Nach Arbeiter­kammer, ÖGB, und SPÖ haben auch FPÖ, Industriellen­vereinigung und NEOS ihre Vorschläge für Steuer­reform­modelle präsentiert.

Und als gäbe es weder Krise, noch Fiskalpakt und Schuldenbremse, wird versprochen, was das Zeug hält. Nach dem Motto: Was kostet die Welt?

FPÖ: Milliardenschweres Familiensplitting auf Pump

Was weiß man wirtschaftspolitisch über die FPÖ? Dass sie schon einmal die Abgabenquote radikal neoliberal auf vierzig Prozent des Bruttoinlandsproduktes senken, die Flat Tax und das Familiensplitting einführen wollte und gleichzeitig so ziemlich alle sozialen Transfers erhöhen will – Pensionen, Pflege­geld, Familienbeihilfe … zusätzlich sollen die Unternehmen entlastet werden. Gleichzeitig will sie Staatsschulden abbauen und Schluss machen mit der Neuverschuldung. Und. Und. Dass sich das alles nicht ausgeht, sagt der Hausverstand. Ist allerdings egal, weil Hausverstand und FPÖ ja grundsätzlich auf Kriegsfuß stehen. Was hat die FPÖ also präsentiert?

Anerkennen muss man, dass die FPÖ sich von der Flat Tax verabschiedet hat. Das war’s dann aller­dings auch schon. Um acht Milliarden Euro will die FPÖ die Steuern senken. Bis zu einem steuer­pflichtigen Einkommen von achtzehntausend Euro (bislang: elftausend Euro) sollen gar keine Steuern gezahlt werden, bis fünfundzwanzigtausend Euro dann fünfundzwanzig Prozent. Dazwischen gibt es zwei weitere Tarifstufen, der Spitzensteuersatz von fünfzig Prozent soll – wie beim ÖGB-Modell – ab achtzigtausend Euro anfallen. Immerhin will die FPÖ einen zeitlich befristeten Steuersatz von fünfund­fünfzig Prozent ab hundertzwanzigtausend Euro Steuergrundlage einführen.

Als Alternative zu diesen Tarifen schwebt der FPÖ das Familiensplitting vor: Die Bruttoeinkommen einer Familie werden zusammengezählt, gewichtet und dann besteuert. Familien sollen sich entscheiden unter welches Modell sie fallen wollen. Ein Ergebnis davon wäre, dass eine Familie mit einem allein­verdienenden Mann mit einem Brutto­einkommen von dreitausend Euro und drei Kindern gar keine Steuern mehr zahlen würden. Familien mit „Alleinverdiener“ würden also steuerlich gegenüber teilzeit arbeitenden Alleinerziehenden begünstigt, aber auch Doppelverdienende hätten davon nichts. Ein Steuersystem, das also – durchaus gewollt – das „traditionelle“ Familien­modell fördert. Interessant auch die Gegenfinanzierung des FPÖ-Steuerkonzepts: Tritt die FPÖ sonst immer gegen’s „Schuldenmachen“ auf, ist es im Fall der FPÖ-Steuerentlastung voll okay. Vermögenssteuern schließt die FPÖ aus, sonst setzt die FPÖ auf Steuerbetrugsbekämpfung, auf eine Streichung von Steuerprivilegien für Stiftungen (immerhin), vor allem aber auf – und die muss kommen, wie das Amen im Gebet – eine Verwaltungsreform, die Milliarden und Abermilliarden in die Kassen spülen soll.

Und zwar in den Bereichen Pensionen, Gesundheit, Verwaltung, Förderungen und Subventionen. Also auch durch umfassende Kürzungen im Sozialbereich – weil anders ­ließen sich diese großen Beträge aus dem Titel Pensionen, Förderungen und Subventionen und Gesundheit nicht ­realisieren. Das klingt nicht nur nach Kahlschlag, das ist Kahlschlag. „Was kostet die Welt“ in blau? Jedenfalls ­einiges an sozialem Wohlstand und sozialer Absicherung.

