Persönliche Begegnungen im politischen Alltag.

„Alles ist möglich, wenn du ein Ziel vor Augen hast“, suggeriert ein Werbeslogan auf einem Plakat. Trifft dieses Postulat auf alle Menschen gleichermaßen zu? Auf Menschen, die auf der Flucht sind, eher nur in eingeschränktem Ausmaß. Susanna Gratzl hat AsylbewerberInnen unterrichtet und ihre ganz persönlichen Begegnungen mit nepalesischen Flüchtlingen, die in Österreich um Asyl ansuchen, niedergeschrieben.

Da sind zunächst Govinda und seine Freundin Sannani, die aus Nepal nach Wien geflüchtet sind und um Asyl ansuchen. Govinda, ein junger attraktiver Mann, verdient seinen Lebensunterhalt als Schuster und mit dem Zustellen der österreichischen Tageszeitungen „Der Standard“ und „Die Presse“.

Die Schwierigkeiten des Neubeginns und die Alltagshürden der AsylwerberInnen erleben wir beim Lesen hautnah mit. Nicht nur persönliche Krisen kommen zur Sprache. Da ist die Rede von Scheinanwälten, die die Notlagen der Flüchtlinge ausnutzen und sich gern mal ein Zubrot verdienen, wenn es darum geht, „Extradienste“ zu lukrieren. Von der überwältigenden Solidarität und Hilfsbereitschaft unter den NepalesInnen erfahren wir. Und von der immer wieder auftauchenden Hoffnungslosigkeit der Geflüchteten, dauerhaft in Österreich bleiben zu dürfen. Wer bis hierher liest, denkt an Tatsachenbericht oder Reportage. Doch der Leser/die Leserin unterliegt dem Irrtum.

Die Autorin gießt ihre Erfahrungen mit den Geflüchteten in eine Romanform und lässt persönliche Begegnungen einfließen. Neben dem Alltagsleben nepalesischer Flüchtlinge in Wien nehmen wir Anteil an den aufkeimenden Gefühlen zwischen Govinda und Susanna und werden direkt in eine Liebesgeschichte hineingezogen.

Doch nach anfänglicher Euphorie tauchen widersprüchliche Erwartungen auf, die Verwirrungen stiften und falsch verstandene Hoffnungen erzeugen.

Der Autorin gelingt es, die bipolaren Gefühle wie Ohnmacht und Hoffnung, Empathie und Ablehnung sowie Ängste und Zweifel der Protagonisten anzusprechen. Sie verleiht den Flüchtlingen eine Personalität, die sie aus der Masse der Zugewanderten und Flüchtenden heraushebt.

Gratzl zuerkennt ihnen einen gewichtigen Teil ihrer Menschenwürde und der Inanspruchnahme ihrer (Menschen)Rechte. Ein Glossar zu asylrechtlichen Begriffen sowie Links zur aktuellen Politik in Nepal am Ende des Buches ergänzen den Roman idealerweise.

Susanna Gratzl, geboren in Graz, hat Französisch und Kunstgeschichte studiert. Sie arbeitet als Erwachsenenbildnerin in Wien, mit Schwerpunkt Migration, Mehrsprachigkeit, interkulturelle Kommunikation und Flucht. 2009 erhielt sie mit ihrer Kollegin Maria Hirtenlehner den Staatspreis für Erwachsenenbildung für das Lehrgangsmodul Interkultur Tandem.

Ihr ist ein eindrucksvoller Roman gelungen. Unbedingt empfehlenswert!

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