Der Einkommensbericht 2016 des Rechnungshofs belegt einmal mehr: Die soziale und ökonomische Lage der ArbeiterInnen wird immer prekärer.

Wer nach Erklärungen für den Aufstieg der populistischen und extremen Rechten sucht wird in diesem Bericht einige finden. Aber auch mögliche Handlungsanleitungen ableiten können, die wieder Perspektiven auf ein besseres Leben bieten.

„Der Arbeiterlohn schreit zum Himmel“. Mit diesem Bibelwort aus dem Jakobusbrief übertitelten wir schon 2012 einen Beitrag zum Einkommensbericht des Rechnungshofs angesichts der prekären Einkommenssituation der ArbeiterInnen. Der Titel ist aktueller denn je. Die soziale Lage der ArbeiterInnen hat sich nicht wirklich verbessert. Die Arbeitsverhältnisse sind dagegen noch instabiler und prekärer geworden.

Realeinkommensentwicklung zwischen Stagnation und Verlusten

Die Entwicklung der Realeinkommen – also die Kaufkraft von Löhnen und Gehältern – hat sich in den letzten Jahren zwar stabilisiert. Aber nicht wirklich verbessert.

  • Bezogen auf das Vergleichsjahr 1998 haben die Arbeiter­Innen­einkommen an Kaufkraft deutlich verloren, jene der Angestellten stagnieren, Kaufkraftzuwächse gab es nur bei der immer kleiner und „älter“ werdenden Gruppe der BeamtInnen.
  • Bezogen auf 1998 haben die Einkommen der Arbeiter­Innen (brutto) 13 Prozent an Kaufkraft verloren. Männer haben dabei geringere Realeinkommensverluste (minus 7 Prozent) als Frauen (minus 18 Prozent) hinnehmen müssen. Die Nettorealeinkommen der ArbeiterInnen sind seit 1998 um 10 Prozent gesunken. Die „geringeren“ Nettokaufkraftverluste sind insbesondere auf die wachsende Anzahl von Frauen – und damit von Teilzeit­beschäftigung – unter den ArbeiterInnen zurückzuführen. Geringere Einkommen führen zu einer niedrigeren Steuer- und Abgaben­belastung, weil die Steuerprogression schwächer wirkt. Weibliche ArbeiterInnen zahlen weniger Steuern als ihre männlichen Kollegen, insgesamt sinkt die Steuerlast bei den ArbeiterInnen und fällt der Nettorealeinkommensverlust geringer aus.
  • Die Angestellteneinkommen (inklusive Vertragsbedienstete) stagnieren seit 1998 hinsichtlich ihrer Kaufkraft weitgehend. Die Realeinkommen (brutto) der Angestellten sind um gerade einmal zwei Prozent­punkte gewachsen (Männer: +1 Prozent, Frauen: +3 Prozent), die Nettorealeinkommen weichen mit einem Plus von ein Prozent nur gering vom mageren Realeinkommenszuwachs bei den Bruttogehältern ab.
  • Lediglich die BeamtInneneinkommen sind – strukturbedingt (höheres Durchschnittsalter, durchgängige Erwerbsverläufe, hohe AkademikerInnenquote) – real deutlich um 26 Prozent gewachsen (Frauen: 27 Prozent, Männer: 26 Prozent). Hier fiel – im Gegensatz zu den ArbeiterInnen – der Zuwachs der Nettorealeinkommen geringer aus (+18 Prozent), weil die Steuerprogression in diesem höheren Einkommenssegment wirkt.

Besonders auffallend ist der ausgeprägte geschlechtsspezifische Unterschied bei der Entwicklung der ArbeiterInnen-Realeinkommen: Während sich die Realeinkommen von weiblichen und männlichen Angestellten und BeamtInnen annähernd gleich entwickelt haben – allerdings bei einem gleichbleibend hohen Einkommensunterschied zwischen angestellten Männern und Frauen – haben sich bei den ArbeiterInnen die Männer- und Fraueneinkommen weiter auseinander entwickelt.

Die Einkommensunterschiede zwischen den ­Geschlechtern sind bei den ArbeiterInnen besonders stark ausgeprägt:

  • So lagen 2015 die mittleren Einkommen der Arbeiter­innen bei lediglich 43 Prozent der Arbeitereinkommen.
  • Die Einkommen der weiblichen Angestellten bei immer noch nur 51 Prozent der männlichen Kollegen.
  • Die Einkommen weiblicher Vertragsbediensteter beziehungsweise der Beamtinnen dagegen bei 77 beziehungsweise 95 Prozent der männlichen Vertragsbediensteten beziehungsweise Beamten.

