Seit Feber diesen Jahres liegt der Text des von der EU-Kommission und der Kanadischen Regierung verhandelten Freihandelsabkommens (CETA) offiziell auf dem Tisch.
CETA enthält ein Investitionsschutzkapitel, welches den umstrittenen Investor-Staat-Klagemechanismus (ISDS: Investor-State Dispute Settlement) vorsieht.
Dies dient nicht etwa der Regulierung der Geschäftspraktiken internationaler Investoren, sondern es legt fest, welche Pflichten sich die Staaten auferlegen und welche (Klage-)Rechte den Investoren (Unternehmen) gegeben werden.
Sprich: Konzerne sollen Staaten vor privaten Gerichten Klagen können. Dies hat einen Sturm an Protesten ausgelöst, an dem sich zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und GewerkschafterInnen beteiligt haben.
Raider heißt Twix und ISDS heißt ICS
Die EU-Kommission gibt vor, die Kritik ernst zu nehmen und verspricht die Schaffung eines neuen Investitionsgerichts (ICS) anstelle privater Schiedgerichte. Doch das ist reines Nebel-Werfen, denn fast alle Grundfehler der Schiedsgerichte bleiben auch im Modell des Investitionsgerichts enthalten.
Unter anderem besteht es eben nicht aus unabhängigen Richtern. Der deutsche Richterbund kommentiert den Vorschlag folgendermaßen:
„Durch das ICS würde nicht nur die Rechtssetzungsbefugnis der Union und der Mitgliedstaaten eingeschränkt, auch das etablierte Gerichtssystem innerhalb der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union würde geändert werden.“
„Weder das vorgesehene Verfahren zur Ernennung der Richter des ICS noch deren Stellung genügen den internationalen Anforderungen an die Unabhängigkeit von Gerichten.“
Auf Basis dieser Rechte finden Klagen statt wie die von Vattenfall gegen den deutschen Atomausstieg oder die Klage von Philipp Morris gegen Uruguay wegen Maßnahmen zum Nichtraucherschutz.
Sonderklagsrechte für einzelne Gruppen, in diesem Fall ausländische Konzerne, lehnen die AUGE/UG ab. Rechtliche Probleme sind zu beheben. Aber unabhängige Gerichte müssen die Instanz sein, die über das Einhalten der Gesetze befindet.
Die Zeit drängt: EU-Kommission will im Juni abstimmen
CETA soll vorläufig in Kraft treten, ohne dass die nationalen Parlamente zuvor grünes Licht gegeben haben. Dies belegt das Protokoll vom EU-Handelsausschuss vom 16. März 2016. Das für Österreich verhandelnde Wirtschaftsministerium will bei dieser Umgehung der nationalen Parlamente zustimmen.
„AT gehe davon aus, dass es sich bei CETA um ein ,gemischtes‘ Abkommen handle und die von der EK vorzulegenden Entwürfe für die erforderlichen Beschlüsse diesem Aspekt Rechnung tragen werden. Einer vorläufigen Anwendung entsprechend der Kompetenzverteilung könne AT zustimmen“ (Protokoll des EU-Ratsausschuss Handelspolitik vom 16. März; Seite 4).
Diese Aussage bedeutet, dass Österreich beabsichtigt, CETA in der vorliegenden Form im Rat zuzustimmen und auch der vorläufigen Anwendung grünes Licht gibt.
Aus einem Gutachten des Deutschen Bundestages (Unterabteilung Europa) geht hervor, dass die vorläufige Anwendung nicht nur für eine Übergangsfrist ein Übergehen des Willens der nationalen Parlamente darstellt. Sie kann eine Aushebelung der Demokratischen Institutionen auf Dauer sein.
In dem Dokument heißt es konkret:
„Das Unionsrecht sieht jedoch keine Regelung für eine Aufhebung des Ratsbeschlusses nach Art. 218 Abs. 5 AEUV im Fall der gescheiterten Ratifikation eines vorläufig anwendbar erklärten völkerrechtlichen Vertrages vor. So gibt es keine Rechtspflicht, die vorläufige Anwendung des Abkommens im Falle des Scheiterns der Ratifikation zu beenden“.
Mit der Zustimmung zur vorläufigen Anwendung von CETA, soll also das (österreichische) Parlament ausgehebelt werden. Erst wurde uns in Bezug auf mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen zu Freihandelsabkommen erklärt, wenn fertig verhandelt sei, würde alles offengelegt und der Nationalrat habe die Möglichkeit das Ergebnis abzulehnen.
Jetzt stellt sich heraus, dass Mitterlehner und seine KollegInnen die KritikerInnen der Freihandelsabkommen einfach umschiffen und den Rechtsstaat aushebeln wollen. Diesen schmutzigen Trick dürfen wir uns nicht gefallen lassen.
Was die AUGE/UG will:
CETA, TTIP und Co stoppen – wir brauchen fairen und keinen freien Handel!
ArbeitnehmerInnen-Interessen, KonsumentInnen-Interessen, Umweltschutz- und Gesundheitsinteressen, dürfen nicht zu Gunsten von Profit-Interessen geopfert werden.
Österreich muss sich klar gegen eine vorläufige Anwendung von CETA aussprechen. Ein guter Weg wäre, den Minister durch einen Parlamentsbeschluss daran zu binden.
Geschrieben von Jens Karg
Quelle: Die Alternative