Die Situation in den Berufsgruppen, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, ist prekär und wird sich in den nächsten Jahren ohne große Veränderungen sicherlich weiter verschlechtern. Immer weniger Menschen gehen in den Bildungs- und Pflegebereich und werden zum Beispiel Kindergartenpädagog*innen oder Pfleger*innen. Gleichzeitig wird in den kommenden Jahren ein Großteil der Bediensteten in diesen Gruppen in Pension gehen. Das führt zu einem noch viel stärkeren Personalmangel.

Doch das Problem liegt oftmals nicht daran, dass die Jugendlichen kein Interesse an diesen Jobs haben, sondern an vielen anderen Faktoren.

Ausbildungschaos

Bei vielen Interessent*innen scheitert es schon bei der Wahl der Ausbildung, weil sie nicht das Richtige für sich finden konnten. Das Feld der Pflege ist mit drei gängigen Berufen vielseitig. Personen, die in der Pflege tätig werden wollen und damit anderen Menschen helfen möchten, wissen gar nicht, wie sie ihre Ausbildung beginnen können. Der Grund: Es gibt keine zentralen Auskunftsstellen. Da ist es auch verständlich, dass Interessent*innen nach dem vierten Telefonat ohne neue, nützliche Informationen aufgeben. Wie schon die Diakonie forderte, sollte es zentrale Anlaufstellen geben, um alle Fragen der Jugendlichen zu beantworten und somit einen reibungslosen Einstieg in die Ausbildung zu ermöglichen, ohne Interessent*innen zu verlieren.

Auch die Ausbildung für Kindergartenpädagog*innen muss dringend ausgebaut und modernisiert werden, zum Beispiel mit berufsbegleitenden Kollegs und einer Akademisierung für die Leitungen. Denn auch hier mangelt es nicht an Interessent*innen, sondern viel mehr an den Ausbildungsmöglichkeiten.

Finanzierungsprobleme

Auch während der Ausbildung hören einige Berufsanwärter*innen auf. Nicht, weil sie gemerkt haben, dass es nichts für sie ist, sondern weil die Ausbildung oder das Studium nicht finanzierbar ist. Während der Pflegeausbildung erhält man keine Bezahlung, was bei anderen Ausbildungen, etwa der Polizeiausbildung nicht so ist. Das erschwert den Jugendlichen die Ausbildung enorm. Viele Studierende pausieren ihr Studium, um sich etwas Geld anzusparen, andere hören leider ganz auf.

Studierende des Bachelorstudiums Gesundheits- und Krankenpflege erzählen, dass von anfangs 90 Personen nach zwei Jahren Studium nur noch die Hälfte übrig ist. „Man hat von Montag bis Freitag den ganzen Tag Unterricht und muss dann am Wochenende das Erlernte wiederholen und sich auf Prüfungen vorbereiten, denn sonst schafft man das Studium einfach nicht. Viele meiner Studienkolleg*innen müssen dann noch arbeiten gehen, weil sie sich sonst ihre Miete und Essen einfach nicht leisten können. Zum Glück bekomme ich finanzielle Unterstützung von meinen Eltern, sonst könnte ich mir das Studium auch nicht leisten‘‘, erzählt ein Student.

Geringes Gehalt und mangelnde Wertschätzung spielen eine wichtige Rolle

Oft werden diese Berufsgruppen im Bildungs- und Pflegebereich mit viel Stress und negativen Gefühlen verbunden. Es wird darauf vergessen, wie essenziell diese Jobs sind und welche positiven Erfahrungen man macht. ,,Immer wenn ich jemandem erzähle, dass ich die Ausbildung zur Pflegefachassistenz mache, ist die erste Reaktion immer die Frage, ob ich das wirklich machen will, weil man da den Leuten ja nur den Hintern auswischt und dafür nicht mal viel verdient‘‘, erzählt eine Kollegin in Ausbildung.

Kein Wunder, dass junge Menschen bei solchen Vorurteilen lieber einen anderen Berufsweg einschlagen möchten. In Zukunft muss die Wichtigkeit dieser Berufe der Gesellschaft besser kommuniziert werden. In diesen Berufen arbeitet man tagtäglich mit Menschen, seien es Kinder, Schüler*innen oder kranke Personen zusammen und leistet wichtige Arbeit. Die Arbeit ist nicht immer einfach, aber wichtig.

Bei der Bezahlung muss noch einiges geändert werden, um solche Berufe für kommende Generationen attraktiver zu machen. In Zeiten der Pandemie wird immer wieder mal von den Helden*innen des Alltags gesprochen. Die Menschen, die in der ersten Lehrstätte unserer Kinder arbeiten und somit ihre gesamte Zukunft prägen, und jene, die sich um Alte und Kranke kümmern. Trotz Pandemie arbeiten sie tagtäglich härter denn je und halten das gesamte System am Laufen, dennoch steigen die Gehälter nicht. Auch momentan müssen sie für Corona-Prämien kämpfen.

Die ganzen Aussagen der Politik zur Wertschätzung sind nur leere Worte, denn Taten sprechen mehr als tausend Worte. Die Wertschätzung lässt sich mit Zulagen und generell höheren Gehältern zeigen. Es muss ein genereller Personalschlüssel aufgestellt werden, welcher zeigt, wieviel Personal es für wie viele Kinder oder Patient*innen braucht. Denn so können bessere Arbeitsbedingungen geschaffen werden.

Die geringe Wertschätzung und das zu geringe Gehalt sind Gründe dafür, dass immer weniger Leute den Beruf ausüben wollen oder aufhören. Das führt dazu, dass die übrigen Personen dieser Berufsgruppe nun Arbeit für mehrere Personen erledigen müssen. Das hat enorme Auswirkungen auf Kinder und Patient*innen. Um auf jedes Kind im Kindergarten individuell eingehen zu können, braucht es sehr viel mehr Personal als momentan vorhanden. Kinder mit speziellen Bedürfnissen werden oft ungewollt vernachlässigt. Das kann sich etwa auf die schulische Laufbahn auswirken.

,,Man kann sich nicht mehr genug Zeit für alle Bewohner*innen nehmen, viele meiner Patient*innen bekommen sehr selten Besuch und sind die meiste Zeit alleine in ihren Zimmern. Erst gestern konnte ich zum ersten Mal mit einem Patienten in Ruhe plaudern. Dieses kurze Gespräch hat seinen ganzen Tag verschönert. Ich glaube, dass bei der Personalmangel-Diskussion oftmals die negativen Auswirkungen auf Patient*innen vergessen wird‘‘, erzählt eine Praktikantin in der Geriatrie Simmering.

Zusammenfassend kann man sagen, dass theoretisch viele Jugendliche diese Berufe erlernen möchten. Doch die Realität sieht leider anders aus, weil sich einiges dieser Karriere in den Weg stellt. Wenn man nicht jetzt in junge Menschen investiert und ihnen die Ausbildung und den Einstieg in den Beruf erleichtert, werden wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren dabei zusehen müssen, wie unser ganzes System zusammenbricht. Ein System, das von solchen Berufsgruppen mit aller Kraft zusammengehalten wird. Gegen den Personalmangel braucht es neue Lösungen – und zwar dringend.

Beitrag wurde von Studierenden der angeführten Fachgruppen erstellt.

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