Die Über­lastungs­anzeige in der Pflege – Haftungsrechtliche Relevanz.

Diskussionsabend zur verordneten Kompetenzerweiterung in der Pflege 13. Jänner 2015

Immer mehr KollegInnen im Gesundheits- und Sozialwesen klagen über Überlastung aufgrund ihrer problematischen Arbeitsbedingungen, einer zunehmenden Arbeitsverdichtung, schleichender Einsparungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen, Dequalifizierung und eines Personalmangels, der nicht nur zu Lasten der Gesundheit der Beschäftigten sondern auch zu Lasten der Qualität der Leistungen und des „Kunden“ geht. Eine Möglichkeit sich gemeinsam dagegen zu wehren ist sicherlich das Instrument der „Überlastungsanzeige“.

Wir von der KIV/UG kennen das Instrument der Überlastungsanzeige schon länger und halten es für einen brauchbaren Ansatz.

In zunehmendem Maße wird die Personalpräsenz  der Pflegepersonen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und anderen Einrichtungen des KAV  immer dünner. Die direkte Folge ist, dass immer weniger Pflegepersonen immer mehr PatientInnen versorgen müssen. Wenn dann auch noch krankheits- oder urlaubsbedingte Ausfälle hinzukommen, ist es umso schwieriger für das auf der betroffenen Station bzw. in der betroffenen Schicht tätige Pflegepersonal, personelle Engpässe aufzufangen und weiterhin für eine sichere Pflege zu sorgen. Dies ist nicht nur für die direkt betroffenen PatientInnen problematisch, sondern hat auch für die für die Pflege verantwortliche Person haftungsrelevante Bedeutung.

In diesem Kontext kommt der sogenannten Überlastungsanzeige für die betroffenen Pflegekräfte eine wichtige, haftungsrelevante Bedeutung zu, die nicht zu unterschätzen ist.

Treuepflicht/ Anzeigepflicht des Mitarbeiters

Neben den Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis bestehen eine Vielzahl  wechselseitige Nebenpflichten. §§15 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz  Abs.5-6 und Wiener Bediestetenschutzgesetz §13 Abs.5-6

  • Eine der wichtigsten Pflichten wird als Treuepflicht bezeichnet
    Im Rahmen dieser Treuepflicht ist der Mitarbeiter verpflichtet, dem Dienstgeber einen drohenden oder voraussehbaren schaden unverzüglich und schriftlich anzuzeigen.
  • Überlastungsanzeige als Schadensentlastung
    Mit einer Überlastungsanzeige erfüllt der Mitarbeiter seine, aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Treupflicht. Gleichzeitig beugt er auch Schadenersatzforderungen vor.

I. Charakteristik der Überlastungsanzeige

Eine Überlastungsanzeige ist in der Regel eine schriftliche Information an die Pflegedienstleitung(Dir. des Pflegedienstes)  bzw. den Arbeitgeber über Arbeitsbedingungen, die zu Schäden der anderen Vertragspartei (Patient) führen bzw. führen können. Die Stellung als Erfüllungsgehilfe macht die Information zur vertraglichen Pflicht. Die Anzeige dient dazu, den Arbeitgeber auf organisatorische Mängel hinzuweisen, sodass dieser sie ausräumen kann.

Dabei bleibt die Verpflichtung der ArbeitnehmerInnen erhalten, ihre Arbeit mit besten Wissen und Gewissen zu erledigen. Strafbare Handlungen werden dadurch nicht entschuldigt.

Die Information der PatientInnen über eine bevorstehende Leistungsminderung ist nicht Gegenstand der Überlastungsanzeige. Erfolgt diese Information direkt durch Beschäftigte, kann dies evtl. zum Vorwurf der Geschäftsschädigung führen.

II. Form der Überlastungsanzeige

Eine Überlastungsanzeige bedarf grundsätzlich keiner bestimmten Form. Sie kann also sowohl mündlich als auch schriftlich der verantwortlichen Stations- bzw. Dienstleitung oder auch dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Doch sollte sie auch beweisrechtlichen Gründen stets schriftlich erfolgen, damit keine Zweifel über das Erfolgen der Überlastungsanzeige und deren Inhalt aufkommen können.

Gegebenenfalls sollte auch der Empfang bzw. die Übergabe an die Stations- oder Dienstleitung schriftlich festgehalten werden. Dies ist besonders dann angezeigt, wenn die Reaktion auf Überlastungsanzeigen von der Arbeitgeberseite generell eher negativ ausfällt.

