Ein Interview, das so, oder so ähnlich, nie stattgefunden hat.

 

Herr Bürgermeister, ein arbeitsreiches und spannendes Jahr neigt sich dem Ende zu. Vielen Dank, dass Sie sich zu diesem Interview mit der Distel-Redaktion bereit erklärt haben und uns Ihre wertvolle Zeit schenken.

Ihre Zeit ist knapp, daher gleich zur ersten Frage.

Waren Sie heuer schon am Christkindlmarkt?

Ja sicher, am Montag und Dienstag bis zu Mittag. Wie Sie wissen, bin ich dann fertig – kann ich heimgehen. HaHaHa

Sehr lustig. Wir haben mal herumgerechnet. Bei der von Ihnen angegebenen Stundenanzahl und der Annahme einer 6-Tage-Woche kommen Sie auf einen Stundenlohn von ca. 35,– Euro. Eine Mechaniker­stunde kostet das Dreifache. Fühlen Sie sich unterbezahlt?

Rechnen ist nicht so mein Ding. Ich hab aber schon überlegt, meine eigene Gewerkschaft zu gründen, da mich ja niemand vertritt. Aber ich hatte Bedenken, dass mein Vertrag nicht verlängert wird, wie beim Asklepios-Rainer. Meine Frau sagt immer: „Michl, deine Bezahlung ist scheiße, aber die Liebe der WienerInnen und deiner Parteifreunde entschädigt dich für alles“.

Stichwort Parteifreunde. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll man Sie vor dem (Krisen)parteivorstand am 21.November in den Rathausgängen herumirren gesehen haben. Ab und zu wären Ihnen beim subvokalen Redetraining Wörter wie „Krot, Kretzn, Oaschwarzn, Wehsely“ entfleucht. Tatsache?

Wir, die SPÖ Wien, sind einen demokratische Vereinigung, die viele Meinungen zulässt und breit aufgestellt ist. Zweifelsohne ist die Kommunikation verbesserungsfähig. Im fraglichen Zeitraum haben wir einen blauen Bezirksrat mit einer täuschend echt aussehenden „Häupl-Halloween-Maske“ aufgegriffen und von der Rathauswache hinauskomplimentieren lassen. Auch so ein Dirty-Campaining kann die große Wiener Sozialdemokratie nicht auseinanderdividieren, das schaffen wir ganz ohne Mithilfe.

Der Magistrat steht – auch, oder gerade wegen, finanzieller Engpässe – vor tiefgreifenden Veränderungen. Aus „WiStA“ wurde „Wien neu denken“ und Stadträtin Brauner und Magistrats­direktor Hechtner haben diesen Prozess vorangetrieben. Brauner war in 20 Jahren Stadträtin in drei verschiedenen Resorts, Hechtner seit 1994 Abteilungsleiter, Kontrollamtsdirektor und Magistratsdirektor. Diese geballte und über vier Jahrzehnte angesammelte Führungskompetenz hat die Stadt genau dort hingebracht, wo sie heute steht. Sind das die richtigen Personen, um „Wien neu zu denken“ und tabulos Strukturen zu hinterfragen?

Man bringe mir den Spritzwein. Mein Pressesprecher (Spitzname Frodo) hat mir einen Zettel mitgegeben, auf dem steht: Halte dich nicht zu lange mit dem linken Gesindel auf. Also nächste Frage.

In einem Kurier-Interview haben Sie auf den KAV-Rechnungshofbericht geantwortet. Sie fänden es skurril, dass der KAV keine Personal- und Finanzhoheit habe und dass Sie sich fragen was der Generaldirektor eigentlich den ganzen Tag so mache. Sie sind seit 7. November 1994 Bürgermeister und dieser Umstand hätte seit 22 Jahren verändert werden können. Janßen ist Ihr Angestellter. Ist Ihnen das alles erst durch den Rechnungshof bewusst geworden?

Spritzwein, Gesindel und nächste Frage!

Sie sind für Ihre launigen Sager und pointierten Bonmots bekannt. Zumeist geht es um holzschnitt­artige, niederschwellige Erklärungen, die dem Versuch geschuldet scheinen, Ihre Zuhörerschaft intellektuell nicht zu überfordern. Verdient sich die Wr. Bevölkerung von einem Akademiker und Landeshauptmann nicht ein wenig mehr an Substanz und Tiefgang?

Mit „Man bringe mir den Spritzwein“ oder „Da bin ich Dienstag zu Mittag fertig, do kaun i hamgehn“ gewinne ich bei der Wahl 5 %. Mit einem Sager über „resourcenoptimierte Finanzmitteleinsatzplanung und Stabilisierung der Personalausgabendynamik“ ernte ich nur Kopfschütteln.

Das Redaktionsteam der Distel bedankt sich herzliche für die gewährten Einblicke und das Interview!

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