Finanzplan 2019/20: Sparen um jeden Preis?

Die Stadt Wien peilt für das Jahr 2020 ein Nulldefizit an, im kommenden Jahr soll der Schuldenstand allerdings nochmals um 188 Mio. steigen. Damit erhöht sich der Gesamtschuldenstand der Stadt Wien auf 6,9 Milliarden Euro, was einer pro Kopf Verschuldung von 3863 Euro entspricht.

Wien liegt damit im Bundesländervergleich im Mittelfeld. Diesen Budgetvoranschlag hat der zuständige Finanzstadtrat Peter Hanke präsentiert und verweist auch gleich darauf, dass er aus früheren Jahren bei der Wien Holding dafür bekannt ist, seine Budgets einzuhalten.
Verantwortlich für den verringerten Schuldenstand sind allerdings in erster Linie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Sprich gutes Wirtschaftswachstum von derzeit 2,8 Prozent, mit einhergehend fallenden Arbeitslosenzahlen. Ersteres führt zu höheren Steuereinnahmen (Kommunalsteuer), letzteres zu geringeren Sozialausgaben. Gemeinsam mit der Modernisierung der Strukturen und dem Einsatz neuer Technologien, von denen man sich mehr Effizienz, besseres Service und Spareffekte erwartet, wäre alles andere auch verwunderlich.
Diskutiert und debattiert wurde über den Voranschlag 2019 im Finanzausschuss des Wiener Gemeinderates in gemeinsamer Sitzung mit dem Stadtsenat am 13. November 2018. Die Debatte und Beschlussfassung im Gemeinderat erfolgte am 26. und 27. November 2018 im Wiener Gemeinderat.

Wofür gibt die Stadt nun also ihr Geld aus?

Den weitaus größten Brocken frisst die Gesundheit. Auffällig ist hier der eklatante Sprung von zuletzt 2,17 Mrd. auf 4,32 Mrd. Euro. Das ergibt sich durch die noch zu beschließende neue Struktur des städtischen Spitalsbetreibers Krankenanstaltenverbund als Anstalt öffentlichen Rechts, die 2019 schlagend wird. Dadurch wird das KAV-Budget nicht mehr extra ausgewiesen, sondern schlägt im Zentralbudget der Stadt auf, erklärte Hanke.
In den Sektor Soziales – dazu zählt auch die Mindestsicherung – fließen rund 2,1 Mrd. Euro (plus 8,91 Prozent). Investitionen will Wien im Umfang von 2,6 Mrd. Euro (plus 7,7 Prozent) tätigen – knapp ein Drittel erhalten allein die Wiener Stadtwerke. Weiteres Geld wird hier etwa zwecks Trinkwasserversorgung oder für Wirtschaftsförderung ausgegeben. Den Bildungsbereich lässt sich das Rathaus 1,75 Mrd. Euro (plus 8,25 Prozent) kosten. „Wir bauen 2019 mehr als 100 neue Schulklassen“, nannte der Stadtrat als Beispiel. Die Kinderbetreuung schlägt mit 865,44 Mio. Euro (plus 2,21 Prozent) zu Buche.

Schönes Gerede?

Schulklassen und Kindergartengruppen zu schaffen, klingt jetzt auf den ersten Blick schön. Ohne die entsprechende Personalausstattung wird das aber nichts bringen. Gerade in der Kinderbetreuung ist es so, dass bereits jetzt die Gruppengrößen derart angewachsen sind, dass von Betreuung nicht mehr gesprochen werden kann, was eine Personalabwanderung in den privaten Bereich bzw. andere Bundesländer, die bessere Rahmenbedingungen als die Stadt Wien bieten, zur Folge hat. Hier ist Wien also auch gefordert, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass man als attraktive Arbeitgeberin wahrgenommen wird.
Digitalisierung kann auf der einen Seite natürlich zu Einsparungen führen, weil man Standardprozesse, die keiner besonderen Kundenbetreuung bedürfen, automatisieren kann. Auf der anderen Seite stehen aber die Kosten für die Digitalisierung, Lizenzgebühren für die Software, die entsprechende Ausstattung der Dienststellen mit dem technischen Equipment und letztendlich die Wartung der EDV. Insgesamt muss das also nicht unbedingt zu Einsparungen führen, da z.B. (billige) Routinearbeiten automatisiert werden, dafür aber wesentlich teureres, qualifiziertes Personal für die digitalen Arbeitsplätze erforderlich ist. Über die Datensicherheit wollen wir an dieser Stelle gar nicht reden. Grundsätzlich geht es offensichtlich darum, KundInnenkontakte so weit als möglich zu reduzieren und durch automatisierte Lösungen zu ersetzen. Ob dies, wie im Interview in Wien Heute vom 30.10.18 verlautet, tatsächlich zu einer Erhöhung der Servicequalität führen wird, bleibt abzuwarten.

Sozialer Ausgleich nötig

Darüber hinaus wäre es Aufgabe der Gemeinde Wien, unter einer sozialdemokratischen Stadtregierung für einen sozialen Ausgleich zu sorgen, um Benachteiligungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen, die digitalen Technologien gegenüber noch nicht affin sind, hintanzuhalten. So wird durch die forcierte Digitalisierung ein nicht unbeträchtlicher Teil der Menschen von Angeboten einfach ausgeschlossen bzw. ist ein Teil der Kosten, die sich die Stadt Wien erspart, durch den einzelnen Bürger zu tragen, wie wir das ja schon aus dem Bankenbereich (Stichwort: Onlinebanking) oder auch in Supermärkten kennen, wo Kassenpersonal durch Selbstbedienungskassen eingespart wird und der Kunde diese Arbeit unbezahlt erledigt. Denn die Beschaffungskosten von Smartphones oder Notebooks oder die anfallenden Providerkosten für den Internetzugang trägt der einzelne Bürger und nicht die Stadt Wien. Nicht zu reden von den vielen Stunden unbezahlter Schulungen, in denen die meist jüngere Generation den Älteren die Nutzung dieser Technologien näherbringt.

Als Bürger verfestigt sich der Eindruck, dass Digitalisierung vordergründig dazu dient, eine bessere Dokumentation aller Prozesse und Interaktionen zwecks Absicherung des Dienstgebers zu erreichen und die Dienstnehmer in Big Brother Manier zu überwachen. Die Zeit, die für Dokumentation benötigt wird, fehlt dann im direkten Kundenkontakt. Bsp: Pflegepersonal in Spitälern, Betreuung in Kindergärten. Willkommen in der schönen neuen Arbeitswelt!

Grafik: Kstudio / Freepik

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