Fünf Jahre #unibrennt.

Vor fünf Jahren gingen die Studierenden Österreichs auf die Straße und besetzten das Audimax, den größten Hörsaal der Hauptuniversität Wien, um für einen offenen Universitätszugang, für die freie, kritische Lehre und gegen die chronische Unterfinanzierung und den Sparzwang der Universitäten im Zeitalter des Neoliberalismus zu protestieren.

#unibrennt war geboren, Unterstützung kam aus allen Bevölkerungsschichten, die oftmals prekär beschäftigten Lehrenden stellten sich auf die Seite der Studierenden, und auch die gerade mit Personalmangel hart kämpfenden KindergärtnerInnen solidarisierten sich als ElementarpädagogInnen. Was war passiert?

Das Humboldt’sche Bildungsideal…

Bereits im Jahr 1792 formulierte Wilhelm von Humboldt (1767–1835) sein Bildungsideal, dessen Kernpunkte die Freiheit der Lehre und die Wichtigkeit von Bildung für die allgemeine charakterliche Entwicklung des Menschen und sein Verständnis der Welt sind.

Laut seinem Ideal sollten all jene, die das Bildungssystem durchlaufen hatten, als autonome Individuen und Weltbürger daraus hervorgehen. Vor allem die universitäre Bildung sollte dabei keine berufs­bezogene Ausbildung sein, sondern eine, die von wirtschaftlichen Interessen unabhängig ist.

… weicht den Anforderungen der Wirtschaft

Sieht man sich die heutige Situation des Bildungssystems und der Universitäten an, sieht man sie jedoch von neoliberaler Ideologie und Sparzwängen gekennzeichnet. Sie leiden unter chronischer Unterfinanzierung, unter einem teils grotesk auseinanderlaufendem Verhältnis von Lehrenden zu Lernenden und, ob dieser Situation, unter teilweise hohen AbbrecherInnenzahlen.

Mit dem 1999 eingeleiteten Bologna-Prozess, der auf eine Normierung der europäischen Studiengänge und -abschlüsse abzielt, sollen Universitätsstudien überhaupt zu einer Dienstleistung werden, die die KundInnen (sprich die Studierenden) sich, je nach Marktlage, über ein Punktesystem zusammenstellen und in den Warenkorb legen.

Die Hochschulbildung wird also den wirtschaftlichen Interessen unterworfen, wird dabei immer weniger vielfältig und immer weiter auf die Berufspraxis ausgerichtet – Studienzweige, die sich nicht rentieren oder für die es keinen besonderen praktischen Nutzen am Arbeitsmarkt gibt, werden eben abgeschafft. Das Studium wird von der Bildung zur Ausbildung umfunktioniert und soll rasch in den Arbeitsmarkt integrierbare Arbeitskräfte hervorbringen, keine kritisch denkenden Menschen, die vielleicht sogar System und Gesellschaft analysieren und kontextualisieren können. Das traurigste heimische Beispiel für diese „Verwirtschaftlichung“ der höheren Bildung ist die 2013 erfolgte Abschaffung des Wissen­schaftsministeriums und seine Integrierung in das Wirtschaftsministerium. Die Lehre kann unter solchen Umständen natürlich weder frei noch kritisch bleiben.

Die Absichten europäischer Wissenschaftspolitiker, die völlig überlaufenen Universitäten zu verschlanken, umzuformen und mittles Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren wieder funktionsfähig zu machen, erscheinen angesichts der Tatsache, dass die europäischen Universitäten fast ausnahmslos in einer desolaten Verfassung sind, auf den ersten Blick sinnvoll. Es darf jedoch weder übersehen werden, dass dies in der Regel dieselben Politiker sind, die den desolaten Zustand der heutigen Universitäten überhaupt erst zu verantwortlichen haben, noch, dass die angepeilten Pläne auf lange Sicht dazu führen, dass echte Bildung – und nicht Ausbildung – zu einer elitären Kostbarkeit wird, die für die breite Masse unerschwinglich ist.

#unibrennt

Unter dem Eindruck dieser drohenden Entwicklungen kam es im Winter 2009/10 zu den größten Bildungsprotesten der letzten Jahre: Unter dem Hashtag „unibrennt“ versammelten sich Studierende, Lehrende und Solidarische in den Hörsälen österreichischer Universitäten und forderten mehr Platz, mehr Geld, mehr Lehrpersonal mit sicheren Arbeitsplätzen, mehr Wertschätzung für die Hochschulen und die Abschaffung von finanziellen oder zahlenbasierten Zugangsbeschränkungen.

Aber auch außerhalb Österreichs schlug #unibrennt hohe Wellen; so wurden, dem österreichischen Beispiel folgend, international ebenfalls Hörsäle besetzt und Forderungen formuliert.

Brand noch nicht gelöscht

Trotz des großen gesellschaftlichen Echos verloren die von der Politik totgeschwiegenen Proteste schlussendlich an Fahrt und die Studierenden kehrten etwas verbittert wieder als Lernende in ihre überfüllten Hörsäle zurück. Der Brand an den Universitäten und höheren Bildungseinrichtungen blieb jedoch ungelöscht und die Forderungen von #unibrennt sind aktueller denn je.

Denn besonders in Österreich, wo das Bildungsniveau und damit auch der soziale Status immer noch von den Eltern an ihre Kinder „vererbt“ wird, sind eher Maßnahmen zur breiteren Zugänglichkeit von Bildung für alle Gesellschaftsschichten nötig, als eine weitere Einschränkung. Allein die Anzahl der Studierenden (2013/2014 waren es österreichweit 298.527 Personen, die an öffentlichen Universitäten studiert haben) macht ja schon klar, wie viele großteils junge Menschen in Österreich nach freier, kritischer Bildung streben. Der Staat sollte dieses Bestreben mit aller Kraft unterstützen, nicht zusätzlich erschweren, zumal die positiven sozialen und finanziellen Auswirkungen der Bildung auf Gesellschaft und Staat in internationalen Studien eindeutig erwiesen sind.

Ist also nichts von #unibrennt geblieben?

Nunja. Allein die breite, auch international geführte Debatte über das Bildungssystem und die universitäre Bildung, die die #unibrennt-Bewegung 2009 ausgelöst hat, die Anzahl an aktiven Beteiligten und an UnterstützerInnen, die sie anzog, sowie die Solidaritätserklärungen aus allen Teilen der Bevölkerung haben gezeigt, wie wichtig das Thema Bildung der Gesellschaft ist – und was man bewegen könnte, wenn man es denn versuchen würde.

Staat und Gesellschaft profitieren langfristig und spürbar von Investitionen in die Bildung. Es ist in unser aller Interesse, in diesem Bereich nicht zu sparen, sondern im Gegenteil zu investieren. Und es liegt an uns, das Recht auf Bildung vehement von der Politik einzufordern und der Universität Wien weitere 650 Jahre zu ermöglichen.

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