„Überwacht! Ausspioniert! Ausgeliefert?“ lautete die Veranstaltung der AUGE-Steiermark am 10. Oktober 2016 in Graz.

Die Rolle von uns als einzelne NutzerInnen in der digitalen Welt war eine wichtige Fragestellung bei dieser Veranstaltung. Wieviel haben wir als Einzelne in der Hand im Umgang mit unseren Daten, den Sozialen Medien? Müssen wir alle aus Selbstschutz Verschlüsselungs-ExpertInnen sein.

Dazu wurde vor allem der Punkt der Eigenverantwortung diskutiert:

Wir nutzen Social Media und Handy-Apps eigentlich fahrlässig und haben eine mangelnde Digital Awareness beim Umgang mit Facebook & Co. Wir lassen durch die Nutzung von Handy-Apps unhinterfragt auf unsere Kontakte zugreifen und geben unseren Standort bekannt, obwohl dafür keine inhaltliche Notwendigkeit besteht. Dies kann nur individuell und mit einem besseren Umgang mit digitalen Medien gelöst werden.

Ein anderer Punkt ist der Ruf nach mehr Kameras für „mehr Sicherheit“. Als Beispiel kann hier der Grazer Volksgarten genannt werden. Auch wenn dies eine politische Debatte ist, müssen wir uns fragen, wie wir als Einzelne darauf reagieren.

Auch die Nutzung von zum Beispiel „Smart Meter“

zur Stromablesung als sogenannte intelligente (digitale) Zähler, die minutengenau den jeweiligen Verbrauch ablesen und dokumentieren, werden vorgeschrieben. Obwohl noch eine Reihe von daten­schutz­rechtlichen Problemen offen ist. Die gesetzliche Lage bei der Ablehnung dieser Geräte ist unklar.

  • Läge oder liegt es in der Verantwortung des Staates, uns durch entsprechende Gesetze zu schützen?
  • Wer sollte denn eigentlich die Daten kontrollieren?
  • Wie steht es mit „Amtsverschwiegenheit“ vs. Informationsfreiheit der Bürger­Innen und dem Recht auf Einsicht in nicht personenbezogene Dokumente der öffentlichen Verwaltung?
  • Was ist mit Open Government und Transparenz von öffentlichen Projekten und deren Kosten oder einem Livestream einer Gemeinderatssitzung?

All diese Fragen treiben uns um, wir wissen nicht genau, wie wir damit umgehen sollen. Die Abgrenzung zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz ist schwierig. Die zunehmende Digitalisierung unserer privaten Umgebung scheint nicht verhinderbar, wir können uns nicht entziehen, oder doch?

Auf unserer Podiumsdiskussion

haben wir diese Fragen aufgeworfen und versucht Antworten zu finden. Inputs dazu kamen vom Andreas Krisch, der sich mit der Betrachtung von Kontrolle auseinandersetzte und von Thomas Riesenecker-Caba, der sich mit der Digitalisierung der Arbeitswelt befasst:

Je nachdem wie man das Wort „kontrollieren“ versteht, fällt die Antwort auf diese Fragen unterschiedlich aus.

Die wirtschaftliche Kontrolle und Marktdominanz liegt sicherlich zu wesentlichen Teilen bei den großen Internet-Konzernen wie Facebook, Google, Amazon, Microsoft und anderen. Diese definieren nach welchen Regeln unsere Online-Kommunikation und Internetnutzung funktioniert und bestimmen – im Rahmen der von ihnen hergestellten Betriebssysteme, Programme und Services – zu wesentlichen Teilen die Funktionalitäten unserer Computer, Mobiltelefone und anderer digitaler Endgeräte.

Die Auswertung und der Handel

mit unseren personenbezogenen Daten stellt zu wesentlichen Teilen das Kern­geschäft dieser Unternehmen dar. Mit ständig verbesserten Methoden werden unsere Interessen und Verhaltensweisen analysiert, um immer mehr Profit aus unseren Daten zu ziehen.

Herkömmliche Kundenbeziehungen haben wir zu diesen Unternehmen sehr oft nicht, da wir nicht einmal die Möglichkeit erhalten, für die angebotenen Leistungen zu bezahlen.

Der Preis sind unsere Daten, deren Wert nur den wenigsten von uns bewusst ist. In Wahrheit sind wir das Produkt, das meistbietend an die wahren Kunden dieser Unternehmen verkauft wird – an die Werbewirtschaft und Datenhändler.

Versteht man das Wort „Kontrolle“

als Synonym von „Überwachung“, kommen sofort die staatlichen Akteure ins Blickfeld. Internationale Geheimdienste betreiben beispielsweise eine umfassende und flächendeckende Inhaltsüberwachung der digitalen Welt.

Dies belegen die Enthüllungen von Edward Snowden eindrücklich. Alleine im Rahmen eines Programms mit dem Codenamen KARMA POLICE wird detailgetreu aufgezeichnet und analysiert welche Webseiten jeder von uns besucht. So kann zu jeder Webseite ausgewertet werden, von wem sie wann besucht wurde und zu jeder Person kann abgerufen werden, welche Webseiten sie wann aufgerufen hat.