ArbeiterInneneinkommen fallen zurück

Nicht nur hinsichtlich der Realeinkommen fallen die ArbeiterInnen­einkommen zurück. Auch nominell – also nicht inflationsbereinigt – ist die Einkommensentwicklung der ArbeiterInnen deutlich hinter jener der Angestellten und BeamtInnen geblieben:

  • 2015 lag das mittlere Jahreseinkommen (brutto) einer ArbeiterIn bei 19.215 Euro. Im Vergleich zu 1998 sind die Einkommen der ­ArbeiterInnen nominell um bescheidene 19,35 Prozent gestiegen.
  • Die durchschnittlichen Angestellteneinkommen (inklusive Vertragsbediensteter) lagen 2015 bei 30.853 Euro – also deutlich über den Einkommen der ArbeiterInnen. Die Gehälter der Angestellten und Vertragsbediensteten sind von 1998 bis 2015 nominell um 40,1 Prozent gewachsen.
  • Bei den BeamtInnen lag die nominelle Einkommenssteigerung im Vergleichszeitraum gar bei 73,42 Prozent, das mittlere Beamteneinkommen 2015 bei 53.747 Euro jährlich.

ArbeiterInnen fühlen sich also nicht nur „abgehängt“, sie sind hinsichtlich ihrer Einkommensentwicklung auch tatsächlich hinter Angestellte und BeamtInnen zurückgefallen. Und das bei einem ohnehin schon deutlich niedrigerem Lohnniveau.

Massive Einkommensverluste im unteren Segment

Massive Einkommensverluste hat es dabei im unteren Einkommens­segment gegeben. Die einkommensschwächsten 10 Prozent haben seit 1998 Realeinkommensverluste von 35 Prozent hinnehmen müssen.

Bei den ArbeiterInnen stellt sich die Situation noch dramatischer dar: Hier hat das unterste Einkommenszehntel Kaufkraftverluste von gleich 46 Prozent erlitten!

Hauptgründe: Instabiler werdende Arbeitsverhältnisse …

Die Realeinkommensverluste bei den ArbeiterInnen sind insbesondere der zunehmenden Instabilität und Atypisierung der Arbeitsverhältnisse geschuldet. Dies zeigt insbesondere die Zwei- und Fünfjahresbetrachtung.

In der Zwei- beziehungsweise Fünfjahresbetrachtung wird die unter­schiedliche Realeinkommensentwicklung der unselbständig Beschäftigten in der Gesamtbetrachtung mit der Realeinkommens­entwicklung jener Arbeitnehmer­Innen verglichen, die in jeweils zwei beziehungsweise fünf aufeinander folgenden Jahren durchgängig erwerbstätig waren (unabhängig davon, ob Voll- oder Teilzeit). Diese Gruppen umfassen rund sechzig (zwei Jahre durchgängig) beziehungsweise zweiundvierzig Prozent (fünf Jahre durchgängig) aller Beschäftigten.

Die Gruppen der zwei- beziehungsweise fünfjährig durchgängig Beschäftigten stellen hinsichtlich ihrer Einkommensentwicklung privilegierte Einkommensgruppen dar, sind sie doch weder von Phasen unterjähriger Arbeitslosigkeit, noch von Saisonbeschäftigung betroffen – zwei Umstände, die zwangsläufig auf die Höhe der Jahreseinkommen drücken.

Wie entwickeln sich nun die Jahreseinkommen real – also inflations­bereinigt – der ArbeiterInnen insgesamt beziehungsweise in der Zwei- und Fünfjahresbetrachtung?