Industriellenvereinigung: Wie zu erwarten …

Nun, was gibt es zu den Steuervorschlägen der Industriellenvereinigung zu schreiben? Sie ist der ausgewiesene „Klassenfeind“. Entsprechend schauen auch die Steuervorschläge aus. Hinsichtlich des Entlastungsvolumens kann man nur noch den Kopf schütteln – das sieht die Industriellenvereinigung bei fünfzehn Milliarden Euro. 10,2 Milliarden Euro sollen dabei aus einer Reform des Einkommen­steuertarifs kommen – wobei der Tarif bei zehn Prozent starten, aber deutlich früher einsetzen soll, nämlich ab einem Einkommen über Mindestsicherung – also ab 9780 Euro. Dafür wird der Spitzen­steuersatz von fünfzig Prozent abgeschafft, auf 43,75 Prozent gesenkt. Wirksam ab einem steuer­pflichtigen Einkommen von hunderttausend Euro. Die „Leistungsträger“ werden erfreut sein, ob der Abschaffung der „leistungsfeindlichen Progression“. Ebenfalls auf der Wunschliste der Industriellen­vereinigung: eine Senkung der Lohnnebenkosten – und zwar aller, von der Kranken- über die Unfall- und Arbeitslosenversicherung bis hin zu den Beiträgen zum Familienlastenausgleichsfonds, zur Kommunalsteuer und zum Wohnbau­förderungsbeitrag. Ja, und die Unternehmensbesteuerung soll „wettbewerbsfähig“ gestaltet werden – also runter mit den Steuern auch hier, gleich einmal um neunhundertfünfzig Milli­o­nen Euro. Gegenfinanzierung? Braucht’s keine, die Abgabenquote soll runter.

Um da öffentliche Haushalte „ausgeglichen“ halten zu können braucht es natürlich drastische Ausgaben­kürzungen. Und die will die Industriellenvereinigung auch – seit jeher: bei Pensionen (Anhebung des Antrittsalters), bei Gesundheit, bei der Verwaltung, bei Förderungen und ­Subventionen. Alleine bei Pensionen und Verwaltung sieht die Industriellenvereinigung ein Einsparungspotential von je 4,9 Milliarden Euro. Einnahmeseitig kann sich die Industriellenvereinigung maximal eine Erhöhung der Grundsteuer und der – no na – Mehrwertsteuer vorstellen. Alles nicht wirklich überraschend und neu. Eine Steuerreform, maßgeschneidert von und für die finanzielle Elite des ­Landes auf Kosten so ziemlich aller anderen. Klar und unmissverständlich einem Klasseninteresse geschuldet. So weit so unüberraschend.

NEOS: Ufff …

Wo die Industriellenvereinigung ist, ist deren parlamentarischer Arm nicht weit, die NEOS. Das vorgestellte ­Steuermodell ist zwar nicht mehr ganz so offensichtlich von der Industriellenvereinigung abgekupfert, wie es noch die Steuervorschläge im Wahlprogramm zur letzten ­Nationalrats-Wahl waren. Es könnte allerdings unmittelbar aus der Feder eines Lobbyisten der Industriellenvereinigung stammen.

Die NEOS wollen die SteuerzahlerInnen um 8,4 Milliarde Euro entlasten. Zusätzlich versprechen die Wunderwuzzis in Pink allerdings auch jährlich 3,3 Milliarden Euro Schulden abzubauen und einen Investitionsspielraum von 3,5 Milliarden Euro für Bildung und Forschung schaffen. Ebenfalls jährlich. Auch hier gilt: „Was kostet die Welt!“. Wie das alles finanziert werden soll? Jedenfalls nicht über Vermögenssteuern, Göttin behüte! Überhaupt nicht über Steuern, weil: Österreich habe ja kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem – wie auch ÖVP, Industriellenvereinigung und Co nicht müde werden tagaus, tagein herunterzubeten. Also, wo nehmen die NEOS dann die annähernd 15 Milliarden Euro her? Auch bei den NEOS stehen etwa Einsparungen bei Verwaltung (3,3 Milliarden), Gesundheit (4,5 Milliarden), Förderungen (4 Milliarden) und Pensionen – hier sind’s gleich ganz „enkelfit“ und generationengerecht 6,8 Milliarden Euro – ganz weit oben. Ja so einfach ist’s! Dass da noch kein/e Andere/r drauf­gekommen ist? Viel wird vom Sozialstaat nicht mehr übrig bleiben, der ist den NEOS allerdings ohnehin vollkommen gleichgültig und maximal unnötiger Ballast. Wenn es um die steuerliche Schonung vollkommen „leistungsfreier“ Erbschaften und Millionenvermögen von Mami und Papi, vom Erbonkel und der Erbtant‘ geht, darf’s heutigen und künftigen Pensis und potentiell Kranken schon was kosten. Also uns allen. Die Industriellenvereinigung wird’s zu schätzen wissen.

Nun, wie teilen sich die 8,4 Milliarden Steuerentlastung jetzt auf?

