Wien würde ins Chaos schlittern.

Wahlkämpfe sind Zeiten „fokussierter Unintelligenz“ bemerkte einmal ein Wiener Bürgermeister.

Ein Blick in die Wahlprogramme gibt ihm recht. Insbesondere ein Blick ins Wahlprogramm der FPÖ. Hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Positionen der „Sozialen-Heimatpartei“ verkommt Voodoo-„Ökonomie“ zum Hilfsausdruck. Kommt die FPÖ an die Macht droht Wien ein Finanzdesaster.

Wien-Wahlen. In den Medien wird zum x-ten mal ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPÖ und FPÖ herbei geschrieben, veröffentlichte Umfragen (wann haben die zuletzt jemals recht behalten?), welche die FPÖ schon jenseits der 30-Prozent-Grenze sehen, geben dem Rennen noch den zusätzlichen „Schub“.

Glaubt man den MeinungsforscherInnen und PolitikanalystInnen spielen ja – eigentlich erstaunlich – Programme bei Wahlentscheidungen nur noch eine untergeordnete Rolle. Gewählt wird aufgrund Stimmungslagen, Gefühlen, Ängsten, Hoffnungen, gesellschaftlichen Trends. Entsprechend gestalten sich auch zunehmend die Wahlkämpfe der Parteien. Wahlprogramme treten zunehmend in den Hintergrund und werden – wenn überhaupt – nur noch von Politikinsidern gelesen. Verkürzen und verknappen der Inhalte heißt die Devise – soweit es denn überhaupt was zu verkürzen und zu verknappen gibt.

Wahlprogramme der Wiener Parteien

Einiges zum Verkürzen und Verknappen haben tatsächlich die Grünen. Ihr Wahlprogramm für Wien umfasst 58 Seiten. Klein bedruckt, ohne Bilder. Das mit Abstand umfassendste und umfangreichste Programm aller Wiener Parteien. Gewohnt „kopflastig“ und dabei erfreulich ernsthaft und verständlich, Eigenschaften, die bedauerlicherweise allerdings in den affichierten Wahlplakaten keinerlei Niederschlag finden. Es folgt die SPÖ, deren Wahlprogramm mit 68 Seiten zwar hinsichtlich der Länge auf dem ersten Blick beeindruckt. Ein Eindruck der allerdings bald verfliegt, ist die Bilderdichte doch überraschend hoch. Die ÖVP gibt sich mit 40-seiten ohne Bilder inhaltlich, hinsichtlich der Zeichenzahl bleibt die ÖVP allerdings weit hinter den Grünen zurück. Ja, auch die NEOS haben ein Programm. 44 Seiten umfasst es, optisch durchaus ansprechend gestaltet – inhaltlich allerdings schon gleich viel weniger. WIEN ANDAS fällt schon wie zum EU-Wahlkampf – damals noch als EUROPA ANDERS durch ein eher dünnes Wahlprogramm auf – 14 Seiten sind es geworden. Kommen wir zur FPÖ. Tja, was soll man da sagen? Ein Wahlprogramm zum Download, also als Printversion sucht man auf der Website der Blauen vergeblich. Das, was auf der Website der „sozialen „Heimatpartei“ zu finden ist, lässt sich – so ganz ohne Bilder – vermutlich auf fünf Seiten reduzieren. Ja, was es auch gibt, ist einen Leitantrag zum Wiener Parteitag 2014, quasi die Basis für das, was die FPÖ als Wahlprogramm versteht. Der umfasst immerhin 13 Seiten. 13 Seiten, die tatsächlich wert sind, sich genauer anzuschauen.

Hilfsausdruck „Voodoo-Ökonomie“

Nun, unter Voodoo-Ökonomie wird landläufig eine Wirtschaftspolitik verstanden, die – vorsichtig formuliert – in sich widersprüchlich, weniger vorsichtig formuliert haarsträubend bis gemeingefährlich ist. FPÖ-Leitantrag und Wahlprogramm fallen getrost in diese Kategorie.

