438.654 – 10.135 – 9,4 – 6: Was es mit diesen Zahlen auf sich hat? Es sind die aktuellen Arbeitslosenzahlen für Österreich im März 2016.

Der „Tag der Arbeitslosen“ findet dieses Jahr vor dem Hintergrund eines neuen, traurigen Arbeitslosenrekords statt.

Wir lösen auf: 438.654 Menschen waren im März 2016 in Österreich arbeitslos gemeldet oder befanden sich in Schulungen. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 10.135 Personen. Das entspricht einer Arbeitslosenrate von 9,4 Prozent (nationale Berechnung) beziehungsweise sechs Prozent (Eurostat-Berechnung).

Waren österreichische Bundesregierungen dermaleinst stolz darauf, mit die niedrigsten Arbeitslosenraten in Europa zu haben, ist es damit vorerst einmal vorbei. Heute liegt Österreich an siebt-letzter Stelle, Länder wie Deutschland, Dänemark, ja selbst Ungarn weisen niedrigere Arbeitslosenraten aus.

Österreich ist auch einer von drei EU-Mitgliedsstaaten, in denen die Arbeitslosigkeit zuletzt gestiegen ist – nämlich von 5,4 (2014) auf sechs Prozent (Feber 2016). EU-weit lag die Arbeitslosenrate im Feber 2016 (saisonbereinigt) bei 8,9 Prozent, in der Eurozone bei 10,3 Prozent. Die „niedrigste Arbeitslosenquote“ in der Eurozone (EU-19) seit August 2011, in der gesamten EU seit 2009, wie der Pressemitteilung von Eurostat zu entnehmen ist. Allerdings liegt die Arbeitslosigkeit in der EU nach wie vor über dem Vorkrisenniveau. Und: Die veröffentlichten Arbeitslosenzahlen haben auch nur eine geringe Aussagekraft hinsichtlich der Qualität der Beschäftigung.

Wie Arbeitslosenquoten berechnet werden und was sie (nicht) aussagen

Warum liegen die Arbeitslosenquoten je nach Berechnung so weit auseinander? Das liegt daran, dass den ver­öffentlichten Arbeitslosenraten unterschiedliche Berechnungsarten zugrunde liegen:

  • Die „internationale“ Methode, die auch Eurostat anwendet, zieht zur Berechnung Umfragedaten aus dem Mikrozensus (Arbeitskräfteerhebung) heran. Arbeitslos ist demnach, wer während einer bestimmten Bezugswoche nicht erwerbstätig ist, aktiv einen Arbeitsplatz sucht und sofort (innerhalb von zwei Wochen) verfügbar ist. Dabei gilt bereits als erwerbstätig, wer in der Bezugswoche zumindest eine Stunde (!) gearbeitet hat, egal ob selbständig oder unselbständig. Die Anzahl der Erwerbstätigen wird dann allen (potentiellen) Erwerbspersonen (Selbst­ständige, Unselbständige, Arbeitslose) gegenübergestellt, woraus sich zwingend eine geringere Arbeits­losenquote ergibt, als bei der nationalen Berechnungsmethode. Hinsichtlich Qualität und Charakter der Beschäftigung liefert die internationale Methode keinerlei wirklich brauchbare Information – außer dass jede Beschäftigung zählt, was allerdings auch einiges über die „Qualität“ aussagt ….
  • In der nationalen Berechnung werden die Arbeits­losen dem Arbeitskräftepotential – das sind die sozialversicherungspflichtigen ArbeitnehmerInnen (also ohne geringfügig Beschäftigte) und die Arbeitslosen – gegenübergestellt. Die nationale Berechnungs­methode hat dabei – nicht zuletzt weil „prekär“ und atypisch Beschäftigte wie „neue“ Selbständige herausgerechnet sind – hinsichtlich der Qualität der Beschäftigungsverhältnisse (Arbeitszeit, Einkommen etc.) eine höhere Aussagekraft als die internationale Methode.

Entsprechend mit Vorsicht sind Jubelmeldungen über sinkende Arbeitslosenraten in Europa zu „genießen“. Im Zuge der Krise wurden europaweit – insbesondere in den Krisenländern – Arbeitsrechte massiv abgebaut, Kollektivverträge ausgehebelt, Löhne gekürzt, Arbeitsverhältnisse flexibilisiert, vielfach neue, atypische und prekäre Beschäftigungstypen – insbesondere für Jugendliche – geschaffen. Atypische Beschäftigung, schlecht bezahlt, instabil und sozialrechtlich nur unzureichend abgesichert, hat europaweit – auch in Österreich – weiter zugenommen.

