Wenn ein Kind in den Kindergarten kommt, hat es meistens zuvor nur eine Gruppe kennengelernt, nämlich die eigene Familie. Der Kindergarten ist die zweite Gruppe, die ein Kind im Laufe seines Lebens kennen lernt. Wenn ein Kind sich in dieser Gruppe angenommen und akzeptiert fühlt und wenn es merkt, dass es ganz selbstverständlich dazugehört, spielt das eine entscheidende Rolle für seine Identitätsfindung. Diesen grundlegenden Gedanken leben wir in den Kindergärten der MA 10. Als MitarbeiterInnen des elementaren Bildungssektors wissen wir darum, dass die gemeinsame Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung (Handicaps) viele Herausforderungen, aber auch sehr viele Chancen mit sich bringt. Wir geben täglich unser Bestes, um die jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft auf die Welt vorzubereiten. Wir scheuen uns nicht davor, Verantwortung zu übernehmen und unseren Bildungsauftrag ernst zu nehmen. Hier gehört aber auch dazu, ganz klar zu sagen, was wir im bestehenden System leisten können. Alles andere wäre grob fahrlässig. Denn Inklusion bedeutet nicht, dass sich bestimmte Kinder der Gruppe bzw. den Gegebenheiten anpassen müssen. Inklusion bedeutet, dass sich die Gruppe selbstverständlich aus vielen verschiedenen Kindern zusammensetzt und die notwendigen Ressourcen selbstverständlich vorhanden sind.

Das fordert die Politik von uns im Kindergarten:

Selektion statt Inklusion
Weg von der inklusiven Bildung – hin zu „Sondergruppen“. Leistung soll im Zentrum stehen und wer da nicht mitkann, tja. Das sind erschreckende Rückentwicklungsschritte und nicht tragbare Entwicklungen für Bildungsinstitutionen. Österreich hat sich 2008 einstimmig zur inklusiven Bildung verpflichtet. Die Bundesregierung setzt sich darüber nun hinweg. Dabei missachtet sie auch die UN-Behindertenrechtskonventionen.

Sprachtests für 3-Jährige
Im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchung sollen dreijährige Kinder „Sprachstandsfeststellungen“ unterzogen werden, die dann – neben der „Berücksichtigung weiterer, für die Entwicklung eines Kindes relevanter Faktoren“ (welche?) – für die Verpflichtung (zweites Kindergartenjahr) herangezogen werden. Das ist nicht nur in Sachen Diskriminierung äußerst bedenklich, sondern verkennt vollkommen, dass ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr für alle Kinder wichtig ist.

Deutsch lernen im Kindergarten
Bis zur Schulreife sollen die Kinder künftig „richtig“ Deutsch sprechen können. Zu lernen ist dies im Kindergarten. Die Regierung stellt sich auch vor, das pädagogische Personal über ihre Erfolge künftig zu bezahlen. Wer zu viele sprachlich „schwache Kinder“ hat, soll auch weniger im Geldsackerl haben. Diese Maßnahme ist für Schule und Kindergarten geplant.

Durchgängige Dokumentation
Die geplante durchgehende Bildungs- und Leistungsdokumentation für jedes Kind/jeden jungen Menschen ist eine digitale Dokumentation des Bildungsfortschritts vom Kindergarten bis zum Abschluss der Bildungslaufbahn. Das Ziel? Daten sammeln über BürgerInnen vom Kleinkindalter an? Stigmatisierung für immer? Strafe bezahlen für nicht erbrachten Leistungserfolg? Schreiben, schreiben, schreiben,… – gebt uns lieber die notwendigen Ressourcen, damit wir unsere Bildungsarbeit tun können! Dann hätten wir gesellschaftlich weniger Probleme.

