Dienstgeberin-Marke sozial und fair?

Wäre die Gegenwart ein Kind, müssten wir es als hyper­aktiv einstufen. Zu viele richtungsweisende Themen sind gleichzeitig aktuell.

Top-Begriffe für die Arbeit­geberin Stadt Wien

Im Wettbewerb um die besten BewerberInnen am Arbeitsmarkt können wir nur bestehen, wenn wir von diesen als ­attraktive ­Arbeitgeberin wahrgenommen werden. Die Stadt Wien muss sich daher deutlicher positionieren und klar ­machen, wofür sie steht und was sie ihren MitarbeiterInnen bietet.
(Zitat Intranet)

Für alle, die keinen Zugang zum stadteigenen Internet, dem ­sogenannten Intranet haben, sei hier erklärt, dass seit ­Dezember 2014 die beliebtesten ­Begriffe, welche die Stadt Wien als Arbeitgeberin ­beschreiben, gesammelt werden.

Bis 27. Feber 2015 dürfen alle MitarbeiterInnen der Stadt Wien einen Fragebogen ausfüllen, um sich „mit den ­Ergebnissen identifizieren zu können“.
Zur aktuellen Auswahl stehen u.a. ­“sozial“, „stabil“, „fair“, „sicher“ und „verlässlich“.

Originaltext aus dem Intranet:

Die ArbeitgeberIn-Marke soll ein glaubwürdiges und unverwech­sel­bares Bild von einem Unternehmen in der Rolle als ArbeitgeberIn ­vermitteln. Im Markenbildungsprozess werden Werte, Ziele und Identität eines Unternehmens auf den Punkt ­gebracht und in den Köpfen der ­MitarbeiterInnen und potenzieller ­BewerberInnen verankert. Um ein glaubwürdiges Bild des Unternehmens zu ­erzeugen, ist die Mitwirkung der eigenen MitarbeiterInnen am Entwicklungsprozess der ArbeitgeberIn-Marke von großer Bedeutung … Nur so können sich alle damit identifizieren und die Arbeit­geberIn-Marke auch nach außen tragen. Am Arbeitsmarkt soll die ArbeitgeberIn-Marke wie ein Magnet ­wirken, der nur die Personen anzieht, die zum Unternehmen und seinen MitarbeiterInnen passen.

Soweit so interessant.

Auch wenn es eigenartig anmutet, dass der Großteil des ­Informationsflusses über diese Marketing-Kampagne nur den KollegInnen mit Nutzungsrecht des Intranets zugänglich ist (selbst dort muss mensch schon sehr genau suchen, um die betreffenden Seiten derzeit noch zu finden). Und der zeitliche Rahmen zwischen Erhalt des Fragebogens und Abgabetermins ist wahrlich knapp bemessen – ­vermutlich, damit Kuverts und Zettel nicht in Vergessenheit geraten ­können.

Zum Image passend:
Die berühmt-berüchtigte Besoldungsreform

Schon lange laufen dazu die vorbereitenden Arbeiten im Hintergrund. Obwohl in der Politik an allen Ecken und ­Enden Transparenz DAS Schlagwort schlechthin ist, ­erfahren jene Menschen, die von einer Reform ­betroffen sind, bestenfalls allgemeingültige Schlagworte.

Bleibt also den Bediensteten nur zu hoffen, dass ihre ­berechtigten Anliegen und Hoffnungen von den ­wenigen auserwählten GewerkschaftsfunktionärInnen der Steuer­ungsgruppen auch entsprechend ­vehement der Dienstgeberin und ­ihren VertreterInnen gegenüber vertreten und verteidigt werden.

Aktueller Verhandlungsstand zum Erschrecken

Leider machen die Informationen an die übrigen FunktionärInnen der ­Gewerkschafts- und Personal­vertreterInnen schier sprachlos! Es erweckt den Anschein, als ob die ­maßgeblichen Eckpunkte in kleiner Runde schon längst ausverhandelt und nur mehr kosmetische Eingriffe durch die „Expert­Innenrunden“ möglich wären.

Beschwichtigungen nach dem Motto: „betrifft ohnehin nur die Neueinstellungen ab 2017“ sind einerseits unrichtig und andererseits ­einer Gewerkschaftsbewegung mehr als ­unwürdig!

Es kann doch auch nicht sein, dass zahlende Mitglieder ­einer unverzichtbaren Bedienstetenvertretung wie unmündige Kleinkinder über kommende ­Veränderungen, die ihr Leben derart entscheidend beeinflussen, nicht im Mindesten ­informiert werden. Ja nicht einmal die von ihnen gewählten und berufsspezifisch fachlich kompetenten VertreterInnen werden in die Ausarbeitung zukunftsweisender Neugestaltungen einbezogen, sondern eine minimale ­Auswahl von FunktionärInnen der mittleren ­Ebene ­entscheiden für Generationen von Bediensteten über ­deren Köpfe hinweg!

Und wie kann sich eine Dienstgeberin als „sozial“, „stabil“, „fair“, „sicher“ oder „verlässlich“ titeln lassen, wenn mit ihr ­abgeschlossene Vereinbarungen im Zuge einer sogenannten ­Reform einseitig zu immensen Verschlechterungen der Belegschaft führen?

Wenn schon, dann bitte auch ehrlich zugeben, dass es schlichtweg um Einsparungen in Millionenhöhe geht und ­keinerlei Verbesserungen der ­ohnehin kräfteraubenden und zermürbenden Rahmenbedingungen durch­geführt werden.

Die derzeitigen MitarbeiterInnen ­halten schließlich oft schon seit Jahrzehnten der Stadt die Treue, tragen zum guten Image ihrer Bereiche bei und haben sich so echte Wertschätzung und nicht klischeehafte Lobhudeleien verdient.

Künftige KollegInnen sind auch nicht dumm und werden ihre ­Arbeitgeberin an Tatsachen und nicht an blumigen Versprechungen messen und danach ihre ­berufliche Bindung treffen.

Dass sich Stadt/Politik gleichzeitig im Krankenanstaltenverbund (KAV) darum kümmert, dass sich auch die ­dort beschäftigten Bediensteten wie die ­berühmten auszuquetschenden Zitronen fühlen dürfen und ­jede/r Bürger nur hoffen kann, ­möglichst wenig vom Gesundheitssystem benötigen zu müssen, macht die Stimmung nicht besser.

Vielleicht ist die kommende Wien-Wahl mit den üblichen ­“sozialen“ Versprechungen (zum Beispiel Gratisnachhilfe statt grund­legenden Verbesserungen im ­Bildungssystem) Ursache des massiven Nachlassens sozialpartnerschaftlichen Denkens und Handelns.

Vielleicht ist es aber auch ein möglicher Zeitpunkt, um auf derartige Reformen zu reagieren!

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