Spitzenideen einer Spitzenkandidatin.

Der EU-Wahlkampf ist eigentlich ein recht langweiliger, die arrivierten Parteien propagieren ihre üblichen Wahlzuckerln und so lassen nur die jungen, hippen NEOS mit einem „revolutionären“ Vorschlag aufhorchen: Privatisierung von nahezu allen Leistungen und Gütern. Die Spitzenkandidatin Angelika Mlinar tut sich hierbei besonders hervor. Die gelernte Juristin und Ex-Mitarbeiterin von Friedhelm Frischenschlager, dem von der FPÖ zum LIF gewechselten Europapolitiker lässt mit ihrer Idee der Privatisierung von Gütern und Leistungen den Blutdruck vieler ÖsterreicherInnen höher steigen.

Vor allem der Vorschlag, das Wasser bzw. die Nutzung des Wassers zu privatisieren stößt auf herbe Kritik. Wasser als Grundbedürfnis des Menschen dürfe auf keinen Fall in die Hände privater Unternehmen gelangen, die damit dann Schindluder treiben können, so der Grundtenor der Grünen.  Dem halten die NEOS entgegen, dass es um die Privatisierung der Wasserversorgung geht, sprich, dass es zwar unbestritten ein Grundrecht ist, es deswegen aber nicht nur einen Anbieter geben dürfe. Dass damit privaten Unternehmen Tür und Tor zu Schindluder geöffnet würden, bestreitet Angelika Mlinar und verweist darauf, dass es ja schon private Wasserversorger gibt.

In Teilen Großbritanniens, nämlich England und Wales, wurden in den letzten zehn Jahren die Wasserversorger privatisiert, eine Verbesserung oder Verbilligung des Wassers konnte jedoch nicht festgestellt werden.

Paris hat die Wasserversorgung sogar wieder rekommunalisiert.

Es ist nämlich herausgekommen, dass die privaten Anbieter die Infrastruktur (sprich die Wasserreservoirs und Leitungen) nicht gewartet haben – und dies obwohl sie sie im Gesamtpackage zum Nulltarif erhalten haben. Der Unterschied zwischen Frankreich und England ist jener, dass auf den Britischen Inseln die gesamte Infrastruktur mitprivatisiert wurde, während in Frankreich nur die Dienstleistung als solche privatisiert wurde. Aber auch dies ging in die Hose.

Auch in Deutschland sind rund 40% der Wasserversorgungsbetriebe privat – mit teilweise eklatanten Verschlechterungen in der Versorgung, sowie einer einhergehenden Preiserhöhung, siehe Berlin. Die „Ware Wasser“ wird auch dort immer mehr zum Streitthema. In Stuttgart war die Privatisierung sogar ein solcher Schuss in den Ofen, dass die US-Firmen die die Wasserversorgung mieteten und dann wieder zurückvermieteten (Cross-Boarder-Leasing), im Zuge der Wirtschaftskrise ins Trudeln gerieten und die Stadt via Zweckverbänden Schadensbegrenzung betreiben musste.

Schauen wir uns einmal an, was passieren würde, wenn die Wasserversorgung (und nicht die Infrastruktur selber) privatisiert würde. Welcher Anbieter darf zum Beispiel welche Netze benutzen oder wird es dann mehrere Wasserleitungen geben, die zu den Häusern führen? Wie würde sich eine Wasserprivatisierung zum Beispiel in Wien auswirken? In den Gemeindebauten oder bei der Nutzung der beiden Hochquellwasserleitungen?

Eine andere offene Frage ist diejenige, wie man als Privater „nicht gewinnorientiert“ für eine gute Versorgung der Bevölkerung verantwortlich zeichnen kann – was Kommunen und Genossenschaften ja sehr wohl können.

Im Übrigen: die Abwasserversorgung in den beiden über der Donau liegenden Bezirken wurde im Jahre 2002 auf 99 Jahre  an eine US Investorenfirma vermietet (Cross-Boarder-Leasing), welche dann von dieser gemietet wurde. 2037 soll die Abwasserversorgung von der Stadt Wien zurückgekauft werden. Da der Vertrag sich auf das amerikanische Steuerrecht beruft, soll dieser Vorteile für beide Parteien bringen. Allerdings müsste die Stadt Wien alle Risiken einer etwaigen Änderung des amerikanischen Steuerrechts tragen – eine Vision die nach den letzten Turbulenzen im US-Staatshaushalt nicht mehr so unmöglich erscheint. Wer es letztendlich bezahlt ist ja auch klar.  Nämlich Wir Alle.

Ähnlich wie beim Wasser gibt es auch Kritikpunkte zur Privatisierung der Müllentsorgung.

Bis Mitte der 70er Jahre gab es ja private Anbieter, die ihren Müll dann in Deponien, wie z.B. in der Mitterndorfer Senke, ablagerten wo es dann – die Älteren von uns erinnern sich noch – zu einer Vergiftung des Trinkwassers der Region gekommen ist. Die Firma ging pleite, die Kosten für die Beseitigung der Schäden trägt bis heute der Staat, also wir.

Auch andere interessante Ideen – so etwa die eines EU-Berufsheeres oder gar der Privatisierung der Spitäler – stoßen keineswegs auf Gegenliebe.

Während wir im ersteren Falle quasi dazu verpflichtet wären jeden künftigen Krieg der EU mitzumachen (und das Beispiel Serbien/Kosovokrieg zeigt, dass es keineswegs Utopie ist), würde es durch eine Privatisierung von Spitälern zu einer Mehrklassengesellschaft a la USA kommen, wo sich nur derjenige eine adäquate medizinische Versorgung leisten kann, der genügend Geld hat. Dass damit das Krankenversicherungssystem umgestellt werden muss, ist ja ohnehin klar, weil  es schwer bis unmöglich ist, in einem Privatspital mit einer „staatlichen Pflichtversicherung“  unterzukommen. Von den Qualitätsunterschieden bei Leistungsangeboten bzw. ärztlichem Personal ganz zu schweigen.

Aber immerhin sind die NEOS ja die neue, hippe Partei für die Jugend, die bekanntlich alles kann und niemals alt wird und von daher ist es nur logisch, alles zu privatisieren. Bis die Keksfabrik vielleicht mal Pleite macht, egal wie engelsgleich die Produkte auch sein mögen. Oder auch nicht. Die Zukunft wird es zeigen.

derstandard.at-Neos-Spitzenkandidatin Mlinar für EU-Armee statt Bundesheer
http://diepresse.com-Fünf Gründe gegen die Neos

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