Wenn ihr nur schneller betreuen würdet, könntet ihr mehr Kinder aufziehen.

Was ist Care-Ökonomie?

Klingt irgendwie seltsam? Ist es auch.

Man kann immer schneller Laptops, Fernseher und Autos produzieren, aber nicht schneller Menschen pflegen, unterrichten, Kinder aufziehen, kochen oder einkaufen. Die Arbeit bleibt durchgehend gleich personalintensiv und zeitaufwändig und die Anzahl an benötigten Arbeitskräften kann durch den Einsatz von Maschinen, anders als in anderen Sektoren, nicht gesenkt werden, die Arbeitsproduktivität (der „Output“) nicht erhöht.

Es kann folglich im Care-Bereich zu keiner Steigerung der Wertschöpfung pro Erwerbsstunde, also zu keinem Wachstum kommen, während die Inflation sich natürlich trotzdem auf den Care-Sektor und die dort benötigten Güter auswirkt und sich die Löhne an jenen Sektoren orientieren, wo der technische Fortschritt schon zu höherer Produktivität führt.

Eine Folge davon ist, dass die Ausgaben für den Care-Bereich relativ gesehen ansteigen, sodass der Anteil dessen, was der Staat für soziale Sicherheit ausgeben muss, beständig zunimmt, v.a. im Unterrichts-, Gesundheits- und Sozialwesen, ohne dass davon etwas sichtbar in die Staatskasse zurückfließt.

Scheinbar mangelnde Effizienz

Eine direkte Folge davon ist wiederum, dass die scheinbar mangelnde Effizienz im Care-Bereich problematisiert wird: Der Druck auf die Löhne steigt, es kommt zu Personalkürzungen und Lohnsenkungen, während gleichzeitig unter anderem durch die Überalterung, wachsende Nachfrage nach Kinderbetreuung und die Fortschritte in der Medizin immer mehr Care-Arbeit gebraucht wird.

Frauen sind von dieser Entwicklung teilweise doppelt betroffen, denn während im Gesundheits-, Pflege- und Bildungsbereich deutlich mehr Frauen als Männer arbeiten, leisten sie auch immer noch den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit, wie Kinder betreuen, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit, etc. Durch diese unbezahlte Care-Arbeit entgeht den Frauen zusätzlich Einkommen, da sie oftmals nach Familiengründung nur noch Teilzeit arbeiten können. Die Höhe dieses Einkommensverlustes beträgt einer Schweizer Studie von 2010 zufolge jährlich 108 Milliarden Franken (113,4 Milliarden Euro) – ein Betrag, der den Frauen dann natürlich bei der Berechnung der Pensionshöhe fehlt.

Unbezahlten Care-Arbeit

Dieselbe Studie vergleicht auch den Wert der unbezahlten Care-Arbeit, die Frauen täglich leisten (auch, um der Wirtschaft neue Arbeitskräfte und KonsumentInnen zur Verfügung zu stellen), mit dem gesamten BIP der Schweiz 2010 und kommt zu einem beachtlichen Ergebnis: Der Wert der unbezahlten Care-Arbeit betrug 2010 367,6 Milliarden Franken (386 Milliarden Euro), das Schweizer BIP 574,3 Milliarden Franken (603 Milliarden Euro).

Das ist ein Verhältnis von mehr als 3 zu 5 – und eine Menge an Arbeit, die dem Staat (und der Wirtschaft) direkt zugutekommt, von ihnen aber nicht anerkannt wird, so wie auch die bezahlte Care-Arbeit geringgeschätzt wird, da sie Millionen kostet und sich nicht direkt rentiert.

Wertschätzung und Verantwortung

sind hier die Schlüsselworte. Denn während momentan ziemlich viel über die Zukunft des Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereichs entschieden wird, bleibt weiterhin offen, wie die arbeitsintensive Care-Arbeit in Zukunft gesellschaftlich organisiert wird – auch in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit und die soziale Gerechtigkeit.

Die Anerkennung der Leistung von KollegInnen im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich, statt einer ständigen Problematisierung steigender Kosten für die öffentliche Hand, und das Wissen um die Mechanismen, die sich auf diese Bereiche auswirken, wären da schon ein guter Anfang.

Denkanstoß

Will man weitergehen, könnte man sich ja auch die 1:1 Anrechnung von Karenzzeiten als Arbeitszeit – sowohl für die Pension, als auch für die Vorrückungen – und ihre Berücksichtigung bei allen zeit­abhängigen Rechten (Urlaubsstichtag, Vorrückung, Jubiläumsstichtag), wie es die KIV/UG auch bei der Landeskonferenz 2014 gefordert hat, sowie weitere Bemühungen zur Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern (Stichwort Gendermainstreaming) überlegen. Nur so als Denkanstoß.

Was ist Care-Ökonomie?

Die Care-Ökonomie beschäftigt sich mit der bezahlten und unbezahlten Arbeit, die direkt der Sorge für und Versorgung von Menschen dient.

Der Begriff „Care-Ökonomie“ setzt dabei voraus, dass wir alle Sorge- und Versorgearbeit brauchen, nicht nur um zu leben und Erwerbsarbeit leisten zu können, sondern als Teil unseres Lebensstandards. Die Care-Ökonomie bezieht sich also auf den Gesundheitsbereich, den Sozial- und Bildungsbereich.

Die Untersuchungen der Care-Ökonomie, welche Mechanismen und Faktoren sich auf diese Bereiche auswirken, sind besonders für KollegInnen interessant, die in eben diesen arbeiten (seien es Kranken­pflegerInnen, KindergärtnerInnen oder SozialarbeiterInnen), und für Frauen doppelt wichtig.

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