Und warum eine gute ArbeitnehmerInnenvertretung um so wichtiger ist

Spätestens seit dem Profilartikel „Zeitbombe Pflege“ im heurigen März wird das Thema Pflegenotstand auch von Menschen, die zur Verharmlosung von Problemstellungen neigen, nicht länger geleugnet.

Die bevorstehende Pensionierungswelle der Babyboomer, weniger pflegende Angehörige und eine Zunahme an Menschen, die Pflege brauchen, sind Ursachen für die Misere. Auffällig an diesen Faktoren ist die Tatsache, dass sie lange vorhersehbar gewesen sind. Nun, das Thema Pflege ist zweifellos eine sehr komplexe Materie, aber ein bevorstehendes Problem über Jahrzehnte nicht zu bearbeiten, zeugt doch von Realitätsverweigerung. Und hier kann sich
keine Partei – ausgenommen die Neos aufgrund ihrer kurzen Existenz – aus der Verantwortung stehlen.

Seit Jahrzehnten ist auch klar, was passieren müsste: Es braucht mehr Ressourcen im System – mehr Personal, bessere Bezahlung, attraktivere Arbeitsbedingungen. Demgegenüber ist die Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz der Versuch, Pflege kostengünstiger zu machen. Statt „teurer“ Diplomfachkräfte sollen PflegefachassistentInnen deren Tätigkeiten übernehmen, während die Diplomkräfte überwiegend vormals ärztliche Tätigkeiten durchführen. Da die Mehrheit der Pflegepersonen sich im Bereich der Pflegefachassistenz befinden, die geringer als die jetzigen Diplomfachkräfte entlohnt werden, und ein geringerer Bedarf an Diplomfachkräften ebenfalls eine Kostenersparnis versprechen, ist eine Abkehr der Politik vom System „Billig und willig“ für den Pflegebereich nicht zu erkennen.

Auch im Umgang mit den bestehenden Pflegekräften ist von einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen nichts zu bemerken, im Gegenteil – exzessive Mehr- und Überstunden, zwei bis drei Wochenenddienste im Monat sind Grundlagen für Frust und Erschöpfungszustände. Hinzu kommt die geforderte Ablehnung von PatientInnen ohne Förderbewilligung. Das trifft den Nerv der Pflege, da hier von den Pflegekersonen etwas gefordert wird, das sie selbst als unethisches
Verhalten wahrnehmen.

Als unabhängige GewerkschafterInnen der KIV zeigen wir diese Missstände seit Jahren aus: In unseren Anträgen in der Arbeiterkammer, bei Demonstrationen, bei diversen Diskussionen und natürlich auch in unserer Öffentlichkeitsarbeit. Die Reaktionen auf diese Bemühungen lassen sich in zwei Worte kleiden: wohlwollend gleichgültig.

ABER: Wenn Menschen, die selbst jahrzehntelang im Pflegebereich tätig waren, Angst davor haben, selbst pflegebedürftig zu werden, dann sind wir auf einer schiefen Ebene.

Wenn Menschen, die eine soziale Grundeinstellung haben, ernsthaft überlegen, eine liberale Wirtschaftspartei zu wählen, dann sollte dies das linke Spektrum im Lande zumindest nachdenklich stimmen.

Viele Menschen im Pflegebereich spüren mangelnde Wertschätzung, spüren Kränkung. Zu glauben, dass solche Emotionen keine Auswirkungen haben, ist Realitätsverweigerung

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