III. Inhalt einer Überlastungsanzeige

Unbedingt sollte die Art der Überlastung und der Grund ihres Entstehens klar und unmissverständlich aufgezeigt werden. Der Grund des Organisationsmangels sollte konkret benannt werden. Es ist darauf hinzuweisen, dass Fehler nicht auszuschließen sind und dass um Abhilfe gebeten wird. Der Hinweis an den Arbeitgeber, dass er nun in seiner Organisationspflicht steht, ist sicherlich hilfreich.
Man sollte ausdrücklich darauf hinweisen, dass auch weiterhin alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um eine Gefährdung der Patienten zu vermeiden.

Die Überlastungsanzeige sollte auch verdeutlichen, dass zumindest die überwiegende Mehrheit der Pflegekräfte die Situation genauso problematisch einschätzt, wie die Überlastungsanzeige dies zum Ausdruck bringt.

IV. Haftungsrechtliches Erfordernis

Es ist unter haftungsrechtlichen (zivil- und strafrechtlich) Anforderungen unabdingbar, dass die jeweils verantwortliche Pflegeperson ihre Bedenken hinsichtlich der Patientenverantwortung umgehend schriftlich der Stations- oder Pflegeleitung weitergibt. Nur so kann das für die sichere Pflege der Patienten verantwortliche Pflegepersonal sich aus der aus der Unterbesetzung resultierenden Organisationshaftung befreien. Meldet die verantwortliche Pflegeperson die Überlastung nicht an, kommt dies einer Zustimmung der Situation gleich, mit der ausgesagt wird, die Pflege könne auch weiterhin sichergestellt werden. Kommt es dann doch aufgrund des Personalmangels zu Pflegemängeln bzw. -schäden, betrifft die daraus resultierende Haftung grundsätzlich auch das Pflegepersonal. Diese ergibt sich aus der Organisationsverantwortung und der Organisationshaftung für eine gefährliche Pflege im Sinne des Übernahmeverschuldens. (Einlassungsfahrlässigkeit)

V. Überlastungsanzeigen betreffende Dienstanweisungen

Es ist in den meisten Fällen davon auszugehen, dass der Arbeitgeber Überlastungsanzeigen kritisch gegenüber steht. Es kommt daher vor, dass Dienstanweisungen erteilt werden, Überlastungsanzeigen doch zu unterlassen, da sie an der aktuellen Situation nichts ändern würden und die Pflegekräfte ohnehin die rechtliche Verantwortung tragen würden. Stattdessen solle darauf geachtet werden, Arbeitsabläufe zu komprimieren und „unwichtige“ Arbeiten nachrangig zu behandeln. In meinem Fall war es sogar so, dass die Pflegeleitung bei der unmittelbar danach stattgefundenen Sitzung die Überlastungsanzeige als verfehlt beurteilt hat.

Werden solche oder ähnliche Dienstanweisungen erteilt, ist stets zu beachten, dass die haftungsrechtlichen Konsequenzen, die mitunter sehr schwer wiegen können, für die betroffene Pflegekraft, nur ausgeschlossen (zivilrechtlich) bzw. entschärft (strafrechtlich) werden können, wenn die unzureichende Personalstand ausdrücklich der Stations- bzw. Pflegeleitung angezeigt wird. Dienstanweisungen der oben genannten Art entbinden nicht von dieser Pflicht. Pflegepersonen sind berechtigt, Überlastungsanzeigen zu verfassen. Es ist ihnen nicht zuzumuten, auszuwählen welche Schädigungen sie PatientInnen zufügen. Hierzu sind sie arbeitsrechtlich sogar gem. §§ 15-5, 6 ArbSchG im Sinne des Arbeitsschutzes verpflichtet.

Das Verhindern oder Untersagen von Überlastungsanzeigen mit der Androhung von dienstrechtlichen Konsequenzen ist nicht zulässig.

VI. Fazit

Ist eine Überlastungsanzeige aufgrund der personellen Situation angezeigt, sollte diese unbedingt auch gegenüber der Stations- oder Pflegeleitung erfolgen. Erfolgt sie nicht, setzen sich die verantwortlichen Pflegepersonen einem erheblichen Haftungsrisiko bei dann ggf. auftretenden Pflegemängeln aus. Dienstanweisungen, die dazu raten, Überlastungsanzeigen zu unterlassen, haben weder auf die haftungsrechtlichen Konsequenzen für die Pflegekräfte Auswirkungen noch können sie das Recht auf Erstellen einer Überlastungsanzeige hindern.
Wenn die Stationsleitungen nicht im Hause sind bist du dafür da, Probleme entgegenzunehmen und eine Lösung zu finden. Danach alles zu dokumentieren und ein Überlastungsanzeige schreiben. Zur ordnungsgemäßen Pflichtfüllung gehört auch und vor allem eine richtige und vollständige Dokumentation (GuKG)  Diese Überlastungsanzeige sollte auch in Kopie an die örtliche Personalvertretung weitergeleitet werden.

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