Digitalisierung: Was sind die Chancen und Risiken der Digitalisierung in puncto Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Was macht sie zu Fluch und Segen in Gesundheit und Pflege? Und was passiert in einer vernetzten Arbeitswelt mit unseren Daten?
Was ist „die Digitalisierung“ überhaupt?
Die Digitalisierung des Arbeitslebens – und was sie mit uns macht
Digitalisierung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Digitale Arbeitswelt in Gesundheit und Pflege
Digitalisierung und Datenschutz
Digitalisierung bei der Gemeinde Wien
Die Aufgaben der Gewerkschaften
Ausblick
Was ist „die Digitalisierung“ überhaupt?
„Digitalisierung“ ist ein Oberbegriff für den digitalen Wandel der Gesellschaft und der Wirtschaft der letzten Jahrzehnte. Er bezeichnet den Übergang vom Industriezeitalter, das von analogen Technologien geprägt ist, hin zum Internet-Zeitalter, das durch digitale Technologien und digitale Innovationen geprägt wird. In der Arbeitswelt geht die Digitalisierung oft mit der Flexibilisierung, also der Reduzierung festgefügter Inhalte, Strukturen und Arbeitszeiten, einher. Diese Veränderungen im Berufsleben werden auch Arbeitswelt 4.0 genannt.
KritikerInnen assoziieren mit der Digitalisierung der Arbeitswelt oft die Beschleunigung von Arbeitsprozessen und den Verlust von Arbeitsplätzen. BefürworterInnen sehen darin die Chance auf ein Zeitalter der Kreativität, der Wissens und der Arbeitserleichterung. Doch was bedeutet die Digitalisierung für uns?
Die Digitalisierung des Arbeitslebens – und was sie mit uns macht
Die Digitalisierung ist ein fester Bestandteil unseres Alltags und unseres Arbeitslebens geworden. Internet, Smartphone und Social Media werden privat und beruflich von fast 90% der ÖsterreicherInnen genutzt. Durchschnittlich verbringen die ÖsterreicherInnen an einem normalen Wochentag 118 Minuten im Internet, größtenteils, um E-mailnachrichten zu senden oder zu empfangen oder um über Kurznachrichtendienste wie WhatsApp zu kommunizieren.
Während die Digitalisierung in vielen Berufen einerseits eine Erleichterung bedeuten kann, bringt sie andererseits oft auch zusätzlichen Arbeitsaufwand mit sich. Auch eine dauernde Arbeitsplatzunsicherheit kann die Folge sein. Die Frage: „Wird meine Tätigkeit morgen noch gebraucht?“ drückt auf die Psyche. Um den Arbeitsplatz zu behalten, sind Menschen zu Opfern bereit. Sie lassen sich Arbeiten unter hohem Zeit- und Leistungsdruck abverlangen und sind zu hoher beruflicher Mobilität und zum Pendeln vom und zum Arbeitsplatz bereit.
Eine permanente Erreichbarkeit, auch außerhalb der Dienstzeit, und eine damit verknüpfte bedrohte oder schon verloren gegangene Trennung von beruflicher und privater Sphäre ist die Folge. Darunter leiden die seelische und körperliche Regeneration nach dem Arbeitstag und das Privatleben, das von einer Verarmung bedroht ist. Etwas, was in diesem Zusammenhang auch gerne ausgeblendet wird: Das Burnout-Risiko steigt mit der zunehmenden Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Freizeit.
Digitalisierung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Viele ArbeitnehmerInnen sehen die Möglichkeiten der Digitalisierung in Bezug auf Arbeitsort und Arbeitszeit als großen Pluspunkt. Sie versprechen sich davon mehr Autonomie und Selbstbestimmung und erhoffen sich eine bessere Work-Life-Balance, z.B. durch die Arbeit im Homeoffice. Gerade für Erwerbstätige mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen kann das wünschenswert sein und auch einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit für Frauen bieten.
Doch leider gibt es auch große Nachteile dieser flexibleren Arbeitsformen, die die Digitalisierung ermöglicht. Diese Nachteile sind in der betrieblichen Praxis bestens bekannt und auch durch die Forschung gut belegt. Sie umfassen die um sich greifende „Verfügbarkeitskultur“, in der ArbeitnehmerInnen durch digitale Medien grenzenlos und ständig erreichbar sein müssen. Gefühlt gibt es keine oder zu wenig Pausen von der rund um die Uhr digitalisierten Welt. Weiters neigen gerade Hochqualifizierte in flexiblen Arbeitsverhältnissen zur „interessierten Selbstausbeutung“, arbeiten also von daheim länger und intensiver, als sie das vielleicht im Büro gemacht hätten. Das geht mit einer erhöhten psychischen Belastung einher.
Digitalisierte Arbeitswelt in Gesundheit und Pflege
Im Krankenhaus ist die Digitalisierung sowohl Fluch als auch Segen: Sie kann Krankheiten frühzeitig erkennen und reduzieren helfen, aber auch krank machen. Im Bereich der Krebsdiagnostik, der Chirurgie und bei der Ausbildung von ÄrztInnen und medizinischem Personal kommen immer öfter künstliche Intelligenz, Virtual Reality und Hologramme zum Einsatz und ermöglichen dadurch medizinische Arbeit auf einem Niveau, das vor ein paar Jahren noch unvorstellbar war.