  • In der Gesamtbetrachtung lag die Entwicklung der ArbeiterInnen­einkommen im Vergleichszeitraum 1999 bis 2015 nur in vier Jahren über der Inflationsrate. In allen anderen Jahren erlitten die ArbeiterInneneinkommen also Realeinkommensverluste.
  • Ganz anders stellt sich die Situation in der Zweijahresbetrachtung dar. In der Zweijahresbetrachtung lagen die ArbeiterInnen­einkommen im Vergleichszeitraum 2000 bis 2015 kein einziges Mal unter der Inflationsrate. Die Zuwachsraten der Einkommen der ArbeiterInnen lagen in der Zweijahresbetrachtung im Mittel 2,82 Prozentpunkte über der Gesamtbetrachtung und höher als bei den Angestellten (2,7) und Beamten (0,46).
  • Ähnlich die Realeinkommensentwicklung in der Fünfjahres­betrachtung: Auch in diesem Fall sind die Realeinkommen im Zeitverlauf von 2011 bis 2015 jedes Jahr gewachsen. Die Einkommen von durchgängig fünf Jahre hindurch beschäftigten ArbeiterInnen stiegen real um fast 8 Prozent. Im Vergleich zur Fünfjahresbetrachtung verloren dagegen die Einkommen der ArbeiterInnen in der Gesamtbetrachtung – also unabhängig von der Durchgängigkeit ihrer Beschäftigung auch im Vergleichszeitraum 2011 bis 2015 an Kaufkraft.

Die Stabilität beziehungsweise eben die nicht vorhandene Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse ist also eine wesentliche Ursache für die Realeinkommensverluste der letzten Jahrzehnte.

Eine Zahl, welche die Instabilität der Beschäftigung als wesentliche Ursache für die schwache Realeinkommensentwicklung insgesamt und die hohen Reallohnverluste für die ArbeiterInnen im Besonderen zusätzlich veranschaulicht ist jene, der mindestens einmal jährlich von Arbeitslosigkeit betroffenen ArbeitnehmerInnen. Diese hat 2016 mit über neunhundertsechzigtausend Personen beinahe die Millionen­grenze erreicht!

Das bedeutet, dass beinahe ein Viertel aller unselbständig Beschäftigten einmal im Jahr arbeitslos wird. Und von unterjähriger Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich oft betroffen sind ArbeiterInnen.

… und zunehmende Atypisierung

Ein weiterer Grund für die zurückbleibende Reallohn­entwicklung ist die zunehmende Atypisierung der Beschäftigung, die mit der wachsenden Instabilität Hand in Hand geht.

  • Das klassische, traditionelle „Normalarbeitsverhältnis“ – ganz­jährige Vollzeitbeschäftigung – befindet sich weiter auf dem Rückzug. 2015 waren erstmals weniger als fünfzig Prozent – nämlich 49,8 Prozent – aller unselbständig Beschäftigten ganzjährig Vollzeit beschäftigt! 2004 standen noch 54,7 Prozent aller unselbständig Beschäftigten in einem derartigen „Normal­arbeits­verhältnis“.
  • Für Frauen war dieses „Normalarbeitsverhältnis“ ohnehin nie „typisch“ beziehungsweise „normal“. Lediglich 34,5 Prozent der Frauen arbeiteten 2015 ganzjährig Vollzeit (2004: 36,1 Prozent).
  • Das „typische“ Beschäftigungsverhältnis der Frauen war und ist die ganzjährige Teilzeitbeschäftigung: Während 66 Prozent der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten Männer sind, sind 83 Prozent der ganzjährig Teilzeitbeschäftigten weiblich.
  • Ein absolutes Minderheitenprogramm stellt das ganzjährige Vollzeitbeschäftigungsverhältnis bei den ArbeiterInnen dar. Lediglich 40,7 Prozent der Arbeiter­Innen insgesamt sind noch in einem „Normalarbeitsverhältnis“, bei den weiblichen Arbeiter­Innen sind es überhaupt nur mehr 23,4 Prozent! Im Gegensatz dazu arbeiten Angestellte zu 52 Prozent „normal“ (weibliche Angestellte: 37,4 Prozent), Vertragsbedienstete und BeamtInnen zu 58,9 Prozent (weibliche Vertragsbedienstete: 48,8 Prozent) beziehungsweise 89 Prozent (weibliche BeamtInnen: 77,5 Prozent) ganzjährig Vollzeit.
  • 42 Prozent aller unselbständig Beschäftigten wiesen 2015 bereits eine atypische Beschäftigung auf (58 Prozent arbeiten Vollzeit – aber eben nicht zwingend ganzjährig beschäftigt, Anm.). „Atypische“ Beschäftigung ist dabei überwiegend weiblich: 61 Prozent aller Frauen aber nur weniger als ein ­Viertel der Männer sind atypisch beschäftigt. Typische Formen „männlicher“ atypischer Beschäftigung (unselbständig beschäftigt) sind dabei Leih- und Zeitarbeit sowie befristete Beschäftigungsverhältnisse, typisch „weibliche“ atypische Beschäftigung sind Teilzeit und geringfügige Beschäftigung.
  • Mit Atypisierung geht regelmäßig Prekarisierung und ein höheres Armutsrisiko einher. Die Stundenverdienste atypisch Beschäftigter liegen regelmäßig unter jenen „normal“ – also Vollzeit – Beschäftigter:
    • 2015 lag der mittlere Stundenverdienst bei Vollzeit bei 15,30 Euro.
    • Teilzeitbeschäftigte kamen auf ein mittleres Stundeneinkommen von 12,20 Euro,
    • befristet Leih- und ZeitarbeiterInnen auf 11,40 Euro,
    • befristet Beschäftigte schon nur noch auf 9,90 Euro,
    • geringfügig Beschäftigte überhaupt schon nur noch auf 8 Euro.

