Im ausgehenden 19. Jahrhundert war die Rolle der Frau trotz fortschreitender Industrialisierung immer noch eine untergeordnete.

Zwar „durften“ Frauen bereits genauso lange und schwer arbeiten wie die Männer, hatten jedoch noch zusätzlich für die Familie zu sorgen. Vor allem die Arbeiterinnen waren davon betroffen, während der bürgerliche Teil der Monarchie sich anders entwickelte.

Technische Geräte und sinnvolle Erfindungen (wie die Konservendose) erleichterten den bürgerlichen Haushalt, es blieb der Frau mehr Freizeit. In christlichen bzw. jüdischen Bewegungen engagierte sich die moderne Hausfrau für soziale Projekte oder organisierte Wohltätigkeitsveranstaltungen.

Heute würde man dazu „Charity-Ladies“ sagen, auch wenn dieser Begriff der damaligen Zeit nicht ganz entspricht. Von all dem waren die Arbeiterinnen ausgeschlossen, einerseits weil selber berufstätig, andererseits weil nicht im Besitz von entsprechendem Vermögen zum Erwerb technischer Hilfen im Haushalt. Auch konnten sie nicht auf Kindermädchen und Hilfspersonal für diese Arbeiten zurückgreifen.

Deswegen gründeten sich im deutschsprachigen Raum in den 70er Jahren des vorvorigen Jahrhunderts „proletarische Frauen­bewegungen“, die die Wünsche, Anliegen und Forderungen der Arbeiterinnen transportierten. Vor allem das Wahlrecht für Frauen war eines der Kernthemen dieser Bewegung, welche in Österreich von Adelheid Popp begründet wurde. (In Deutschland war es Clara Zetkin).

Adelheid Popp

Sie führte in letzter Konsequenz weiter, was seit der Französischen Revolution von immer mehr Frauen(bewegungen) gefordert wurde: Recht auf Erwerbsarbeit, Recht auf Bildung, Gleichstellung zu den Männern und das allgemeine Wahlrecht. Einige dieser Punkte sind bis heute noch immer nicht überall durchgesetzt worden.

In Adelheid Popp hatte die proletarische Frauenbewegung eine starke Stimme. Adelheid besuchte selbst nur drei Jahre lang die Schule und musste danach in einer Fabrik zum Familienunterhalt beitragen. Die dortigen nach heutigen Maßstäben skandalösen Zustände – so wurden die Arbeiterinnen permanent von männlichen Kollegen belästigt und teilweise auch geschlagen – führten zu einer immer radikaleren Ansicht bezüglich Frauenrechte. Sie arbeitete täglich bis zu zwölf Stunden um danach Selbststudien zu betreiben und Artikel zu schreiben. Ihr 1909 – anonym – herausgegebenes Buch „Jugendgeschichte einer Arbeiterin“ war ein Renner in den Kreisen der Arbeiterschaft.

Im Mai 1893 organisierte sie einen Streik der Textilarbeiterinnen in Wien. Im Zuge dieses zweiwöchigen Streiks wurde die Forderung nach einer Höchstarbeitszeit von 10 Stunden sowie eine Anhebung des Mindestlohnes gefordert. Über 700 Textilarbeiterinnen schlossen sich dem Streik an und erreichten auch ihre Ziele. Adelheid Popp kam dafür ins Gefängnis.

Doch sie ließ die Agitation nicht, im Gegenteil. Schon 1892 gründete sie mit der „Arbeiterinnen-Zeitung“ (1892 bis 1987, seit 1924 „Die Frau“) ein Sprachrohr der roten Kampfpresse, welches auch unter den männlichen Kollegen Anklang fand. Immer wieder propagierte Popp die Notwendigkeit, Frauenbildung zu betreiben.

Was für die Männer schon länger Usus war, wurde nun auch von ihr umgesetzt: Der „Arbeiter­innen-Bildungsverein“, dessen Mitglied der ersten Stunde Adelheid Popp war. Mit diesen Schritten konnte sie den Forderungen der Frauen immer mehr Gewicht verleihen, gab es doch immer mehr gebildete Arbeiterinnen, die das erlernte Wissen an ihre Kolleginnen in den Betrieben weitergeben konnten.

