifizierung durch „Kompetenz mit System“ kommt speziell Frauen zu Gute. Damit bietet das Arbeitsmarktservice eine breite Angebotspalette für verschiedene Zielgruppen von Frauen.

Fazit

Die Zahlen aus dem Gleichstellungsbericht des Arbeitsmarktservices zeigen, dass ohne frauenpolitische Maßnahmen im Bereich Arbeits­markt keine Gleichstellung der Geschlechter möglich ist. Hier federt das Arbeitsmarkt­service durch den klaren Auftrag zur Gleichstellung der Geschlechter mit seinem frauenpolitischen Arbeitsmarktprogramm vieles ab, das durch gezielte politische Regelungen weit einfacher gelöst werden könnte.

Darunter zählen etwa: Flächendeckender Ausbau der ganztägigen Kinderbetreuungsplätze, vor allem für Kinder unter drei Jahren, eine generelle Neubewertung von Arbeit und geschlechtstypischen Frauen­berufsbildern, gesetzliche Maßnahmen in Bezug auf die Väterkarenz und zur geschlechtergerechten Verteilung von Arbeitszeit, beispiels­weise durch das Modell der Arbeitszeitverkürzung (bei vollem Lohn­ausgleich) und das im Gleichbehandlungsgesetz schon formulierte Schließen der Gehalts­einkommensschere zwischen Männern und Frauen.

Ebenso sollte bei der Berechnung der Mindestsicherung nicht das Partner­Inneneinkommen herangezogen werden, sondern das individuelle Einkommen der Frau, um von dem/der Partner­In unabhängig sein zu können. Im Mittelpunkt der Maßnahmen muss die ökonomische Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der Frau stehen.

Geschrieben von Viktoria Spielmann.

Zuerst erschienen unter blog.arbeit-wirtschaft.at

Quelle: Die Alternative