In einer aktuellen Studie hat die Oberösterreichische Arbeiterkammer erhoben, wie viele Vollzeitbeschäftigte in Österreich zu Niedriglöhnen arbeiten. Es sind erschreckend viele.

Eintausendsiebenhundert Euro Mindestlohn – das ist die aktuelle Mindestlohnforderung von Gewerkschaftsbund und den Fachgewerkschaften. Das ­entspräche einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 1310 Euro. Das ist nicht wirklich viel. Allerdings gibt es immer noch 344.000 Arbeitnehmer­Innen in Österreich – vollzeitbeschäftigte ArbeitnehmerInnen – die weniger als 1700 Euro brutto im Monat verdienen. Und: selbst 1500 Euro brutto Mindestlohn im Monat bleibt nach wie vor für knapp über 244.000 unselbständig Vollzeitbeschäftigte unerreichbar. Das ergibt eine Sonderauswertung der Statistik Austria im Auftrag der Oberösterreichischen Arbeiterkammer.

Mindestlohn

Die Mindestlohnforderung orientiert sich an der ­Niedriglohnschwelle, die bei zwei Drittel des mittleren ­Einkommens (Medianeinkommen) bei Vollzeit angesiedelt ist. Diese Niedriglohnschwelle – und damit auch die ­Mindestlohnforderung – bewegen sich ziemlich exakt bei 1700 Euro brutto im Monat.

Bei einer Mindestlohnforderung handelt es sich also nicht um eine willkürlich fest­gelegte Größe, sondern um einen allgemein verwendeten Standard.

Aktueller Stand in Österreich

Im Gegensatz zu vielen anderen Industrieländern gibt es in Österreich keinen allgemein gültigen Mindestlohn – weder auf „generalkollektivvertraglicher“ noch auf ­gesetzlicher Ebene.

Mindestlöhne finden sich in den einzelnen Branchen­kollektivverträgen. Allerdings haben sich die Gewerkschaften bis vor kurzem noch zum Ziel gesetzt, in allen Kollektivverträgen einen Mindestlohn von zumindest 1500 Euro brutto im Monat bei Vollzeit zu verankern. ­Teilweise auch mit Erfolg: Von 2009 bis 2014 ist die Zahl derjenigen Beschäftigten, die unter 1500 Euro lagen von 340.423 auf 244.097 Betroffenen gesunken. Im Handel – 2014 noch die absolut größte „Niedriglohnbranche“ – wurde mit Jahresbeginn 2015 ein Vollzeit-Mindestgehalt von 1500 Euro brutto erreicht, das sich in den statistisch erfassten Zahlen noch nicht niederschlägt.

Vollzeit unter 1700 Euro nach Bundesländern, Geschlecht …

Das jüngst beschlossene Mindestlohnziel der Gewerkschaften beläuft sich auf 1700 Euro brutto monatlich. 2014 lagen fast 344.000 ArbeitnehmerInnen (Vollzeit) – das sind 15,6 Prozent aller 2014 Vollzeitbeschäftigten (23,9 Prozent aller vollzeitbeschäftigten Frauen, 11,2 Prozent aller vollzeitbeschäftigten Männer) unter dieser Marke.

Über die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten unter 1700 Euro sind weiblich (53 Prozent). Besonders hoch ist der Anteil der Vollzeit-ArbeitnehmerInnen unter 1700 Euro in Salzburg (17 Prozent) und in Wien (16,7 Prozent). Auffallend niedrig ist in Wien allerdings der Anteil der Frauen unter 1700 Euro. Dieser liegt mit 19,6 Prozent deutlich unter dem Österreichschnitt und ist auch der beste Wert in den ­Bundesländern.

Zurückzuführen ist dieser geringe Niedriglohnanteil auf den besonderen Stellenwert des (besser entlohnten) öffentlichen Sektors in Wien. Der ungleich höhere Frauenanteil an Niedriglöhnen in Salzburg – er liegt bei 26,9 Prozent aller weiblichen Vollzeitbeschäftigten – ist dagegen auf die Dominanz der beiden Niedriglohnbranchen Handel und Tourismus in diesem Bundesland zurückzuführen. Unter dem österreichischen Durchschnitt liegen

  • Oberösterreich (15,1 Prozent),
  • das Burgenland (13,9 Prozent)
  • und Niederösterreich (13,8 Prozent).

… und Branchen

Die in absoluten Zahlen meisten Beschäftigten, die weniger als 1700 Euro verdienen, finden sich in den Branchen Handel, Warenherstellung und Hotel und Gastgewerbe.