Die Situation änderte sich mit Beginn des Ersten Weltkrieges: Sie einte alle großen Frauenorganisationen in einer Art nationalem Burgfrieden – analog jenem des Reichsrates und seiner darin vertretenen Parteien – und es war egal, ob frau bürgerlicher oder proletarischer Herkunft war, zugunsten des Dienstes an der Heimat.

Die Frauen stellten sich mit Begeisterung als billige Arbeitskräfte zur Verfügung, meist verdienten sie weniger als die Hälfte dessen, was ein männlicher Arbeiter für dieselbe Tätigkeit bekam. Dazu kamen noch rund 50.000 Frauen, die gegen geringes Entgelt (meist nur Kost und Logis) beim weiblichen Hilfskorps medizinische Hilfestellungen in den Lazaretten verrichteten.

Krankenpflege in Wien wurde erst seit 1913 im (alten) Wiener AKH gelehrt. In der Reichshauptstadt Wien konnte man die kriegsbedingten Veränderungen ab 1915 gut verfolgen: weibliche Schneeschauflerinnen, Schaffnerinnen und sogar Tramwayfahrerinnen prägten das Bild der Stadt. Damals hielten rund 15.000 Straßenbahnbedienstete das öffentliche Netz aufrecht, davon waren 1000 Schaffnerinnen unterwegs. Und sie bewährten sich so sehr, dass man auch schon bald Kutscher­innen, Straßenkehrerinnen sowie Kellnerinnen in der Öffentlichkeit wahrnahm.

Adelheid Popp und anderen führenden Frauenrechtlerinnen missfiel diese Entwicklung natürlich und sie machten – in Ermangelung von Versammlungen während des Krieges – vor allem in ihrer „Arbeiterinnen Zeitung“ ihrem Unmut Luft und bezogen klar Stellung gegen den Krieg und die damit verbundene Ausbeutung der Frau.

Adelheid Popp

Zwar war die Forderung nach Erwerbsarbeit formal erfüllt, die anderen beiden Kernforderungen waren jedoch noch nicht einmal ansatzweise erfüllt. Es ist ein interessantes Bonmot, dass gerade in der ersten Hälfte des Krieges die SDAP (und damit Viktor Adler) gegen diesen Wider­stand der Frauen gegen den Krieg war. Adelheid Popp tangierte dies allerdings nicht allzu sehr, sie machte weiter.

Eine von Clara Zetkin 1915 einberufene Konferenz in der Schweiz (Bern) durften die österreichischen Vertreterinnen weisungsgemäß nicht besuchen, da die SDAP um den Bestand des damals noch gültigen „Burgfriedens“ bangten.

Vor allem Viktor Adler würgte die Bestrebungen barsch ab:

„Die Frauen dürfen nicht die Vorhand in diesen Dingen haben. Es ist ausgeschlossen, dass es bei einer Friedenskundgebung bleibt und nicht zu einer Demonstration gegen die offizielle Parteipolitik wird. Vor allem hat man sich zu hüten vor der Intrigue der Clara Zetkin“.

Nicht verhindern konnte die eigene Partei jedoch die Verbreitung des bei dieser Konferenz verfassten „Friedensmanifestes“, welches insgesamt 300.000 Mal unter der Hand weitergegeben wurde. Immer entschiedener stellten sich die Frauen der nationalistisch gefärbten Erziehung in den Schulen entgegen – eine Provokation für die damalige Parteiführung rund um Viktor Adler. Erst im weiteren Verlauf des Krieges sollte sich dies ändern.

Ändern sollte sich auch die Stellung der Frau im öffentlichen Leben, denn mit dem Zusammenbruch der Monarchie bekamen die Frauen endlich ihren Wunsch nach Wahlrecht erfüllt: In der am 16. Februar 1919 gewählten Nationalversammlung zogen immerhin 8 weibliche Abgeordnete ein: sieben SozialdemokratInnen und eine Christlichsoziale.

Der Kampf um die vollständige Gleichstellung der Frau ist damit jedoch – bis heute – noch nicht abgeschlossen.

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