Über den Paragraph 97, Strafgesetzbuch.

Frauen haben sich nie zwingen lassen, Kanonenfutter zu produzieren, sondern möchten die Zahl und den Zeitpunkt ihrer Kinder selber bestimmen.

© Christian Fiala – Leiter des Wiener Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch (MUVS)

Gestern, vor genau 80 Jahren, am 28. Jänner 1935, legalisierte das isländische Parlament den Schwangerschaftsabbruch unter gewissen Umständen. Damit gestattete Island als erstes westliches Land Europas diesen Eingriff. Nur die (damalige) Sowjetunion war schneller: 1920 wurde ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche legalisiert.

Überhaupt hatte Russland hier eine Vorreiterrolle, da schon 1913 ein Aufruf der Russländischen Medizinischen Gesellschaft zum Schwangerschaftsabbruch erfolgte. Dies ist umso bemerkenswerter, als dass das zaristische Russland in fast allen gesellschaftlichen Dingen weit rückständiger als der Rest Europas war – und das wollte zu der damaligen Zeit schon was heißen. Interessanterweise hat Josef Stalin 1936 den Abbruch wieder unter Strafe gestellt – er blieb es in der Sowjetunion auch bis 1955.

Doch zurück zu Island. In den 30er Jahren war Abtreibung selbstverständlich verboten und wurde mit bis zu acht Jahren Arbeitslager bestraft – eine drakonische Strafe, die nicht nur die Schwangere, sondern auch jene Person betraf, die diesen Abbruch vornahm. Im Sprachgebrauch wurden diese – meist – Frauen „Engelmacherinnen“ genannt.

Die Folgen waren oft verheerend:

Durch unsachgemäße Abtreibungsmethoden, etwa mit Stricknadeln unter geringsten hygienischen Voraussetzungen, starben unzählige Frauen qualvoll an den Folgen dieser Eingriffe. Daher entschloss sich die isländische Regierung dagegen zu steuern.

In den 30er Jahren herrschten auf der Insel viele Krankheiten, so war etwa TBC weit verbreitet. Dies führte zu einem Rückgang der Bevölkerung, der durch die – illegalen – Abbrüche weiter vorangetrieben wurde. Unterstützt wurde die Regierung dabei durch die isländischen Mediziner, die sich für eine legale und vor allem sachgemäße Durchführung des Abbruches aussprachen, war doch so gewährleistet, dass die Patientin erstens gesund und zweitens gebärfähig bleibt. Vor allem Vilmundur Jonsson, Leiter der Ärztekammer und Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Islands, war einer der Fürsprecher. Mit Erfolg: Das isländische Parlament verabschiedete am 28. Jänner 1935 das Gesetz zum legalen Schwangerschaftsabbruch unter Berücksichtigung besonderer Umstände innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen.

In Österreich ist der legale Schwangerschaftsabbruch (d.h. ohne Strafandrohung) im § 97 StGB „Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruches“ geregelt, der am 1.1.1975 in Kraft trat und bis heute Gültigkeit hat.

Siehe auch Artikel 40 Jahren Fristenlösung

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