Im Leitantrag heißt es etwa, dass die Budgetpolitik der Stadt Wien mittelfristig nicht mehr finanzierbar sein. So habe der Schuldenstand 2013 inklusive KAV die fünf Milliarden Euro-Grenze durchbrochen. Obwohl die Einnahmen der Gemeinde Wien aus Gebühren um 1,4 Milliarden Euro angestiegen seien, würden immer noch Schulden gemacht – 2011 zusätzlich 993 Millionen Euro, 2012 332 Millionen und 2013 301 Millionen Euro. Im Wahlprogramm der FPÖ – also in dem, was die FPÖ dafür hält – heißt es daher: „Schluss mit der Schuldenpolitik und eiserne Budgetdisziplin!“ Nun, wenn eine Partei mit dem Programm „eiserne Budgetdisziplin“ und „Schluss mit der Schuldenpolitik“ in den Wahlkampf geht – kann sie ja, wenn sie das für richtig hält – was würde sich der die Normalsterbliche erwarten? Vermutlich ein Konzept das „Schluss mit der Schuldenpolitik“ und „eiserner Budgetdisziplin“ entspricht. Was findet sich dazu nun im FPÖ-Wahlprogramm bzw. im Leitantrag um „eiserne Budgetdisziplin“ herzustellen und die „Schuldenpolitik“ endlich zu beenden.

Eine Auswahl:

  • Förderung und Entlastung der Klein- und Mittelbetriebe
  • Gebührensenkungen bzw. ein Gebührenerhöhungsstopp über mindestens fünf Jahre
  • Einführung einer eigenen U-Bahn-Polizei
  • Bauoffensive bei Sozialwohnungen und im öffentlichen Verkehr
  • Senkung der Lohnnebenkosten
  • Investitionsfreibeträge für Unternehmen
  • „Echte“ Pensionserhöhungen
  • Senkung der für PensionistInnen relevanten Gebühren
  • Erhöhung des Pflegegeldes und Inflationsanpassung
  • Bessere Bezahlung und Aufwertung der medizinischen Berufe
  • Aufstockung des Pflege- und Ärztepersonals im Wiener KAV
  • mehr Kassenstellen für niedergelassene Ärztepersonals
  • Gratis-Parkpickerl für alle Wienerinnen und Wiener
  • Ausbau der Wiener U-Bahn bis zum Stadtrand
  • Erhöhung der Bezirksbudgets um 30 Prozent auf 250 Millionen Euro
  • Verdoppelung der Wiener Wirtschaftsförderung
  • Bereitstellung eines Haftungspakets für Klein- und Mittelbetriebe
  • Ein Sonder-Investitionsprogramm, z.B. Verdoppelung der Sanierungsrate
  • Bau von 25.000 Park-and-Ride-Anlagen für kostenloses bzw. Billigst-Parken
  • Absenken der Hundeabgabe

Aha. Nun, wer einigermaßen die Grundrechnungsarten beherrscht weiß, dass sich das alles nicht wirklich ausgehen kann. Einerseits Einnahmen drastisch zu senken, andererseits Ausgaben drastisch zu erhöhen und gleichzeitig Schluss mit Schulden machen … tja, das könnte vielleicht a bisserl eng werden. Dass bei sinkenden Einnahmen und steigenden Ausgaben a la FPÖ-Programm Budgetdefizite aus dem Ruder laufen, um das zu wissen, braucht man wahrlich kein ökonomisches Genie zu sein. In der FPÖ scheint dieses Wissen allerdings noch nicht angekommen zu sein. Wie all die Wohltaten der FPÖ finanziert werden sollen bleibt ein Rätsel, bleibt geheimes Wissen. Nun man weiß ja um die Vorliebe blauer Spitzen für Esoterik und Astrologie … „Voodoo“-Ökonomie ist jedenfalls angesichts des haarsträubenden Unsinns und wirtschaftspolitischen Irrsinns, der da geboten wird geradezu ein Hilfsausdruck. Das ist Hypo-Alpe-Adria zum Quadrat. Würde auch nur ein kurzer Blick in das ohnehin sehr kurze Programm der FPÖ geworfen – DAS sollte eigentlich jede/r verstehen und alleine aus Selbstschutz und Angst ums Geld der FPÖ die Stimme verweigern.

