Über die COVID-19-Lockerungs-Verordnung vom 19. Juni 2020

Auf den Seiten des Gesundheitsministeriums findet sich ein Link zur oa. Verordnung in 17 Sprachen. Mit Piktogrammen und Infoblättern werden hier die Virusmaßnahmen multilingual erklärt. Offenbar war das dem Minister oder seinen SpitzenbeamtInnen noch zu wenig an Information und so ist auch noch eine Version der Verordnung in „LL Leicht Lesen A2“ dazugekommen.

Nach dem Studium dieses Elaborates der Schlichtheit, drängt sich eine Frage förmlich auf: An welche Zielgruppe richtet sich dieses Kunstwerk? Vielleicht an jene, die schlecht in unserer Amtssprache lesen können und nicht von den angebotenen 17 Fremdsprachen abgedeckt werden? Oder doch an demente, semialphabetisierte oder kognitiv eingeschränkte autochthone ÖsterreicherInnen?

Leichter Lesen: Auszugsweise ein paar Beispiele:

„Zwischen Personen muss immer 1 Meter Abstand sein. Das ist ungefähr 1 großer Schritt“

Ziemlich klar und einfach, und damit es auch niemand vergisst wird auf 23 Seiten gezählte 18 Mal erklärt, dass 1 Meter ungefähr ein großer Schritt ist. 18 Mal!

Nach der 11. Erklärung (Seite 12 unten) wie groß denn ein Meter sei, kommt endlich die ersehnte paradoxe Intervention:

„Wenn wir Sport machen, müssen sogar 2 Meter Abstand sein. Das sind ungefähr 2 große Schritte“

Offenbar glaubt der Verfasser, dass Menschen mit eingeschränkter Lesekompetenz auch im Bereich der niederen Mathematik Unterstützung bedürfen. Vielen Dank dafür.

Weitere Stilblüten:

„Vergnügungsparks. Das sind Orte, wo wir Spaß haben können“

– trifft das nicht für alle Orte zu?

„Bordelle. Bordelle sind Orte, wo man für Geld Sex bekommt“

– man muss nicht alles was nach Fremdwort ausschaut erklären..

Unser persönliches Highlight (auf Seite 18):

„Eine Versammlung muss man bei der Polizei anmelden. Die Versammlung darf nur stattfinden, wenn die Polizei ja sagt.“

Da fällt uns ein, die Polizei hat einem auf einer Parkbank sitzenden Juristen erklärt, dass sie da nicht „Ja“ sagen. Und unser hochlöblicher Herr Innenminister Karl „Lebensgefährder“ Nehammer hat beim Lesen auch so seine Schwierigkeiten. Verwechselt flugs „Betreten bestimmter Orte“ mit „Betreten öffentlicher Orte“ und schon haben wir ein paar hundert Verwaltungsstrafen mehr.

Beim Bundesheer gibt es einen typisch österreichischen und wirklich lieben Euphemismus. Wenn der Stab etwas „brigadiersicher“ aufbereiten soll, dann weiß man dort die wegen zahlreicher Aufgaben immer überlasteten Brigadiere vor allzu tiefgehender Information zu schützen und deren Überforderung hintanzuhalten.

Vielleicht können die Sprachkünstler aus dem Gesundheitsministerium, die für die „Leichter Lesen“-Version der COVID-19- Lockerungsverordnung verantwortlich zeichnen, auch eine ministersichere Version ausarbeiten. Der Unterschied zwischen „bestimmten“ und „öffentlichen“ Orten sollte dann auch 18 Mal erklärt sein, wegen der ministeriellen Merkfähigkeit wegen.

Warum das alles überhaupt Erwähnung findet?

In einer Magistratsabteilung der Stadt Wien hat sich die Abteilungsleitung dazu bemüßigt gesehen, genau diese „Leichter Lesen“-Exemplar an die rund 1000 MitarbeiterInnen per Email zu verschicken. Ebendort arbeiten mehrere hundert AkademikerInnen, MaturantInnen und Personen mit abgeschlossenem Lehrberuf. Jeder, der die Email ernst genommen hat, stellt sich jetzt die Frage – was soll das?

Euer Distel Team

Die Verordnung in der Leicht-Lesen-Version

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