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit in der EU wird daher zu einem wesentlichen Teil auf Beschäftigungszuwächse in diesem Segment zurückzuführen sein. Gerade bei Beschäftigungsverhältnissen mit geringem Stundenumfang handelt es sich dabei zusätzlich vielfach um eine Form „versteckter“ Arbeitslosigkeit – würden doch viele Betroffene gerne mehr Stunden arbeiten (und so mehr verdienen), allerdings fehlen die entsprechenden Vollzeit- und qualitativen Teilzeitarbeitsplätze.

21,6 Millionen: Rückläufige Arbeitslosigkeit in der EU …

Als arbeitslos – im Sinne der internationalen Definition – gelten in der EU insgesamt rund 21,7 Millionen Menschen, in der Eurozone 16,634 Millionen Personen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Arbeitslosigkeit um 1,97 Millionen (EU) beziehungsweise 1,3 Millionen (Eurozone) zurückgegangen. Ebenfalls leicht gesunken, aber nach wie vor auf hohem Niveau, ist die Jugendarbeitslosigkeit. Diese lag in der EU bei 4,381 Millionen Unter-25jährigen (19,4 Prozent), in der Eurozone bei 3,01 Millionen Betroffenen (21,6). Besonders hoch ist die Jugendarbeitslosigkeit dabei in Griechenland (48,9), in Spanien (45,3) und ­Kroatien (40,3). Vergleichsweise niedrig ist sie in Österreich (12,6), den Niederlanden (11,3) und Dänemark (10,2). Die geringste Jugendarbeitslosigkeit herrscht in ­Deutschland (6,9).

… steigende Arbeitslosenzahlen in Österreich

Im Vergleich zur europäischen Entwicklung ist, wie bereits erwähnt, die Arbeitslosigkeit in Österreich im ­letzten Jahr einmal mehr gestiegen.

  • Von März 2015 auf März 2016 ist die Arbeitslosigkeit (ohne SchulungsteilnehmerInnen) um 7634 Personen auf 367.576 Betroffene angewachsen. Die Arbeits­losenquote hat (nationale Berechnung) von 9,3 auf 9,4 Prozent geringfügig zugelegt.
  • Der leichte Anstieg im Vergleich zum Vorjahr ist auf die deutlich stärker steigende Frauenarbeitslosigkeit zurückzuführen.
  • Nach Altersgruppen aufgeschlüsselt ist insbesondere die Arbeitslosigkeit bei den Über-50jährigen deutlich angestiegen. Während bei den Jugendlichen die Arbeitslosenzahlen sinken (–3,5 Prozent oder 1642 Personen), steigt sie im Haupterwerbsalter (25 bis 49 Jahre) um 1,4 Prozent (+3085 Arbeitssuchende), bei den älteren ArbeitnehmerInnen allerdings gleich um 6,1 Prozent oder 5921 Personen.

Arbeitslosigkeit nach Bildungsabschluss

Auch wenn eine gute Ausbildung beziehungsweise „höhere“ Bildung schon länger keine Garanten mehr für „gute“ Jobs ist – ein niedriger Bildungsabschluss ist es noch viel weniger, wie die entsprechenden Zahlen zeigen. Über das gesamte Jahr 2015 gerechnet hatten als höchsten ­Bildungsabschluss:

  • 46,4 Prozent aller arbeitslos gemeldeten Personen maximal einen Pflichtschulabschluss
  • 32,6 Prozent eine abgeschlossene Lehre
  • 5 Prozent einen mittleren Schulabschluss (BMS)
  • 3,6 Prozent eine AHS-Matura
  • 3,6 Prozent eine BHS-Matura
  • 2,3 Prozent einen sonstigen höheren Schulabschluss
  • 6,1 Prozent einen Fachhochschul-, Akademie- oder Uniabschluss

Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings die Entwicklung: Während die Zahl der Arbeitslosen mit maximal Pflichtschulabschluss nämlich leicht rückläufig ist (–0,7 Prozent) ist sie bei den AkademikerInnen (+13,2 Prozent) und MaturantInnen (+10,5 Prozent) stark gestiegen. In absoluten Zahlen ausgedrückt beträgt die Zahl der Arbeitslosen mit maximal Pflichtschule mit 168.563 allerdings ein Vielfaches jener der arbeitslosen Akademiker­Innen (22.650).