HilfsarbeiterInnen und niedrigqualifizierte Angestellte – mehrheitlich Frauen – sind von instabiler Beschäf­tigung, Prekarisierung und Atypisierung besonders stark betroffen.

  • HilfsarbeiterInnen arbeiten zu 52 Prozent Teilzeit und sind zu 48 Prozent nicht ganzjährig beschäftigt. Ihr mittleres Jahres­einkommen liegt mit 11.200 Euro (brutto) weit unter den durchschnittlichen Arbeiter­Inneneinkommen. Mit 56 Prozent ist der Frauenanteil in dieser Gruppe sehr hoch.
  • Angestellte, die Hilfs- oder angelernte Tätigkeiten erbringen, arbeiten zu 64 Prozent Teilzeit und sind zu 57 Prozent nicht ganzjährig beschäftigt. Wie zu erwarten ist auch hier der Frauen­anteil mit 61 Prozent sehr hoch, die Bruttojahreseinkommen mit gerade einmal 6248 Euro allerdings besonders niedrig und beläuft sich auf nur noch ein Viertel der durchschnittlichen Angestellteneinkommen.

Beide Gruppen machen knapp über sechshunderttausend Personen aus – rund fünfzehn Prozent aller Arbeitnehmer­Innen. Hinzu kommen noch knapp fünfhundertneunzigtausend angelernte ArbeiterInnen aber auch fünfhundertsechzigtausend FacharbeiterInnen, deren Einkommens­­situation zwar besser als jene der HilfsarbeiterInnen ist, die allerdings ebenfalls überdurchschnittlich stark von instabilen Beschäftigungsverhältnissen betroffen sind, deren Arbeits­losig­keitsrisiko ungleich höher ist als jenes anderer Beschäftigten­gruppen. Und deren Realeinkommen sich seit Jahrzehnten im „freien Fall“ befinden.

Handlungsbedarf: Arbeitszeitverkürzung, Konjunkturpolitik und Umverteilung

Soll die Einkommenssituation der ArbeitnehmerInnen insgesamt und ArbeiterInnen besonders verbessert werden – was längst nicht nur aus sozialpolitischen (Armutsgefährdung, Ungleichverteilung, unzureichende soziale Absicherung) sondern auch aus handfesten wirtschaftspolitischen (Stärkung, Binnennachfrage, Finanzierung öffentliche Haushalte, Entlastung soziale Sicherungssysteme …) und demokratiepolitischen (Perspektivenlosigkeit und daraus resultierende politische und religiöse Radikalisierung, Anstieg autoritärer und fremdenfeindlicher Einstellungen) Gründen ein Gebot der Stunde wäre – braucht es ein Bündel an Maßnahmen, unter anderem:

  • einen neuen, deutlich verkürzten Vollarbeitszeit­standard sowie einen Einkommensschutz bei Teilzeit: Angesichts des Anstiegs von – vielfach nicht existenzsichernder – Teilzeit sowie eines Rückgangs traditioneller Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse braucht es einer­seits eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich – zumindest bei unteren und mittleren Einkommensgruppen – sowie einen Einkommensschutz bei Teilzeit (zum Beispiel über wöchentliche Mindestarbeitszeiten, die nicht unterschritten werden dürfen). Arbeitszeitverkürzung bei Mindestarbeitszeiten bei Teilzeit würden die Einkommensschere zwischen Voll- und Teilzeit verringern, Die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten reduzieren und so auch die gerechtere Verteilung unbezahlter und bezahlter Arbeit erleichtern und Teilzeitbeschäftigten eine Erhöhung ihrer Arbeits­stunden ermöglichen,
  • einen flächendeckenden Mindestlohn auf Stunden­basis. Ein Mindestlohn von 10,20 Euro (Niedriglohnschwelle sind zwei Drittel des mittleren Vollzeit-­Bruttoverdienstes) würde insbesondere atypische Beschäftigungsverhältnisse – und damit überwiegend Fraueneinkommen – nach unten absichern und stärken. Anzustreben wäre entweder eine general­kollektiv­vertragliche oder, falls nicht erreichbar, gesetzliche Regelung,
  • eine Wirtschaftspolitik, die ein stabiles konjunktur­elles und beschäftigungsförderndes Umfeld schafft: Das beinhaltet insbesondere öffentliche, Beschäftigung schaffende Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen (beispielsweise umweltfreundliche Mobilität), öffentliche Infrastruktur, Bildung, Soziale Dienste, Wohnbau etc. Dadurch kann Druck vom Arbeitsmarkt genommen und Beschäftigungsverhältnisse stabilisiert werden. Zusätzlich braucht es eine Stärkung und den Ausbau des öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Sektors, da insbesondere dieser stabile Beschäftigung und Einkommen garantiert und hier die Einkommens­unterschiede zwischen Männern und Frauen am geringsten sind,
  • eine Arbeitsmarktpolitik, die insbesondere auf ­langfristig angelegte und nachhaltig Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen abzielt sowie beschäftigungswirksame Maßnahmen abseits des „ersten Arbeitsmarkts“ setzt (zum Beispiel Wieder­belebung der Aktion 8000 im zivilgesellschaftlichen Bereich, Unterstützung von Betriebsübernahmen mangels Erben oder im Insolvenzfall durch die Belegschaften, Förderung und Ausbau eines „zweiten Arbeits­marktes“ der auch mittel- und langfristig ­kollektivvertraglich und arbeitsrechtlich abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse und zielgruppenspezifische Betreuungs-, Unterstützungs- und Qualifikationsangebote beinhaltet),
  • Umverteilung zur Stärkung sowie zur Stabilisierung unterer und mittlerer Jahreseinkommen: Dies beinhaltet unter anderem die Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld auf siebzig bis achtzig  Prozent, die Abschaffung der Anrechnung des Partner­einkommens bei der Notstandshilfe sowie eine Erhöhung der Mindestsicherung auf armutssicheres Niveau und Umbau zu einer bedarfs- und lebenslagenorientierten Grundsicherung mit Rechts­anspruch auf Beratung, Betreuung und Bildung und Inanspruch­nahme bei zeitlich befristeten beruflichen Auszeiten (etwa zur beruflichen Umorientierung, zur Burnout-Prävention, als „Sabbatjahr“). Einführung vermögensbezogener Steuern, eine sozial-ökologische Steuerreform und eine Verbreiterung der Finanzierung sozialstaatlicher Leistungen auf Wertschöpfungsanteil, um mehr Verteilungsgerechtigkeit und finanzielle Spielräume für öffentliche Investitionen, Bildung und soziale Sicherheit sicherzustellen sowie die Sozialisierung von Rationalisierungs- beziehungsweise Digitalisierungsverlusten und Privatisierung von entsprechenden Gewinnen einzuschränken,
  • zusätzliche Instrumente zur Stabilisierung von Beschäftigungs­verhältnissen: Sinnvoll wäre etwa die Wiedereinrichtung des unter schwarz-blau abgeschafften Entgeltfortzahlungsfonds für ArbeiterInnen, aus dem die Lohnfortzahlung für ArbeiterInnen im Krankenstand (teilweise) zurückerstattet wurde. Dieser solidarisch von den Unternehmen finanzierte Fonds verhinderte unter anderem, dass ArbeiterInnen im Krankenstand aus Kostengründen gekündigt wurden. Mit der Abschaffung des Fonds wurde dieser „Kündigungs­schutz“ de facto abgeschafft, ArbeiterInnen häufiger gekündigt als zuvor. Überlegenswert wäre auch eine Ausdehnung der Leistungen aus einem neu einzurichtenden Fonds auf Angestellte. Ein weiteres Instrument wäre ein öffentlicher „Krisen­fonds“, der beispielsweise aus beschäftigungs- und regional­politischen Gründen Beteiligungen an krisengeschüttelten beziehungsweise insolvenzgefährdeten Industrieunternehmen übernimmt, Betriebsübernahmen durch Belegschaften unterstützt und den Strukturwandel beziehungsweise sozial-ökologischen Umbau des Industriesystems für die betroffenen ArbeitnehmerInnen sozial abfedert.

Quelle: Die Alternative

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