Bereits 2001 forderte der Europarat das Bereitstellen solider, rechtlicher Grundlagen für die Tätigkeit der Sozialarbeiter*innen. Der Gesetzesentwurf liegt am Tisch, wurde nach vielem Hin und Her 2015 an die damaligen Stadträt*innen übergeben. Und seit dem – NICHTS

Die gesetzliche Absicherung der sozialen Arbeit mit einem Berufsgesetz Sozialarbeit/ Sozialpädagogik ist seit langem ein Wunsch. Ein Berufsgesetz ist vor allem deshalb wichtig, um eine Qualitätssicherung durch eine Festlegung der Aus- und Fortbildungsstandards zu erreichen. Auch eine Disziplinarordnung (Disziplinargewalt eines Gremiums bei Nichteinhaltung von festgelegten Standards) und eine Regelung der Verschwiegenheitspflicht, sowie Ausnahmen von der Anzeigepflicht mit Festlegung der Konsultationspflicht sind nötig.

Unüberschaubare Vielfalt

Aktuell reicht das Herkunftsfeld von Menschen in der Sozialarbeit/ Sozialpädagogik von Psychologie, Soziologie über Gesundheitsausbildungen bis zu einigen Dutzend Zertifikaten teils privater Akademien, Coachinginstituten und Kursanbieter bis zu einschlägigen Studien an Fachhochschulen. Die Vielfalt ist fast unüberschaubar. Das Problem dabei ist, dass sich von überall Leute für Sozialarbeiter*innenjobs bewerben. „Es fehlten meistens basale Fertigkeiten für die tatsächliche Tätigkeit“, so Wolfgang Kramer, Geschäftsführer der Suchthilfe Dialog. Die Bologna-Regelungen des Studienbetriebes, wonach etwa auf einen Bachelor in Volkswirtschaftslehre ein Master in Soziale Arbeit aufgesetzt werden kann, sind da auch nicht hilfreich.

Daher klar gefordert: Die Ausbildungswege müssen eingegrenzt und festgeschrieben werden auf die einschlägigen Fachhochschulstudien und, für Sozialpädagogik, auf bestehende Colleges. Standards für die Weiterbildung gehören ebenso festgeschrieben wie Qualitätssicherung und -überprüfung. Aber auch ethische Standards sind zu fixieren, reicht das Arbeitsfeld sozialer Arbeit ja auch tief in Menschenrechtsfragen hinein.

Klingt klar und einleuchtend, eröffnet aber tatsächlich ein Dilemma, wenn nicht eine Menge Dilemmata. Zum einen haben die großen Sozialorganisationen kein besonderes Interesse, ihre gut eingeführte Organisation, in der das Management das Sagen hat, von einem Berufsgesetz „stören“ zu lassen. In den Ländern und ihren Organisationen, von der Jugendwohlfahrt bis zur Altenhilfe, ist das oft ähnlich – sie sehen zumindest keinen dringenden Bedarf an einem Berufsgesetz.

Nur nicht zu viel ändern?

Nicht zuletzt würde auch in Entlohnungsfragen eine neue Transparenz einkehren, vielleicht eine Kostensteigerung. Und es müssten sich vermutlich andere Berufsgruppen, etwa Psychotherapeuten oder Psychologen, auch wieder ein Stück weit zurückziehen aus den Feldern, die Sozialarbeiter beanspruchen, von der Schuldnerberatung über den Strafvollzug bis zur Erwachsenenvertretung. Zumindest ginge es in vielen Institutionen darum, die multiprofessionellen Teams anders zu ordnen. Statistisches Material dazu fehlt jedenfalls. Bekannt ist nur so viel: Im sozialen Bereich arbeiten rund eine halbe Million Menschen in Österreich.

Auszug aus der Presseaussendung vom 9.3.2022 des OBDS – Brief an den neuen Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch

[…] Ein wichtiger Schritt, um die in diesen Feldern tätigen Berufsgruppen bei ihrer Arbeit zu stärken, ist dabei auch die Umsetzung des im Regierungsprogramm festgeschriebenen Berufsgesetzes für die Soziale Arbeit. Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen brauchen eine österreichweit einheitliche Regelung ihrer Berufe! Der obds ist die Interessensvertretung der Fachkräfte der Sozialen Arbeit (Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen)

Ist die Forderung nach einem Berufsgesetz also berechtigt?

Michael Meyer, Professor für Nonprofit-Management an der WU Wien, versteht die Klage des Verbandes „aus professionssoziologischer Sicht“: Die Profession verliere an Einfluss und Macht und werde in Organisationen von Managern abgelöst. „Die Klagen des Berufsverbandes sind berechtigt“, resümiert Meyer, der auch eine „historisch belegte Abwertung der Sozialarbeit“ sieht, die es erst sehr spät in das akademische Ausbildungsfeld geschafft hat. Das habe allerdings auch mit der Organisation des Wohlfahrtsstaates in Österreich zu tun.

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