„Frauenbranchen“ zuletzt vom Anstieg der Arbeitslosigkeit stärker betroffen

Stieg mit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise vor allem die Arbeitslosigkeit in der männerdominierten Industrie, ist spätestens seit 2012 ein deutlicher Anstieg auch in „frauendominierten“ Branchen zu verzeichnen. 2012 wurde mit dem „Fiskalpakt“ die bereits EU-weit praktizierte Sparpolitik bei öffentlichen Ausgaben in nationale Gesetzesform gegossen und verstetigt.

Gespart wurde dabei unter anderem im öffentlichen Dienst, bei Sozialleistungen, bei öffentlichen Investitionen. Von diesen Ausgabenkürzungen waren Frauen gleich zweifach betroffen:

  • Einerseits als unmittelbar Beschäftigte in überwiegend öffentlich finanzierten Bereichen wie Pflege, Betreuung, Gesundheit und Bildung,
  • andererseits als Arbeitnehmerinnen mit Kindern beziehungsweise pflegebedürftigen Angehörigen, die auf entsprechende öffentliche Einrichtungen angewiesen sind, um einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können.

Mit der in Folge rückläufiger öffentlicher Investitions­tätigkeit steigenden Arbeitslosigkeit und ökonomischen Unsicherheit, ging auch der private Konsum zurück, was wieder den – ebenfalls frauendominierten – Handel traf. Und trifft. Die Zahlen des Arbeitsmarktservice belegen das: Von 2014 auf 2015 stieg die Arbeitslosigkeit im Handel um zehn Prozent, im Gesundheits- und Sozialwesen – trotz Pflegenotstands – um 11,8 Prozent. Nur die – männlich dominierte – und besonders krisenanfällige Arbeitskräfteüberlassung, sprich „Leiharbeit“, war mit einem Anstieg von 10,6 Prozent ähnlich stark betroffen.

Auch der Vergleich der aktuellen März-Zahlen belegt einen überproportionalen Anstieg in den „typischen“ Frauenbranchen: Im Vergleich zum Vorjahr ist im März 2016 die Arbeitslosigkeit im Handel um 4,2 Prozent oder 2164 Personen gestiegen, im Gesundheits- und Sozialwesen um 7,1 Prozent beziehungsweise 612 Personen. In der männerdominierten Warenproduktion sank im gleichen Zeitraum die Arbeitslosigkeit dagegen um 0,7 Prozent (–239 Arbeitslose), in der Baubranche – dank günstigen Klimas – gleich um 3148 Personen oder sieben Prozent.

Dramatische Zuwächse bei Langzeitarbeitslosen

Mehr als eine Verdoppelung hat es bei den Langzeit­arbeitslosen gegeben: Die Zahl jener Arbeitssuchenden, die über einen Zeitraum von mehr als zwölf Monate arbeitslos gemeldet waren, ist von März 2015 auf März 2016 um 30.601 Personen (+126,8 Prozent) auf 54.736 Personen gestiegen.

Die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen insgesamt (das sind unter anderem Personen, die zum Stichtag

  • über 365 Tage arbeitslos gemeldet,
  • in Schulung,
  • auf Lehrstellensuche,
  • BezieherInnen eines Fachkräftestipendiums oder ­Ähnlichem waren)

ist innerhalb des letzten Jahres um 14,3 Prozent (+15.284) auf 122.540 Betroffenen angewachsen.

Dieser kurze Überblick über die aktuelle Arbeitsmarkt­situation im März 2016 zeigt jedenfalls eines deutlich: Es besteht dringender Handlungsbedarf. Es braucht schon ein ganzes Bündel an Maßnahmen,

  • von Arbeitszeitverkürzung
  • und öffentlichen Investitionen
  • hin zu einer stärkeren Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik auf nachhaltig wirkende Qualifikation und Integration,

um einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit und damit verbunden steigende Armutsgefährdung, soziale Ausgrenzung und Perspektivenlosigkeit wirkungsvoll ­verhindern zu können und die hohen Arbeitslosenzahlen wieder zurückzuführen.

Denn die Melange aus Perspektivenlosigkeit, Armut und sozialer Ausgrenzung ist nicht nur eine soziale Katastrophe, sondern nicht zuletzt auch brandgefährlich für die demokratische Verfassung unserer Gesellschaft. Und um die ist es derzeit ohnehin nicht besonders gut bestellt.

Quelle: Die Alternative

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