Die Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen 2015 sind geschlagen.

Ohne Zweifel waren es die grauslichsten Wahlen, die Wien in einer Demokratie erleben durfte, wurde doch gegen Minderheiten und Flüchtlinge mobil gemacht, Ängste massiv geschürt. Und zwar von so gut wie allen wahlwerbenden Parteien und Gruppierungen. Die einen schürten die Angst vor einer diffusen Überfremdung mit den ihr zugewiesenen Begleiterscheinungen (von denen manche so abstrus waren, dass sie schon einem guten Kabarettprogramm ähnelten), die anderen die Angst vor einem Sieg dieser im Volksmund liebevoll „Dahamistenpartei“ genannten Fraktion. Dazu kam noch ein von Parteien und Medien hochgeputschtes Duell um Wien, manchmal auch als „Oktoberrevolution“ oder „Schlacht um Wien“ deklariert – man sieht, es waren keine Klischees zu dumm um nicht doch die eine oder andere Stimme einzufangen. Persönliche Anfeindungen und Diffamierungen von Spitzenkandidaten inklusive.

Die kleineren Parteien und Gruppen hatten damit von vornherein schlechte Karten, da die beiden „Großen“ die Themenführerschaft sofort an sich rissen, ein Einschwenken auf diese musste ganz einfach nach Plagiat aussehen – auch wenn dem real nicht so war. Es blieb allerdings bis zum Ende spannend wer als Erster ins Ziel laufen würde. War es der beliebte Langzeitbürgermeister oder sein ungestümer, oftmals die Grenzen des guten Geschmacks weit überschreitender Herausforderer – erst am Wahlabend lichtete sich das Dunkel.

Da wurde es klar, dass das Duell um Wien in Wirklichkeit keines war, zu deutlich (nach Auszählung der Wahlkarten noch deutlicher) war der Vorsprung der regierenden Sozialdemokraten auf ihre Herausforderer der FPÖ. 8,8 Prozentpunkte betrug er am Ende der Auszählung inklusive Wahlkarten. Die anderen Parteien spielten nur am Rande mit – vor allem als Stimmenlieferanten: Die ÖVP fiel auf ein historisches Tief von unter 10 Prozent und auch die Grünen verloren 0,8 Prozentpunkte auf das Ergebnis von 2010. Dafür haben wir jetzt eine hippe, vollkommen neue und junge Partei namens NEOS im Gemeinderat: Überzeugende 6,2 Prozent wurden eingefahren, ein in dieser Höhe nicht geglaubter Erfolg, war es doch die letzte Chance für die NEOS in einem Bundesland zu reüssieren. Beate Meinl-Reisingers „Anti-Korruptions-Wahlkampf“ verbunden mit einem Robin-Hood-haften Einsetzen für den „Kasnudl-Michi“ zeigten offenbar Wirkung.

Vollkommen danebengegriffen haben die neuen wahlwerbenden Bündnisse „Wien Anders“ sowie „Gemeinsam für Wien“ des türkischen Allgemeinmediziners Taskiran. Letzter wollte die türkischen Stimmen, nach dem letzten Wahlkampf der Häupl-SP sträflich vernachlässigt und übervorteilt, bündeln. Dies gelang nicht, ebenso wenig die Bemühungen von „Wien Anders“ für eine Kommune der Zukunft in der die Stadt der Gesellschaft der Zukunft angepasst werden sollte.

Wien-Wahl 2015 gesamt:

  • SPÖ 39,6%
  • FPÖ 30,8%
  • Grüne 11,8%
  • ÖVP 9,2%
  • Neos 6,2%,

ORF.at

Die auf Bezirksebene kandidierenden Kleinparteien hatten ebenso unterschiedlich (schlechte) Erfolge in diesem Wahlkampf.

Überhaupt war die Unzahl an Plakaten, Werbeveranstaltungen und Verteilaktionen für die WählerInnen schnell ermüdend, wusste Mensch nicht genau wohin er gehen und schauen musste, um nicht von irgendeiner Partei „bespaßt“ zu werden – es war schlichtweg ein Unding nicht irgendwo über jemanden zu stolpern. Auch die Medien, vor allem die Gratisblätter und das Fernsehen, taten ihr Übriges dazu, die Wahl anzuheizen.

Seit 13. Oktober 2015 steht nun das Wahlergebnis inklusive der Wahlkarten fest. Und es hat auf Bezirksebene einige Überraschungen gebracht. Der große Wahlverlierer, die ÖVP, hat – wenn sich nichts mehr bei den Nachzählungen ändert – vier Bezirke gewonnen, der zweite (leichte) Wahlverlierer, die Grünen, haben zwei Bezirke erobert und die in absoluten Zahlen ausgewiesene Gewinnerpartei FPÖ erhält nur einen Bezirk. Der Rest von 16 Bezirken gehört nach wie vor der SPÖ.

