Leichtfertiger Umgang mit „Notstands“-Begriff ist demokratiepolitische Verantwortungslosigkeit.

Tabubruch

Mit ihrer Notstands-Rhetorik und der geplanten Notstands-Gesetzgebung im Asylbereich droht nicht nur die De-facto-Abschaffung des Asylrechts, sondern betreibt die Bundesregierung auch noch das miese Geschäft der extremen und autoritären Rechten, einen Tabubruch. Mit dem Herbeireden eines drohenden Notstands im Zusammenhang mit Flüchtlingen, wird es künftigen Regierungen leichter gemacht, geradezu inflationär Notstände auszurufen, um Gesetze und demokratische Grundrechte in ihrem Sinne auszuhebeln.

Unverantwortlich

Als Gewerkschafterin wird man immer besonders hellhörig, wenn von einem „Notstand“ die Rede ist.

Vermeintliche Staatsnotstände werden in autoritären Regimen immer wieder gerne herangezogen, um wichtige Grund- und auch Gewerkschaftsrechte – etwa das Streik-, Demonstrations- und Versammlungsrecht – außer Kraft zu setzen.

Wir erinnern uns auch noch, als 2009 freiheitliche Unternehmervertreter angesichts der Wirtschaftskrise den „Notstand“ ausrufen wollten, um Bestimmungen des Arbeitsrechts, des ArbeitnehmerInnenschutzes, von Kollektivverträgen u.ä. als vermeintliche „Unternehmerkillergesetze“ für ungültig zu erklären.

Nicht zuletzt vor diesen Hintergründen ist es gerade von einer sozialdemokratisch geführten Regierung unverantwortlich und zynisch, Notstände auszurufen, um umstrittene Gesetzesänderungen und Gesetz­gebungsprozesse zu rechtfertigen.

Wettbewerb der Verrohung

Zu kritisieren ist allerdings nicht nur die Notstandsrhetorik. Die Sprache wird zunehmend martialischer und trägt mehr zu allgemeiner Panikmache als zur Beruhigung der Situation bei.

In Punkto Verrohung der Sprache und Dramatisierung der Lage stehen SPÖ, ÖVP und FPÖ ganz offensichtlich in einem Wettbewerb. SPÖ und ÖVP versuchen sich geradezu in einer „Law and Order“-Rhetorik zu übertrumpfen – ein regelrechter Turbo für die Freiheitlichen, die sich genüsslich die Hände reiben.

Statt Notstände heraufzubeschwören, sollte sich die Bundesregierung lieber um tatsächlich bestehende, konkrete Notlagen kümmern: Wir haben Rekord­arbeitslosigkeit und mit ihr eine wachsende Perspektivenlosigkeit.

Bei 400.000 Arbeitslosen besteht tatsächlich dringender Handlungs­bedarf, hier braucht es energisches Handeln der Bundesregierung, öffentliche Investitionen, Bildungs- und Qualifikationsmaßnahmen und Vermögenssteuern, sowie eine Beendigung des restriktiven Sparkurses, um entsprechende Ausgaben auch finanzieren zu können.

Das allgemeine Chaos in der EU könnte ja auch einmal für produktive Aktivitäten genutzt werden. Wenn es um destruktive Aktionen à la Verstimmung der EU-Nachbarn, Festlegung von Obergrenzen und Hochziehen von Grenzzäunen geht, ist die Rücksicht auf EU-Vorgaben und Gepflogenheiten ja schließlich auch enden wollend.

Mindestsicherung

Die Bundesregierung – hier insbesondere die ÖVP – kann auch unmittelbar eine ganz real drohende Notlage verhindern: Indem sie endlich ihre Kampagne gegen MindestsicherungsbezieherInnen aufgibt, und von ihren Forderungen nach einer drastischen Kürzung Abstand nimmt. Derartige Maßnahmen würden tatsächlich zehntausende in eine Notsituation bringen. Diese Notlage muss nicht herbeigeredet werden – die ist konkret.

Quelle: Die Alternative

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