Diese umfassende Protokollierung der Interessen jedes Einzelnen von uns wird ermöglicht durch sogenannte „Cookies“, die durch Werbewirtschaft und Webseiten teils zur Bereitstellung bestimmter Funktionalitäten, überwiegend jedoch zur Analyse unserer Interessen, auf unseren Endgeräten platziert werden. Wirtschaftliche und staatliche Kontrolle greifen so nahtlos Hand in Hand.

Schließlich ist noch ein dritter Akteur zu nennen,

der die digitale Welt kontrolliert, seine Möglichkeiten derzeit jedoch nur ungenügend nutzt. Das sind wir selbst. Die Nutzer, die zu einem gewissen Grad selbst darüber bestimmen können, welche Angebote der digitalen Welt sie nutzen möchten.

In dieser Entscheidung sind wir jedoch nicht immer frei. So ist es nur mäßig sinnvoll, sich für ein noch so datenschutzfreundliches soziales Netzwerk zu entscheiden, wenn dieses von den relevanten Freunden und Bekannten nicht genutzt wird.

Wenn wir kommunizieren wollen müssen wir die Angebote nutzen, die auch unsere Freunde nutzen. Dass wir nicht sehr geschickt darin sind, uns kollektiv für einen Anbieter zu entscheiden, der guten Datenschutz bietet, kommt den großen Internet-Konzernen zugute.

Als mündige NutzerIn

können wir aber durchaus aktiv werden, indem wir uns mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten – wie zum Beispiel Verschlüsselungstechniken – auseinandersetzen und diese für unsere Zwecke nutzen.

Auch können wir unsere bestehenden Rechte nutzen und von Datenverarbeitern Auskunft darüber verlangen, welche Daten sie über uns verarbeiten, zu welchen Zwecken sie das tun und wann die entsprechenden Daten wieder gelöscht werden. Sind die Daten falsch oder werden unsere Daten rechtswidrig verwendet, haben wir Anspruch auf Richtigstellung beziehungsweise Löschung.

Als Staatsbürger können wir darauf dringen, dass die zuständige Behörde mit ausreichend personellen und finanziellen Mitteln ausgestattet wird, damit sie unser Grundrecht auf Datenschutz effektiv schützen kann. Und wir können unsere politischen Vertreter dazu auf­fordern, der überbordenden Geheimdienstüberwachung ein Ende zu setzen.

Schlussendlich bestimmen wir, wer die digitale Welt kontrolliert. Sie wird von denjenigen kontrolliert, denen wir die Kontrolle überlassen.

Technologische Veränderungen auf betrieblicher Ebene

und Fragen zur Neugestaltung betriebsrätlicher Mitbestimmung und gesetzlicher Rahmenbedingungen (Datenschutzgrundverordnung ab Mai 2018).

Technologische Entwicklungen auf betrieblicher Ebene schreiten voran:

  • Vernetzung über betriebliche Grenzen hinweg (Arbeiten in der Cloud),
  • Sensorik unterstützt die Einbindung betrieblicher Maschinen und Dinge (Internet der Dinge, Industrie 4.0),
  • Kollaborationssoftware ermöglicht neue Formen der Kommunikation und Kooperation.

Betriebliche Mitbestimmung in komplexen System­architekturen wird für Betriebsräte immer schwieriger. Neu­gestaltung des Datenschutzes durch die Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union zeigt jedoch neue Ansätze zur Mitgestaltung.

Auf diese Inputs folgte eine lebhafte Diskussion, ein zusammen­fassender Mitschnitt ist auf Radio Helsinki Graz unter dem Titel „Überwacht! Ausspioniert! Ausgeliefert?“ zu finden.

Ein Zitat, das uns zur Aktivität bewegen sollte, möchte ich doch noch anführen. Peter Pilz meinte

„Von Google bis NSA kennen wir die digitalen Herren unserer Welt. Wir, von den NGOs bis zu den Parlamenten haben den Streit um die Kontrolle endlich begonnen.“

Der zusammenfassende Mitschnitt bei Radio Helsinki, in Graz „Überwacht! Ausspioniert! Ausgeliefert?“. Literaturtipp: Angriff auf die Freiheit: Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte © Hanser Verlag 2009 von Ilija Trojanow und Juli Zeh. Siehe auch Powerpoint-Präsentation von Mag. Riesenecker-Caba (mit Links und weiteren Informationen)

Es diskutierten im gut besuchten AK-Festsaal:

  • Mag.a Dipl.-Ing.in (FH) Daniela Grabe, Gemeinderätin Graz
  • Dr. Peter Pilz, Abgeordneter zum Nationalrat
  • Mag. Andreas Krisch, Datenschutzexperte, Wirtschafts­informatiker, Geschäftsführer mksult GmbH
  • Mag. Thomas Riesenecker-Caba, Forschungs- und ­Beratungsstelle Arbeitswelt, FORBA Wien

Danke an Ulla Niediek, die mit lockeren Worten begrüßte und einleitete, an Gunter Bauer, der die Veranstaltung sehr pfiffig moderierte und an Gerhard Elitzer für die zahlreichen Fotos.

Geschrieben von Ilse Löwe-Vogl.

Quelle: Die Alternative

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