Aufgaben der Personalvertretung und Gewerkschaft

Wir bleiben bei unserer Meinung!
Die Interessenvertretungen müssen ihre Reihen schließen und vor, aber auch hinter den MitarbeiterInnen stehen. Es müssen noch deutlichere Worte gefunden werden, um Klarheit über die Notwendigkeiten zu transportieren. Die MitarbeiterInnen jammern nicht auf hohem Niveau, sondern fordern für die Kinder die Rahmenbedingungen ein, um zukunftsorientierte Bildungsarbeit leisten zu können. Sowohl die Bundesregierung, als auch die Stadt Wien will gut ausgebildete Menschen am Arbeitsmarkt haben – egal in welcher Sparte. Verdammt noch mal, dann ermöglicht es uns, unsere Arbeit zu tun! Wir können Bildung vermitteln und haben großes Potential und Ausdauer. Investiert endlich dort, wo es notwendig ist. Nicht in Versprechen in Foldern und Plakaten, sondern vor Ort für die Kinder und für die MitarbeiterInnen, die ihr Bestes für die Zukunft der Bildung in dieser Republik geben!
Übrigens: Beim ÖGB Kongress haben wir ein starkes Zeichen gesetzt. Dem Antrag nach einem Bundesrahmengesetzt haben über 500 GewerkschafterInnen österreichweit zugestimmt. Die diesbezügliche Rede von Martina Petzl-Bastecky (MA 10/Wiener Kinder Gärten) ist hier abrufbar.

Der Antrag zum Nachlesen

Elementarbildung als Basis für erfolgreiche Bildungsverläufe
Elementarbildung umfasst alle Altersstufen bis zum Schuleintritt. Sie soll die Fähigkeiten und Talente der Kinder durch altersgerechte Förderung zur Entfaltung bringen, unabhängig von Geschlecht, sozioökonomischer oder regionaler Herkunft. Studien zeigen, dass elementare Bildungseinrichtungen eine Schlüsselfunktion in der Schaffung von Chancengerechtigkeit im Bildungssystem haben. Entscheidende Weichen für den späteren Bildungsverlauf werden bereits vor dem Eintritt in die Schule gestellt.
Gerade in Österreich wird das Bildungsniveau der Eltern in besonders hohem Ausmaß vererbt. Mit Investitionen in elementare Bildung könnten beachtliche Beschäftigungs-und Budgeteffekte generiert werden. Eine Modellrechnung zeigt, dass durch das Schließen den aktuellen Lücken beim Angebot und einer Verbesserung der Erwachsenen-Kind-Schlüssel in den Kleinkindbildungseinrichtungen zwischen 30.000 und 45.000 Menschen zusätzlich in Beschäftigung kommen könnten. Die daraus entstehenden Einnahmen für die öffentliche Hand würden ab dem fünften Jahr die Kosten für die Verbesserung des Angebots übersteigen.

 

Der ÖGB fordert:
Um diesem wichtigen Bildungsbereich österreichweit einheitliche Standards auf hohem Niveau zu geben, ist es notwendig ein Bundesrahmengesetz in Hinblick auf Struktur-und Organisationsfragen zu schaffen. Die Bundeskompetenz ist in einem Bildungsresort anzusiedeln. Das Gesetz hat von der Qualitätssicherung, über die Rahmenbedingungen (z. B. Gruppengrößen, Vorbereitungszeiten, Personalschlüssel und Weiterbildungsmaßnahmen, Öffnungszeiten) bis hin zur Ausbildung der PädagogInnen und des Unterstützungspersonals zentrale Standards zu setzen.
Um die Attraktivität und den Stellenwert der Elementarpädagogik zu heben, ist neben einer verbesserten Ausbildung auch eine verbesserte Entlohnung für ElementarpädagogInnen und Unterstützungspersonal das Ziel.
Flächendeckendes und ausreichendes Angebot an ganztägigen Kinderbildungseinrichtungen, sowie ein zweites verpflichtendes, gebührenfreies Kindergartenjahr für alle.
Im Bereich der Frühkind-und Elementarpädagogik ist auf die Sprachförderung besonders Wert zu legen. Dafür müssen auch ausreichend Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um das Ziel, später ausreichend dem Unterricht folgen zu können, zu erreichen.

Grafik: iconicbestiary / Freepik

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