Wiener Schuldenberg? Der Vergleich macht sicher

Was am FPÖ-Wahlprogramm – wie am Leitantrag – neben auffällt: Haben’s die Freiheitlichen sonst allenthalben mit Panik- und Angstmache ist ihnen die wirklich Angst-machende Finanz- und Wirtschaftskrise keinen Absatz wert. An den gestiegenen Stadtschulden ist natürlich rot-grün schuld, wer sonst. Arbeitslosigkeit als Folge der Krise? Aber woher, auch da ist natürlich die Wirtschaftsfeindlichkeit von rot-grün schuld – Göttin bewahre vor der Wirtschaftskompetenz in blau! – und die EU, die im Verbunde mit der Stadtregierung jedem Ausländer, der nach Wien kommt „den roten Teppich“ ausrollt. Auch hier gilt offensichtlich: Krise? Welche Krise? Nie gehört! Nein, nein, für alles trägt rot-grün die Verantwortung! Natürlich ist das kompletter Unsinn. Sind die gestiegenen Staatsschulden schon zum überwiegenden Teil auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen, gilt selbiges natürlich für die „Stadtschulden“ der Gemeinde Wien mindestens ebenso. Und wie nicht zuletzt Markus Marterbauer im Arbeit und Wirtschaft-Blog ausführt ist der Anstieg der Stadtschulden auch Folge öffentlicher Investitionen die Wien in Krisenzeiten tätigte – ein wesentlicher Beitrag um Beschäftigung zu halten bzw. zu schaffen.

Wie stellt sich nun allerdings die finanzielle Situation Wiens im Vergleich tatsächlich dar? Entgegen den Behauptungen der FPÖ – aber auch von ÖVP und NEOS – gar nicht so schlecht.

  • Die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung der österreichischen Bundesländer und Gemeinden lag 2013 bei 3555 Euro. Wien lag mit einer Pro-Kopf Verschuldung von 2639 Euro deutlich darunter. Über Österreich-Schnitt lagen etwa NÖ (4378 Euro/EinwohnerIn), Salzburg (4104 Euro/EinwohnerIn), knapp unter Wien „Vorzeigeländer“ wie Oberösterreich (2178 Euro/Kopf) und Vorarlberg (2073 Euro)
  • Vergleicht man Wien mit deutschen „Stadt-Staaten“, also Städten mit Bundesländerstatus wie Berlin, Hamburg oder Bremen, so relativiert sich das Katastrophenszenario, das da manche heraufbeschwören ohnehin: 2013 lag etwa die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung aller deutscher Großstädte bei 2481 Euro, also knapp bei Wien. Nun ist allerdings Wien Hauptstadt, Stadt und Bundesland zugleich. Wie sieht es nun mit vergleichbaren deutschen Städten aus? 2011 hatte Berlin eine Pro-Kopf-Verschuldung von Euro 17.651. In Hamburg war jede_r EinwohnerIn mit 13.900 Euro verschuldet. Bremen lag mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 28.638 Euro an der Spitze der deutschen „Stadt-Staaten“.

Auch wenn sich deutsche und österreichische Länder in Sachen Aufgaben, Kompetenzen, Zuständigkeiten unterscheiden – der Föderalismus ist in der BRD insbesondere in Sachen Bildung (inklusive Hochschule), Kultur, Kunst, Rundfunk deutlich stärker ausgeprägt als in Österreich – lässt der Vergleich doch den Schluss zu, dass es um Wiens Finanzen bei weitem nicht so schlecht bestellt ist, wie es FPÖ, ÖVP und auch NEOS gerne hätten.

Was allerdings als gesichert gelten kann: sollte die FPÖ tatsächlich in die Verlegenheit kommen ihr Voodoo-Programm umsetzen, droht der Stadt ein finanzielles, ökonomisches wie soziales Desaster. Dann droht Wien zur zweiten Hypo-Alpe-Adria zu werden. Wir zahlen bereits Milliarden für blaues Politik- und Wirtschaftsversagen. Und dieses eine mal ist schon einmal zu viel.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen