Wenn man heute von Griechenland spricht, meint man nicht mehr Strände, Inseln oder Kultur, sondern die finanzielle Lage des Landes.

Das bisher positive Bild, das Griechenland in Europa hatte, wurde durch die griechische Staats­schuldenkrise in eine Art von Feindbild umgewandelt; das Beispiel Griechenlands wird als Negativ­beispiel für eine verfehlte Wirtschaftspolitik hergenommen und als Damoklesschwert über den Rest Europas gehängt.

Dabei war das ja nicht immer so:

Das Land war seit 1981 Mitglied der Europäischen Union, damals noch Europäische Gemeinschaft genannt, und auch bei der Einführung des Euros 2002 mit dabei. Die Kriterien für die Währungsunion wurden offiziell 2000 erfüllt (seit damals wurde der Euro als Buchgeld neben der alten Drachmen­währung geführt) – überprüft hat dies die EU aber wohl nicht, sonst wären den Finanzministern der EU-Mitgliedsstaaten wohl schon damals Ungereimtheiten aufgefallen.

Die Olympischen Spiele in Athen 2004 verschleierten die prekäre Finanzlage Griechenlands weiter, wurden doch dafür viele Investitionen mit Aussicht auf Nachhaltigkeit getätigt. Allerdings – und das weiß man heute – größtenteils auf Pump, oder das Geld floss in die Taschen einiger superreicher Reeder, die aufgrund des skurrilen Artikels 107 der griechischen Verfassung von den Steuerabgaben befreit waren. Immerhin 17 Milliarden Euro fließen so jährlich an der Finanz vorbei. Auch fundierte Warnungen in deutschen Qualitätsmedien fanden da kein Gehör.

Ein weiterer Punkt war das jahrelange „Frisieren“ der Bilanzen seitens der Regierung. 2009 flog dann alles auf, Griechenland war pleite. Derzeit hat das Land rund 300 Milliarden Euro Staatsschulden, die die breite Bevölkerung in bittere Armut stürzten, die Reichen aber kaum berührte, da diese ihr Vermögen doch größtenteils im Ausland gebunkert haben.

Spardiktat

Da die Europäische Zentralbank und die EU-Mitgliedsstaaten die Hauptgläubiger Griechenlands darstellen, griff die EU daraufhin mit einem harten Spardiktat, dem sogenannten Rettungsschirm, in die Staatsfinanzen Griechenlands ein. Ein rigoroses Programm mit Privatisierungen, teilweise rücksichts­losen Streichungen von Sozialleistungen (Arbeitslose waren plötzlich nicht mehr krankenversichert und hatten auch keine Aussicht auf Besserung, jahrelang erarbeitete Pensionen waren plötzlich so gut wie weg), Massenentlassungen und ein massiver Abbau tausender Stellen im öffentlichen Dienst waren die Folge. Über Nacht standen tausende ArbeitnehmerInnen völlig unverschuldet auf der Straße und eine ganze Gesellschaft musste verbittert feststellen, dass es keine soziale Gerechtigkeit gibt, wenn es um Geld geht.

In den darauffolgenden vier Jahren des Sparens ging die Wirtschaftsleistung des Landes dramatisch zurück, der Mittelstand verschwand während andererseits die Banken bzw. Superreichen weiter verdienten. Darüber hinaus konnten viele der Reformen gar nicht umgesetzt werden, auch wenn einige Staatsausgaben gekappt werden konnten – allerdings wiederum zu Lasten der Einzelnen.

Klinik der Solidarität

Um den katastrophalen sozialen Bedingungen etwas an Härte zu nehmen, entstanden selbst­organisierte Projekte wie die „Klinik der Solidarität“ – eine Einrichtung in der sich Ärzte ehrenamtlich um nicht mehr versicherte Patienten kümmern – oder die selbstverwaltende Fabrik Vio.Me, wo sich die Arbeiter kurzerhand der Produktionsstätte bemächtigten, sich selbst organisierten und seit damals Pflegeprodukte herstellen. Das sind zwar positive Zeichen der Hoffnung, ändern aber an der allgemein schlechten Konjunktur nichts.

