Anfang Dezember 2014 ist der überlange und umstrittene Wiener Neustädter Schlepperprozess zu Ende gegangen.

Im Juli 2013 wurden acht Männer wegen Schlepperei festgenommen, sechs der Männer hatten zuvor beim Marsch von Traiskirchen nach Wien und bei der mehrmonatigen schutzsuchenden Besetzung der Votivkirche durch Flüchtlinge eine tragende Rolle gespielt.

Fehler im Ermittlungsverfahren

Das Verfahren begann im März und war ursprünglich für 14 Tage angesetzt, es zog sich aber in die Länge und fand am 5. Dezember 2014 seinen vorläufigen Abschluss. Den Männern, überwiegend aus Pakistan, wurde vorgeworfen, sich im Rahmen einer kriminellen Vereinigung als Schlepper verdingt zu haben. Sieben wurden vom Schöffensenat schuldig gesprochen, größtenteils wegen gewerbsmäßiger Schlepperei in krimineller Vereinigung. Einer von ihnen wurde freigesprochen.

In ihrem Schlussplädoyer gab die Staatsanwältin Fehler im Ermittlungsverfahren zu. Sie bezweifelte beispielsweise, dass die Telefonüberwachungen richtig übersetzt wurden. Das hinderte sie nicht daran, Anklage zu erheben und diese Überwachungsprotokolle als Beweismittel in den Prozess einzubringen.

§ 114

Die Staatsanwaltschaft ist in der österreichischen Prozessordnung, anders als im amerikanischen Recht, zur Ermittlung der objektiven Wahrheit verpflichtet, sie muss auch die für die Beklagten entlastenden Tatsachen von sich aus ermitteln. Vor diesem prozessrechtlichen Hintergrund ist es das Vorgehen der Staatsanwältin zumindest bemerkenswert. Zudem ist Tatbestandteil des § 114 Fremdenpolizeigesetz (FPG) „die Hilfe zur illegalen Einreise“, das Gericht hat aber nicht einmal versucht zu beweisen, dass die Flüchtlinge illegal eingereist sind. Ob das Urteil in den höheren Instanzen hält, ist also zu bezweifeln.

Der wirkliche Skandalist aber, dass der für dieses Verfahren maßgebliche Schleppereiparagraf Flucht­helfer­Innen mit kriminellen Menschenschmugglern gleichstellt. Der Tatbestand der Schlepperei (§ 114 FPG) bestraft Personen, die den illegalisierten Grenzübertritt von Personen fördern und dadurch Einnahmen machen, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.

Fördern kann,

wie die Rechtsprechung beweist, praktisch alles sein. Vom Gewähren eines Schlafplatzes bis zum Mitnehmen eines Flüchtlings im eigenen Auto kann alles den Tatbestand der Schlepperei erfüllen. Es wird also jede Handlung kriminalisiert, die dem Flüchtling beim Überleben seiner Flucht hilft. In früheren Zeiten wurde so etwas Fluchthilfe genannt und war (abhängig von der politischen Lage und der Nationalität des Flüchtlings) hoch angesehen.

Das Justizministerium hat bereits April letzten Jahres bestätigt, dass über eine Reform des § 114 Fremdenpolizeigesetz nachgedacht wird.

EU: Großer Spielraum

Im Rahmen dessen muss auch die Frage diskutiert werden ob manche „Unterstützungsleistungen“ in Zusammenhang mit Schlepperei oder Fluchthilfe künftig als rechtlich zulässig zu werten sind und welche Änderungen des § 114 FPG nötig sind. Die immer wieder geäußerte Behauptung, Österreich sei auf Grund von EU-Richtlinien gezwungen, so hart gegen die Unterstützung von Flüchtlingen vorzu­gehen, ist so nicht richtig. Die Europäische Union lässt den Mitgliedsländern bezüglich der Sanktions­breite beim Ahnden von „Schlepperei“ großen Spielraum und besteht keinesfalls auf einer Gefängnis­strafe von bis zu zwei Jahren.

Fluchthilfe von ausbeuterischer Schlepperei trennen

Derzeit bereitet eine Gruppe von Experten im Justizministerium die für kommendes Jahr angekündigte Strafrechtsreform vor. Dabei werden auch die Straf­bestimmungen in den sogenannten Nebengesetzen, wie etwa das Fremdenpolizeigesetz, begutachtet. Der Schlepperparagraf 114 FPG fällt in diese Kategorie.

Es muss gesetzlich klar gestellt werden, dass Fluchthilfe von ausbeuterischer Schlepperei zu trennen ist. Die seit Jahren zunehmende Illegalisierung von Flüchtlingen und Fluchthelfern muss rückgängig gemacht werden. Fluchthilfe darf auf keinen Fall sanktioniert werden.

Quelle: Die Alternative

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