Aber die Gewerkschaft schaut weg.

Die Pflege ist auf diesem Stand: Immer mehr Arbeit, immer mehr Aufgaben, immer mehr Stress, immer weniger Personal am Patientenbett, sodass sie nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll und um Hilfe ruft. Egal ob Krankenhaus, Pflegewohnhäuser oder der extramurale Bereich betroffen sind.

Die ZuschauerInnen sind die rotgrünen Wiener Politik­er­Innen, die zusätzlich Einsparungen parat haben. Und: Was macht unsere Gewerkschaft? Die schaut ratlos zu und bekundet nur ihr Mitgefühl. Unterstützung können wir von dieser Gewerkschaft nicht erwarten, denn die Pflege macht ihre Arbeit ja noch.

Aktuelle Arbeitssituation

Wie sieht die aktuelle Arbeitssituation von diplomiertem Pflegepersonal momentan aus? Diese Arbeiten sind – noch ohne fachspezifische Aufgaben – von A wie Augentropfen verabreichen bis Z wie Zähneputzen. Das beinhaltet auch die Säuberung der PatientInnen, das An- und Ausziehen sowie die Essensausgabe – kurz alle sonstige Aktivitäten des täglichen Lebens der ihnen anvertrauten Menschen.

Um den PatientInnen aber helfen zu können, kommen dann auch noch die fachspezifischen Aufgaben hinzu:

  • Professionelle Hilfe beim Bewegen auf einer ­orthopädischen Station
  • Bekämpfung akuter Schmerzen auf einer ­Unfallchirurgie
  • Fachgerechte Versorgung frischer OP-Wunden auf einer chirurgischen Station
  • Dokumentation der einzelnen Pflegehandlungen
  • Psychologische Unterstützung aller stationären und ambulanten PatientInnen
  • Spezielle und engmaschige Lagerungen auf der Geriatrie

Zusätzlich dazu kommen ab 1. Juli 2015 (wenn nicht schon durch vorauseilenden Gehorsam mancher Führungskräfte seit 1. Jänner 2015) noch die Übernahmen medizinischer Tätigkeiten durch die Pflege. Dazu gehören Blutabnahmen, Venflonsetzen, Blasenkatheter setzen, Elektro­kardiogramm schreiben, Magensonden legen usw.

PPR

Kosten und Personalstand werden mittels eines rund zwanzig Jahre alten Berechnungssystems „PPR“ ermittelt. Dabei sind die in den letzten zwei Jahrzehnten hinzugekommen zusätzlichen Aufgaben nicht berücksichtigt. Für uns stellt sich jetzt noch die Frage, ob diese Vorgehensweise der Dienstgeberin von der Personalvertretung genehmigt wurde und wenn ja, wann dies geschehen ist.

Es ist längst an der Zeit, dieses überholte System durch ein neues zu ersetzen, welches die tatsächlichen Aufgaben der Pflege zeitgemäß erfasst und berechnet. Denn schon damals, als dieses Berechnungssystem eingeführt wurde, herrschte Personalmangel in der Pflege – und diese Situation hat sich bis heute nicht entspannt.

Im Gegenteil: Haben bis jetzt die TurnusärztInnen noch einige dieser Aufgaben übernommen, ist dies seit heuer nicht mehr möglich.

Die Paragraph 15-Tätigkeiten des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes haben wir im Krankenanstalten­verbund bis heute nicht durchführen dürfen – und so wurde auch das Personal danach berechnet.

Weder / Noch

Bereits bei Einführung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes im Jahre 1997 war klar, dass alleine im Krankenanstaltenverbund dreihundertfünfzig bis vier­hundert zusätzliche qualifizierte Pflegekräfte für die Durchführung der mitverantwortlichen Tätigkeiten benötigt werden. Wir bekommen weder genügend Personal noch gerechte Entlohnung.

Um die PatientInnen in ihrem Ausnahmezustand zu pflegen und betreuen, brauchen wir Pflegepersonen, die physisch und psychisch belastbar sind. Doch unsere Psyche leidet durch Belastungen und unmenschliche Aktionen der Dienstgeberin enorm.

Ich sehe kaum mehr entspannte Pflegepersonen in den Spitälern und Pflegewohnhäusern. Depressionen, Unzufriedenheit und Burnout stehen ganz oben auf der Liste. Wir arbeiten unter dem Motto: „Augen zu und durch!“.

Darüber hinaus dienen viele Pflegepersonen in den unterschiedlichen, teils neu eingeführten Leitungsfunktionen nicht mehr den PatientInnen sondern sind verlängerte Arme der Dienstgeberin. Lob und Anerkennung gibt’s nur für Loyalität (der Dienstgeberin gegenüber).

Disziplinierung

Ich war im Rahmen der KIV/UG-Pflegediskussion in ­verschiedenen Spitälern und Pflegewohnhäusern (wie dem Sozialmedizinischen Zentrum Ost, dem Sozialmedizinischen Zentrum Süd, der Rudolfstiftung, im Pflegewohnhaus Meidling, im Pflegewohnhaus Donaustadt und im Krankenhaus Hietzing) unterwegs und fand überall den­selben Zustand vor: Das Basispersonal ist am Limit, punktuell sogar noch darüber hinaus.

Allein auf der Unfallchirurgie im Sozialmedizinischen Zentrum Ost gab es am Montag unglaubliche vierzehn Gangbetten. Hier versucht die Oberschwester die langerkämpfte Freidiensteinteilung (Wiener Arbeitszeitmodell) außer Kraft zu setzen und ordnet sogenannte Radldienste an. Auch die Personalvertretung drückt dabei ein Auge zu.

Die festgelegte Mindestpräsenz laut Vorschrift ist fast nirgends gegeben. Einwände dagegen werden mit Kündigungsdrohungen seitens der Vorgesetzten beantwortet. Geht eine Pflegeperson zur unmittelbaren Vorgesetzten und fordert die Einhaltung der Vorschriften, wird ihr oftmals „mangelnde Belastbarkeit und Flexibilität“ vorgeworfen – fatal bei Dienstbeurteilungen.

Diese KollegInnen werden dann auch bald versetzt. Angst regiert die Pflege. Es scheint, als ob die Gewerkschaft und Personalvertretung untätig zuschaut.

Druck

Und kommt tatsächlich einmal ein Einwand von Seiten des leitenden Personals in die Pflegedienst­leitung, so ist es schon vorgekommen, dass von dort aus mit folgenden Worten Druck auf die Stations- / Abteilungsleitung ausgeübt wird:

Sie sollten sich langsam Gedanken darüber machen, ob Sie für diesen Posten überhaupt geeignet sind!

Und man hält dem mittleren Führungsmanagement vor, die eigenen MitarbeiterInnen nicht im Griff zu haben.

Über die Schulter schauen ist zu wenig

Wir erwarten von der Gewerkschaft tatkräftige Unterstützung der Pflegepersonen. Mitleids­bekundungen brauchen wir auf keinem Fall. Wir wollen eine handlungsfähige Gewerkschaft, die der Dienstgeberin Paroli bietet.

Nur den Pflegekräften über die Schulter zu schauen, ist zu wenig. Vielmehr brauchen wir eine Gewerkschaft, die für unsere qualitativ und quantitativ hochwertige Arbeit auch die entsprechende Anzahl an Personal und die entsprechende Entlohnung bei der Dienstgeberin durchsetzt – wenn nötig auch mit entsprechendem gewerkschaftlichen Druck!

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