  • Lohn- und Einkommensteuerpflichtige sollen um 3,8 Milliarden Euro entlastet werden. Der Eingangs­steuersatz soll dabei auf 13 Prozent ab 11.000 Euro Steuerbemessungsgrundlage, ab 28.000 auf 23 Prozent und ab 68.000 auf 32,7 Prozent gesenkt werden. Spitzensteuersatz von fünfzig Prozent gibt es keinen mehr. Dass sich das nie und nimmer auf 3,8 Milliarden Euro ausgehen kann sondern der Steuerausfall deutlich höher liegen müsste (vergleicht man die NEOS-Pläne mit jenen anderer Parteien, die bei deutlich höheren Steuersätzen zu einer weit höheren Entlastung kommen) liegt auf der Hand.
  • Warum also diese verhältnismäßig geringere Entlastung? Weil im NEOS-Modell das 13. und 14. Monatseinkommen voll mitbesteuert wird, was natürlich die Steuerentlastung insgesamt wieder abschwächt (auch wenn dieses Einbeziehen aus verteilungspolitischen Gründen durchaus diskutabel ist). Und, weil die NEOS gleichzeitig die Steuerhoheit von Bundesländern und Gemeinden einführen wollen: Die sollen künftig Zuschläge zur Einkommenssteuer einheben können – Länder von bis zu fünf Prozent, Gemeinden von bis zu sechs Prozent. Was die jeweiligen Steuerstufen auf maximal 24, 34 beziehungsweise 43,7 Prozent erhöhen würde. Eine Steuerreform die – würde sie umgesetzt – jedenfalls einen Steuerwettbewerb zwischen Bundesländern und Gemeinden auslösen und zu einem Wildwuchs an Einkommenssteuern führen würde. Unter anderem weil keineswegs klar ist, ob jetzt jede Gemeinde beziehungsweise jedes Bundesland selbst über die Zuschläge zur ESt entscheidet, oder Landeshauptleutekonferenz, Gemeindevertreterverband beziehungsweise Städtebund. Wobei bei einer marktradikalen Partei wie den NEOS eher ersteres anzunehmen ist. Ein – sagen wir vorsichtig – ausgesprochen fragwürdiges Konzept.
  • Wenn nun Einkommensteuerpflichtige bei einem Gesamtvolumen von 8,4 Milliarden nur mit insgesamt 3,8 Milliarden entlastet werden – wer profitiert dann? NEOS wäre nicht NEOS wären es nicht die Unternehmen. Da künftig ja die ArbeitnehmerInnen herzlich eingeladen sind, die Kommunen zu finanzieren, müssen die Unter­nehmen nicht mehr machen. Denen wird die Kommunalabgabe restlos erlassen. Nicht dass es sinnvoll wäre, die Bemessungsgrundlage für die Kommunalabgabe zu verbreitern, um Arbeit zu entlasten– zum Beispiel weg von der Lohnsumme hin zum Umweltverbrauch.
  • Die volle Streichung der Kommunalabgabe ist dagegen nicht nur ein Steuergeschenk – noch dazu ein besonders großzügiges, im Umfang von rund 2,6 Milliarden Euro – für Unternehmen, sondern stellt eine zusätzliche Umschichtung der Steuerbelastung von den Betrieben hin zu den ArbeitnehmerInnen dar. Ebenfalls gestrichen werden soll der Wohnbauförderungsbeitrag – im Umfang von über neunhundert Millionen Euro und die Reduktion der Beiträge für die Wirtschaftskammer von insgesamt über drei­hundert Millionen Euro. Werden noch sogenannte „Bagatellsteuern“ und „fragwürdige Sondersteuern“ hinzugezählt, die allesamt NEOS streichen will und praktisch ausschließlich von Unternehmen gezahlt werden, kommt man auf eine steuerliche Entlastung für die Kapitalseite von rund 4,4 Milliarden Euro. Womit die Entlastung für Unternehmen deutlich höher ausfällt als jene für ArbeitnehmerInnen. NEOS eben.

In Summe …

Vorschläge zu einer Steuerreform, die den Herausforderungen der Krise nicht gerecht werden, kein Mehr an Steuergerechtigkeit herstellen und vor allem auch nicht ihrer Finanzierungsfunktion für Sozialstaat, öffentliche Investitionen und öffentliche Dienste nachkommen. Vorschläge, die vielmehr – das sie auf vermögensbezogene Steuern verzichten – auf weitere massive Einschnitte bei öffent­lichen Ausgaben, Pensionen, Gesundheit und sozialer Sicherung abzielen. In diesem Sinne klar abzulehnen.

Quelle: Die Alternative

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