Bücher und Biographie.

Marie von Ebner-Eschenbach: 4 Bände im Schmuckschuber

hg.v. Evelyn Polt-Heinzl, Daniela Strigl und Ulrike Tanzer. 1400 Seiten, Residenz Verlag, Salzburg 2015, 91,50 Euro, Einzelbände 24,90 Euro.

Daniela Strigl: Berühmt sein ist nichts.

440 Seiten, Residenz Verlag, Salzburg 2016, 26,90 Euro


Milde Autorin der Idylle, Dichterin der Güte, mütterliche, mitleidige, tierliebende Matrone, diese Etikettierungen ließen Marie von Ebner-Eschenbachs Werke nach ihrem Tod bald verstauben. Was sehr zu bedauern ist, denn diese Zuschreibungen verfehlen sie ganz und gar. Dabei war sie selbst nicht ganz unschuldig daran, hatte sie doch ihrem Biographen Anton Bettelheim ihr Tagebuch von allen Ecken und Kanten befreit zur Verfügung gestellt.

Marie von Ebner-Eschenbach, geborene Gräfin Dubsky, hatte sich als Dichterin ihrer Zeit gegen ein ganzes Heer durchzusetzen, das mit ihrem Aphorismus „Eine kluge Frau hat Millionen Feinde, alle dummen Männer“ nur angedeutet ist. Sie kämpfte gegen die Ablehnung ernster Beschäftigung weiblicher Wesen, gegen die Wissenslücken durch aristokratische Erziehung – Blaustrumpf war ein Schimpfwort –, gegen Familien- und Gesellschaftspflichten langweiligster und aufwendigster Natur: „Ich kann nur arbeiten, wenn es nichts mehr zu tun gibt“, klagt sie. Die Freiheit, die ihr die Gesellschaft gewährte, konnte sie nur auf dem Rücken eines Pferdes ausleben, nach Möglichkeit, eines temperamentvollen. Aber Resignation ist ihre Sache nicht, Dulden, das der Frau als Tugend aufgezwungen wird, ist ein Unrecht, das Dichtung nicht zulässt, so ihr Credo. So lenkt sie den Pegasus in scharfem Ritt als „Anwältin der Unterdrückten“ (Ruth Klüger: „Marie von Ebner-Eschenbach: Anwältin der Unterdrückten“, Rede im Rathaus am 28. April 2016) sozialkritisch, mit beißender Adelsschelte, witzig, satirisch, sarkastisch, ohne Scheu vor Tabubruch und ohne Angst vor Skandal. Die Hürden, die sie dabei nimmt, werden von der Familie ungern gesehen, eine positive Literaturkritik lässt lange auf sich warten. Als ihr Roman Božena von der gefürchteten Kritikerin Betty Paoli gut rezensiert wird, kommt sie sich vor, wie in ­Drachenblut gebadet.

Schon mit ihrem Frühwerk Franzensbad, das vor allem ihre eigene Gesellschaft frech und satirisch aufs Korn nimmt, hatte sie sich solchen Ärger eingehandelt, dass sie es später aus ihrem Werkverzeichnis strich. In „Das Gemeindekind, Die Spitzin, Er laßt die Hand küssen“ sind es die Outlaws, die deren etablierte Gesellschaft, egal ob Adel, Kirche oder Dorfgemeinschaft anstatt mit Anteilnahme und Hilfsbereitschaft mit Misstrauen bis zu Brutalität begegnet, von christlicher Nächsten­liebe ganz zu schweigen. Im Gemeindekind ist es ­einzig der atheistische Lehrer, der sich des jungen Helden annimmt. Außer­ordentlich realistisch und beklemmend schildert sie die Entwicklung von Hetzmeuten, ein hartes Thema, das von einer Frau nicht erwartet wurde. Nein, Rührseligkeit ist Ebners Sache nicht, aber manche der doch in die Nähe eines Happy Ends gehenden Schlüsse sind Zugeständnisse an den Druck der ­Familie oder des Verlags.

Die Machtverhältnisse in einem Satz, die Verlogenheit in einem Wort, die Dummheit in einem Blick: Ebner-Eschenbachs Dorf- und Schloss­geschichten sind glasklare Beobachtungen der Heuchelei der „Frommen“, der arroganten Dummheit des Adels, der Unterdrückung der Frauen in der Gesellschaft durch Gewalt und Doppelmoral, der hämischen Schadenfreude selbst Unterdrückter gegenüber Ausgegrenzten, die wiederum ihre Verkrüppelung an Tieren auslassen. In drei Erzählungen beschäftigt sie sich mit Vergewaltigung und deren traumatische und materielle Folgen – alle drei Frauen werden schwanger –, die sie für den Rest ihres Lebens zeichnen, während die Männer es als ihr Recht ansehen oder über eine gelungene Verführung triumphieren. Und sie zeigt starke Frauen, wie Božena, Dienstmagd und Amazone, Lotti, die Uhrmacherin und Gertrud, die engagierte Frau, die den täglichen Zumutungen in der Ehe nicht mehr begegnen will.

Den Herausgeberinnen der vier­bändigen Ausgabe von Marie von Ebner-Eschenbachs Werken: Evelyne Polt-Heinzl, Daniela Strigl und Ulrike Tanzer gebührt großer Dank für die Bergung dieses kostbaren Leseschatzes samt jeweils ausgezeichnetem Vorwort. Darüber hinaus befriedigt Daniela Strigl die Neugier auf das Leben der bedeutendsten österreichischen Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts mit der Ebner-Eschenbach-Biographie „Berühmt sein ist nichts“.

Geschrieben von Eva Geber

Bezug: Fachbuchhandlung des ÖGB-Verlags

Quelle: Die Alternative

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen