Die EU-Institutionen – zumindest ihre Präsidenten – planen einen neuen Anlauf, die Wirtschafts- und Währungsunion zu „vollenden“.

Wir erinnern uns: Derartige Versuche gab es bereits unter der damals geläufigen Bezeichnung „Wettbewerbspakt(e)“. Die Mitglieds-Staaten der Europäischen Union sollten durch vertragliche Vereinbarungen verpflichtet werden, im Rahmen des „europäischen Semesters“ empfohlene Struktur-Reformen verpflichtend umzusetzen, um die Wettbewerbs-Fähigkeit des jeweiligen Staates und damit des gesamten Euroraums zu erhöhen.

Schwächung der Gewerkschaften

Insbesondere sollten Arbeitsmärkte flexibilisiert, Arbeitsrechte abgebaut und Lohnverhandlungen stärker von der Kollektivvertrags- auf die Betriebsebene verlagert werden. Das hätte natürlich eine entscheidende Schwächung der Gewerkschaften zur Folge. Ein erwünschtes Ziel, um Löhne niedrig und die „Wettbewerbs-Fähigkeit“ vermeintlich hoch zu halten. Strukturreformen also unter strikt neoliberalen Vorzeichen, die auch auf entsprechende Widerstände stießen.

Nach der geschlagenen EU-Wahl wurde es rund um die „Vollendung“ der Wirtschafts- und Währungsunion ruhiger. Abgesagt war sie deswegen noch lange nicht. Im Gegenteil. Nun haben die Präsidenten von EU-Rat, Kommission, Eurogruppe, Parlament und Europäischer Zentralbank einen Bericht vorgelegt, in dem es einmal mehr um die Vollendung der EU-Wirtschafts- und Währungsunion geht.

Lohnpolitik

In einem dreistufigen Prozess sollen dabei eine „echte“ Wirtschaftsunion, eine Finanzunion, eine Fiskalunion und eine politische Union auf die Wege gebracht werden. Allerdings nicht mehr in Form neuer „Pakte“, sondern auf Basis bereits beschlossener Vereinbarungen und Verfahren auf EU-Ebene.

Besonderer Bedeutung kommt dabei der „Stärkung der Wettbewerbs-Fähigkeit“ zu – weshalb in diesem Bericht die Einrichtung nationaler Stellen für Wettbewerbs-Fähigkeit gefordert wird. Diese sollen ihr Augenmerk dabei insbesondere auf die Lohnpolitik und-entwicklung richten. Lohnpolitik hat sich dabei dem Ziel der „Erhöhung der Wettbewerbs-Fähigkeit“ unterzuordnen. Ganz im Sinne des bereits 2011 auf Regierungsebene beschlossenen Euro-Plus-Pakts, einer Vereinbarung, die der „Fünferbande“ bislang zu unverbindlich ist.

Problem Kollektivvertrag

Im Euro-Plus-Pakt wird allgemein Lohnzurückhaltung zur Steigerung der Wettbewerbs-Fähigkeit eingefordert und es gilt, Maßnahmen zu setzen, die dieses Ziel unterstützen. Wie in vielen anderen Papieren europäischer Institutionen werden dabei insbesondere Flächentarif-Verträge als Problem angesehen. Um die Wett­bewerbs-Fähigkeit zu erhöhen gelte es daher gegebenenfalls „den Grad der Zentralisierung im Verhandlungs­prozess“ zu überdenken. Sprich: Lohnverhandlungen, wie es etwa der Präsident der Industriellenvereinigung, Kapsch, will, auf die betrieb­liche Ebene zu verlagern.

Auch wenn im Präsidentenbericht nationalstaatliche Lohnfindungs-Verfahren offiziell respektiert werden, soll die neu einzurichtende staatliche Wettbewerbs-Institution unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der Wettbewerbs-Fähigkeit Richtlinien für Kollektivvertrags-Verhandlungen vorgeben. Damit „produktiven Unternehmen“ ein entsprechender institutioneller Rahmen für mehr Prosperität geboten wird.

Baustein in Richtung autoritärer Kapitalismus

Die Einkommens- und Lebenssituation der unselbständig Beschäftigten oder gar verteilungs­politische Ziel­setzungen zugunsten der Arbeitnehmer­Innen spielen dagegen keinerlei Rolle. Verfahren im Falle „makroökonomischer Ungleichgewichte“ – die bislang eingesetzt werden um neoliberale Strukturreformen bei Leistungsbilanzdefiziten zu erzwingen – sollen künftig auch unabhängig vom Zustand der Leistungsbilanz zur „Förderung von Strukturreformen im Zuge des Europäischen Semesters“ eingesetzt werden – wie etwa die Erhöhung des Pensions-Antrittsalters oder eben die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte beziehungsweise „Dezentralisierung“ von Lohnverhandlungs-Systemen.

Aus gewerkschaftlicher Sicht ist jedenfalls auch dieser „Wettbewerbspakt reloaded“ abzulehnen. Es handelt sich letztlich um nichts anderes als alte Inhalten in einer neuen Verpackung. Die Mobilisierung gegen diesen weiteren Baustein in Richtung autoritärer Kapitalismus hat somit begonnen …

Quelle: Die Alternative

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