Die Regierung selbst tat nicht wirklich etwas gegen die aussichtslose Situation vieler Menschen und ließ die EU-Troika schalten und walten – auch gegen den Widerstand eines Großteils der Bevölkerung, der zu Recht darauf hinwies, dass er nicht die Urheber der Krise war. Der Europäischen Zentralbank ist dies allerdings egal, gleiches gilt auch für die wirtschaftskonservative deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die auf die Einhaltung des vereinbarten Kurses beharrte. Nicht umsonst ist der Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main, umgangssprachlich auch „Mainhatten“ genannt.

Syriza

Die Untätigkeit bzw. Unfähigkeit der amtierenden Regierungen Griechenlands nutzte indes das Wahlbündnis Syriza aus, welches aus linken Kräften entstanden ist und sich als Vertreter des Volkes sieht. Dieses Wahlbündnis kam – trotz massiver Warnungen der EU-Troika – im Jänner 2015 an die Macht und versprach schnelle Besserung. Der Zugang von Syriza ist, dass der Rettungsschirm nicht den Leuten sondern den Banken und Großindustriellen nutzt und daher in dieser Form absolut abzulehnen ist.

Mit dem Versprechen, den einfachen Menschen in Griechenland zu helfen – etwa durch einen Schulden­schnitt oder dem Einstellen der Rückzahlungen an die EU, verbunden mit einer Soforthilfe für bedürftige Griechen – reisen Tsipras und Co. derzeit durch Europa. Seine Bewegung ist der Hoffnungs­träger vieler Menschen, auch außerhalb Griechenlands, die mit dem derzeitigen Wirtschaftskurs Brüssels nicht einverstanden sind und die es satt haben, für die falschen Entscheidungen der Politiker ihr Geld hergeben zu müssen.

Deutschland

Dem gegenüber steht vor allem die Meinung Deutschlands, dass die Verpflichtungen Griechenlands ohne Wenn und Aber einzuhalten sind und es da keinen Verhandlungsspielraum geben könne, wolle Griechenland einen weiteren Überbrückungskredit. Ein von Ministerpräsident Alexis Tsipras veröffentlichter Offener Brief an Deutschland vom 30. Jänner 2015 hat daran bisher nichts geändert.

Darin wird klar dargelegt, wie sich die Situation seit 2010 – Nichtbedienen der Schulden durch Griechenland und gleichzeitiger Verordnung von Sparmaßnahmen seitens der EU – entwickelt hat.

Verarmung

Fakt ist, dass Griechenland zwar Geld benötigt und auch will, jedoch gleichzeitig die Auflagen, die die Menschen in die Verarmung treiben, nicht mehr akzeptieren will. Das Problem der Verarmung gibt es mittlerweile in vielen EU-Ländern, vor allem in den ehemaligen Ostblockstaaten, aber auch auf der Iberischen Halbinsel. Sogar in Österreich zeichnet sich diese Tendenz ab, gelten doch eine halbe Million Menschen als arm und fast eine Million als armutsbedroht.

Dies ist für das viertreichste Land des EU-Raumes eigentlich ein alarmierendes Zeichen. Trotzdem konnte sich die Regierung Faymann bisher nicht zu einer eindeutigen Haltung in der Griechenlandfrage durchringen, man laviert in guter alter österreichischer Tradition zwischen Verständnis „es werde alles unterstützt, was zu einer Annäherung und einem Ergebnis führt“ und Verärgerung „Verpflichtungen sind einzuhalten“ hin und her.

Es kann jeden treffen

Was europaweit fehlt, ist die eigentlich selbstverständliche Solidarität mit dem griechischen Volk, das unverschuldet die Konsequenzen von Fehlwirtschaft und großangelegtem Steuerbetrug der Reichen tragen muss, das vom Staat und der EU völlig im Stich gelassen wird und das, um die Interessen von Banken und Wirtschaft zu bedienen, teilweise vor dem Nichts steht.

Es bleibt abzuwarten welche Entscheidungen die EU-Granden schlussendlich treffen und wie sie sich letztendlich auch auf unser Land auswirken. Denn eines ist nach der Bankenkrise (Stichwort: Hyposkandal) klar: Es kann jeden treffen. Auch uns.

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