Zugegeben, ich bin schon seit längerer Zeit in Pension und zugegeben, ich bin kein Ökonom, aber die – man kann sagen jahrzehntelangen – Diskussionen um die 35-Stunden-Woche nerven mich immer noch.

Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Kürzere Arbeitszeit bedeutet bessere Erholung, weniger Krankenstände, höhere Produktivität und bessere Verteilung der Arbeit. Dem gegenüber stehen die Interessen der “Wirtschaft” (welche überhaupt?), die unverhältnismäßige Erhöhungen der Lohnnebenkosten, aber vor allem eine Verringerung der Gewinne befürchtet.

Die “Wirtschaft” bezweifelt auch, dass eine Senkung der Wochenarbeitszeit nicht zwangsläufig dazu führen wird, dass mehr Menschen in den Arbeitsprozess eingegliedert werden können.

Eh nicht, wenn die “Wirtschaft” nicht bereit ist mehr Menschen einzustellen, um ihre Gewinne nicht zu schmälern. Die Politik müsste sich halt durchsetzen und die 35-Stunden-Woche einführen. Das ist kein Thema, das nur die Gewerkschaften etwas angeht.

Arbeitszeitverkürzung: Umdenken

Vielleicht sollte man sich dieses “Gewinne machen” etwas genauer ansehen. Für mich ist ein Unternehmen gesund, wenn die Angestellten und ArbeiterInnen ordentlich und gerecht entlohnt werden, die ChefInnen auch gut verdienen und wenn Rücklagen gebildet werden. Darüber hinausgehende Gewinne, die hauptsächlich die ShareholderInnen interessieren, interessieren mich überhaupt nicht, schon gar nicht, wenn sie nicht auf alle Beteiligten gerecht verteilt werden.

Die Bedenken der “Wirtschaft” gründen sich auch auf die falsche Annahme, dass sie es ist, die die Arbeitsplätze schafft. Geht’s der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut! Das lässt sich aber genauso umkehren, wie der Spruch “Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir”. Es ist so, dass die derzeitige (und vorherige – die ExpertInnenregierung ausgeklammert) Regierung die Interessen der Wirtschaft präferiert und dem Prinzip “Die Wirtschaft schafft die Arbeit” huldigt.

Mensch erinnere sich an den hysterischen Ausbruch der Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) im Plenum: “Wer schafft die Arbeit? Wer schafft die Arbeit? Wer schafft die Arbeit? Na sorry, die Wirtschaft schafft die Arbeit. Bitte merkt‘s euch das einmal.”

Wir merken es uns, aber es ist schlichtweg falsch! Immer noch die Politik schafft die Grundlagen und Bedingungen für Arbeit und Wirtschaft – oder sollte es zumindest. Tut sie das nicht oder ordnet sie sich den Wünschen der Wirtschaft unter, könnte man die Politik ja gleich der Industriellenvereinigung überlassen…

Arbeitszeitverkürzung: Wo bleibt der Ansatz der gerechten Verteilung?

In der gesamten Diskussion stört mich auch immer wieder, dass da jeder Ansatz einer gerechten Verteilung fehlt. Wie wollen wir alle leben? Ist das richtig so, wie die Verteilung aussieht? Das fehlt in der Frage der Arbeitszeit genauso, wie in der Frage des Pensionsantrittsalters. Ist Lebensqualität wirklich weniger wichtig, als Gewinne und Profite der “Wirtschaft”?

Gerade die Situation der Pandemie müsste aber solche Fragen aufwerfen. Meiner Meinung nach wäre gerade jetzt die einmalige Chance für mehr Gerechtigkeit, für bessere Verteilung zu sorgen. Aber das sehe ich nicht. Ich sehe nur die Frage “Wie kommen wir möglichst schnell wieder zu den Zuständen vor der Pandemie?”

Die angestiegene Zahl der Arbeitslosen wird das aber nicht interessieren. Es wird sie interessieren, wie sie ihr Leben meistern können und nicht in Armut abrutschen. Eine 35-Stunden-Woche könnte da etwas bewirken. Natürlich.

Arbeitszeitverkürzung

Oder gleich weiterdenken?

Was auch helfen könnte, was zumindest angedacht werden sollte, ist die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Diesen Ansatz vermisse ich völlig. Dabei ersparte mensch sich die ganzen Streitigkeiten darüber, wer jetzt was bekommt und wieviel und mensch ersparte sich die Degradierung zum Bittsteller, der noch dazu die Unterstützung zu spät, zu gering oder gar nicht bekommt.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen hätte für mich auch den Vorteil, dass die Menschen wieder etwas arbeiten könnten, das ihnen Freude bereitet. Unabhängig von Zeitdruck und Existenzangst. Ich bin ganz sicher, dass da viele neue Ideen entstehen könnten, die allen zugutekommen.

Woher das Geld kommen soll? Ist mir egal, sorgt dafür! Wer Milliarden an Hilfe aufstellen kann – die müssen auch von irgendwoher kommen – kann auch das Grundeinkommen finanzieren. Ob Vermögenssteuer, Maschinensteuer oder wie immer man dazu sagen will.

Ich bin eben für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Bedingungslos.

Das wäre es aus dem Off eines Pensionisten und ja, die 35-Stunden-Woche ist auch gut.

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