  • Knapp über 78.000 Handelsangestellte (davon 47.000 Frauen) sind im Niedriglohnbereich angesiedelt,
  • ebenso rund 52.500 Beschäftigte in der Warenproduktion (21.600 Frauen)
  • sowie 47.700 ArbeitnehmerInnen im Gastgewerbe (28.810 Frauen).
    Auf Platz vier landet schon – nach absoluten Zahlen – der Bereich öffentliche Dienste, Gesundheit und Soziales mit 29.162 Betroffenen – in der Mehrheit, nämlich mit knapp mehr als 28.500 Personen – Frauen.

In Prozent ausgedrückt – also als Anteil der NiedriglohnbezieherInnen an allen Beschäftigten einer Branche – findet sich der mit Abstand höchste Prozentsatz im Bereich

  • Hotel und Gastgewerbe (59,9 Prozent der Beschäftigten, davon 67,7 Prozent Frauen!),
  • sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen (26,6 Prozent, 39,9 Prozent Frauen),
  • Handel (24,4 Prozent, 37,2 Prozent Frauen)
  • und Bau (19,4 Prozent).

Der Niedriglohnsektor ist in relativen Zahlen – im Unterschied zu den absoluten Werten – in gewerkschaftlich gut organisierten Bereichen wie der Warenproduktion mit 10,8 Prozent (23,2 Prozent Frauen) am niedrigsten.

Ausmaß der Niedrigentlohnung noch höher

Die oben genannte Zahl 344.000 Niedriglohnbeschäftigter bezieht sich auf das Segment ganzjährig Vollzeitbeschäftigter – gerade noch 52,2 Prozent aller Beschäftigten. Rechnet man Teilzeit- und unter einem Jahr Vollzeit-ArbeitnehmerInnen, die ebenfalls entsprechend ihrem Stunden- beziehungsweise Beschäftigungsumfang unter 1700 Euro verdienen, hinzu, würde sich die Anzahl der Niedriglohnbeschäftigten deutlich erhöhen.

Die Datenlage lässt allerdings keine genaue Bezifferung zu. Wird der Niedriglohnanteil der Vollzeit-Beschäftigten herangezogen (die bereits erwähnten 15,6 Prozent) kämen noch einmal dreihunderttausend Arbeitnehmer­Innen hinzu.

„… Weg eines Generalkollektivvertrags oder gesetzliche Regelungen denkbar.“

Die Forderungen, die sich für die Oberösterreichische Arbeiterkammer unter anderem ergeben:

  • Schrittweise Anhebung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne und – gehälter auf monatlich 1700 Euro brutto in allen Branchen,
  • gleicher Lohn für gleiche/gleichwertige Arbeit von Frauen und Männern,
  • korrekte Einstufung,
  • Abschaffung kurzer Verfallsfristen von ­Entgeltansprüchen,
  • die Modernisierung des Arbeitsrecht (zum Beispiel kollektivvertraglicher Schutz auch für „Scheinselbständige“),
  • wirksame Umsetzung und Kontrolle des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes.

Besonders bemerkenswert erscheint dabei in der Presseunterlage der Oberösterreichischen Arbeiterkammer jene Stelle, in der die Arbeiter­kammer zwar der Absicherung in den Branchen­kollektiv­verträgen Vorzug gibt, gleichzeitig aber festhält, dass, sollte die flächendeckende Umsetzung von wesentlichen Mindeststandards an der Arbeitgeber­seite scheitern, auch ein Generalkollektivvertrag oder „gesetzliche Regelungen denkbar“ wären.

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland – wenn auch unter anderen Voraussetzungen, wie einer im Vergleich zu Österreich deutlich schlechteren kollektivvertraglichen Abdeckung – hat sich jedenfalls bewährt: Nicht nur, dass es in jenen Branchen – etwa im Bereich Gastgewerbe und Tourismus – die von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns besonders betroffen waren, entgegen im Vorfeld der Umsetzung insbesondere seitens der ArbeitgeberInnen geäußerter Befürchtungen zu einem deutlichen Beschäftigungs­zuwachs gekommen ist, hat der Mindestlohn zum erwarteten, beziehungsweise erhofften Wachstums- und Kaufkraftschub geführt.

Im Herbst 2015 gab es in Deutschland siebenhunderttausend sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mehr als ein Jahr zuvor. Gründe, die jedenfalls für eine möglichst rasche – gegebenenfalls auch gesetzliche – Umsetzung der Mindestlohnforderung sprechen. Auch in Österreich.

Quelle: Die Alternative

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