Bei der Dokumentation ist die Digitalisierung jedoch oft mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden. Dieser Aufwand kostet Zeit vor dem PC, die dann am PatientInnenbett fehlt. Viele Beschäftigte haben außerdem das Gefühl, dass ihnen durch den digitalen Aufwand bei der Dokumentation Mehrarbeit aufgedrückt wird. Es gibt sogar Studien, die die Verwendung von digitalen Dokumentationssystemen im PatientInnenbereich mit erhöhten Burnout-Erkrankungen unter ÄrztInnen in Verbindung bringen. Vor allem, wenn die Nutzeroberfläche fehleranfällig oder schwierig zu bedienen ist, gibt es international negative Erfahrungen mit solchen elektronischen Dokumentationssystemen.
Digitalisierung und Datenschutz
Häufig wird im Zusammenhang mit der wachsenden Digitalisierung auf das Problem des Datenschutzes aufmerksam gemacht. Dabei geht es nicht nur um die Daten, die ArbeitnehmerInnen selbst im Internet preisgeben. Es geht auch darum, wie mit MitarbeiterInnenakten umgegangen wird und wie ArbeitnehmerInnen von ArbeitgeberInnen mithilfe von digitalen Systemen elektronisch überwacht werden können.
Wir produzieren nicht nur im Privatleben Daten sondern auch am Arbeitsplatz. Der individuelle Umgang mit privaten Daten ist bei vielen jedoch mehr als locker. Und dass, obwohl die möglichen Gefahren der Preisgabe von personenbezogenen Daten im Internet allgemein bekannt sind. Am Arbeitsplatz bringt die Digitalisierung zusätzlich die Risiken für ArbeitnehmerInnen in Form von Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten mit sich, die sich nicht immer mit Persönlichkeitsrechten vereinbaren lassen.
Datenschutz betrifft aber nicht nur Beschäftigte. Immer häufiger werden auch im Bewerbungsprozess persönliche Daten von Menschen herangezogen, zum Beispiel aus sozialen Netzwerken. Hier besteht die Gefahr, dass der Arbeitgeber auf Informationen stößt, nach denen er die BewerberInnen gar nicht fragen dürfte. Dazu gehören etwa politisches Engagement oder die Weltanschauung.
Die allgegenwärtige Datenverarbeitung und grenzenlose Informations- und Kommunikationstechnologie in der Arbeit 4.0 wird zukünftig Beruf und Privatleben noch enger miteinander verbinden und vermengen. Beschäftigtendatenschutz benötigt daher eine solide rechtliche Grundlage, die moderne Datenverarbeitung berücksichtigt, ohne sie zu verhindern und trotzdem das Persönlichkeitsrecht der ArbeitnehmerInnen schützt.
Digitalisierung bei der Gemeinde Wien
Trotz allem steht die überwiegende Mehrheit der Gemeinde Wien Bediensteten der Digitalisierung optimistisch gegenüber. MitarbeiterInnen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren äußern sich positiv über den digitalen Wandel. Selbst bei älteren KollegInnen zwischen 55 und 62 Jahren liegt der Anteil der OptimistInnen noch bei etwas mehr als 50 Prozent. Digitalisierung steht auch für den Zugewinn von Freiheit. Mehr als jeder/jede zweite/r Beschäftigte ist davon überzeugt, dass Technologie den Menschen mehr Freiheit gibt, dort zu leben und zu arbeiten, wo sie wollen.
Digitalisierung: Die Aufgaben der Gewerkschaften
Die Digitalisierung ist Normalität geworden, damit müssen wir leben. Es liegt an den Interessenvertretungen und Gewerkschaften, sich aktiv daran zu beteiligen, die Digitalisierung als Chance für die arbeitenden Menschen zu gestalten. Grundsätzlich gilt es, neue Flexibilitätskompromisse zu verhandeln, die sowohl den Anforderungen der digitalen Arbeitswelt, wie auch den familiären und gesundheitlichen Bedürfnissen der Beschäftigten Rechnung tragen. Die neuen Erkenntnisse müssen dazu in Zukunftsüberlegungen eingebunden werden. Auch deshalb, weil die Politik vehement für eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes eintritt. Allerdings ist Flexibilisierung nicht mit Rund um die Uhr zur Verfügung stehen zu verwechseln. Die klare Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit müssen neu abgehandelt werden.
In puncto Datenschutz braucht es durchsetzungsstarke Regelungen im Bereich der unabhängigen Kontrollbefugnisse und der ArbeitnehmerInnenmitbestimmung durch den Betriebsrat, die Personalvertretung und Gewerkschaft. Darüber hinaus bedarf es aber auch einer rechtskonformen Technikgestaltung, die möglichst wenige personenbezogene Daten entstehen lässt.
Ausblick
Datenschutz, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und das Eindämmen der Dokumentationsflut – das sind drei der elf Themen, für die sich die KIV/UG in der laufenden Funktionsperiode bis 2024 besonders einsetzt. Weitere Infos zum Thema und weiterführende Links findest du auch hier:
https://de.statista.com/themen/2876/internetnutzung-in-oesterreich/