Bezirksvertretungswahlen:

  • FPÖ 1 (Simmering),
  • Grüne 2 (Neubau, Währing)
  • ÖVP 4 (Innere Stadt, Josefstadt, Hietzing, Döbling),
  • SPÖ 16 (restl. Bezirke)

Wahlergebnisse

Wenn man sich die Bezirksvertretungsergebnisse ansieht erkennt man ganz klar, dass es in Wirklichkeit nie ein „Duell um Wien“ bzw. eine „Schlacht um Wien“ gegeben hat, zu deutlich ist das Verhältnis dieser Wahlen ausgefallen. So paradox es klingt: auf Bezirksvertretungsebene ist die ÖVP nach wie vor der erste Herausforderer der Roten. So paradox können Wahlen letztendlich sein.

Was ergibt sich aus dieser Wahl: Die Anzahl der möglichen Koalitionen sind überschaubar, es geht sich entweder Rot-Grün oder Rot-Schwarz aus, da Häupl ja eine Koalition mit der FPÖ explizit ausgeschlossen hat. In dieser Hinsicht interessant würde es nur dann werden, wenn Michael Häupl nach der Wahl zeitnah zurücktreten würde. In den Bezirken werden die Vertretungen neu gemischt, neue Aufgaben warten auf die MandatarInnen aller Parteien. Für Rot ist das vordringlichste Ziel ein Rückholen der Kernwählerschaften in den Gemeindebauten, die Grünen müssen noch mehr zu ihrer ursprünglichen Linie finden, da der „Bobowahlkampf“ nicht das gewünschte Ergebnis gezeigt hat. Was man von Blau erwarten kann weiß man ohnehin, da diese Partei im Dauerwahl­kampfmodus ist (und dabei Unsummen an Parteienförderung rausbläst – Stichwort: Unser Geld für Unsere Leute!) – bleiben nur die NEOS, von denen man nicht weiß ob und was sie tatsächlich zu leisten willens oder imstande sind. Für den Gemeinderat ist wichtig, dass die FPÖ eine Sperrminorität hat und auch einen Vizebürgermeister stellen darf. Im Gespräch für diese Position ist Johann Gudenus.

Interessant ist auch, dass die Höhe des Ausländeranteils in den Bezirken für die Wahlentscheidungen unerheblich waren: Im 15. Bezirk – traditionell mit dem höchsten Ausländeranteil – kam die FPÖ auf 26,4%, also weit unter dem Gesamtergebnis, in Liesing, jenem Bezirk mit dem niedrigsten Ausländeranteil auf 34,35 %, was weit über dem Gesamtergebnis liegt. In Neubau sind es bei einem Ausländeranteil von 26,4 % gar nur 15,9%, dafür in Favoriten (30,8 % Ausländeranteil) unglaubliche 39,35 %. Daraus kann man schließen, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Wahlergebnis FPÖ und jeweiligen Ausländeranteil in den Bezirken gibt. 
Ausländeranteil für FPÖ-Zugewinne irrelevant

Wahlbeteiligung: 74,75 %

Bleiben noch die vielen Nichtwähler. Zwar ist die Wahlbeteiligung heuer deutlich höher als beim letzten Mal gewesen, trotzdem haben 25,25 % der WienerInnen nicht gewählt. Damit wären sie rein rechnerisch drittstärkste Kraft im Gemeinderat. Sie zu motivieren, sich für eine Partei zu entscheiden und an unserem Wien mitzuarbeiten, wird eine der Aufgaben sein, denen sich alle wahlwerbenden Gruppen in den nächsten fünf Jahren stellen müssen.

Erste Konsequenzen personeller Natur sind auch schon eingetreten, noch am Wahlabend hat Manfred Juraczka das Handtuch geworfen, ob die grüne Frontfrau Maria Vassilakou sich an ihr Versprechen erinnert, bleibt noch abzuwarten. Immerhin geht es da um das „Saubermann/frauenimage“ der Partei und deren bisherige Handschlagqualität. Bei den anderen Parteien wird sich wohl nur auf Bezirksebene etwas ändern, so wird die bisherige rote Bezirksvorsteherin des 11. Bezirkes, Eva-Maria Hatzl, durch einen Blauen abgelöst und Ursula Stenzel muss ihren Bezirksvorstehersessel Innere Stadt für den Großneffen von Leopold Figl, Markus, räumen. Da hat der vermeintliche blaue Turbo für konservative Wähler nicht so recht gezündet. Überhaupt kann man zum (Dauer)Wahlkampf der FPÖ nur sagen: Viel Wind um Nichts!

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