Die USA und die EU verhandeln seit Monaten das Handels­abkommen „Trans­atlantische Handels- und Investitions­partnerschaft“.

Gegen dieses Abkommen regt sich wachsender Widerstand von ökologisch, sozial und demokratie­politisch besorgten BürgerInnen und Organisationen.

Der Angriff auf Umweltschutz, Sozialstaat und Privatsphäre

Für den Handel zwischen den USA und der Europäischen Union fallen kaum noch Zölle an, Kern der ­Verhandlungen ist daher die gegenseitige Anerkennung gesetzlicher Standards.

An einem deutlichen Beispiel erklärt: Europa hat sehr strenge Bestimmungen was das Klonen, Gentechnik und die hormonelle Behandlung von Nutztieren angeht. Die Landwirtschaft der USA ist da deutlich weniger reglementiert. Die gegenseitige Anerkennung von Standards bedeutet: Ein US-Konzern dürfte in Europa verkaufen, was er auch in den USA verkaufen darf – und umgekehrt. Das würde natürlich auf beiden Seiten des Atlantiks zu dem Druck führen, die Standards des jeweils anderen „Handelspartners“ zu unterlaufen, um einen Standortvorteil zu haben.

Umweltschutz und VerbraucherInnenschutz wären damit ausgehebelt.

Diese gegenseitige Anerkennung soll aber noch weiter gehen und auch die sozial- und arbeitsrecht­lichen Standards der Produktion und sogar Datenschutzbestimmungen umfassen. Dadurch käme zum Beispiel ACTA durch die Hintertüre wieder (ACTA war ein geplantes, multilaterales Handelsabkommen auf völkerrechtlicher Ebene, bei dem es um internationale Standards im Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen ging. Anm. d. Red.)

Wie die Demokratie ausgehebelt wird

Die geplante Umsetzung dieser Bestimmungen ist besonders skandalös: Es soll ein Schattengericht geschaffen werden, das in geheimen Prozessen entscheidet, ob Standards tatsächlich gegenseitig anerkannt werden.

Das würde zum Beispiel so laufen: Österreich erlässt ein neues Gesetz zur Medikamentensicherheit, Pharmakonzern XY muss ein Produkt vom Markt nehmen. XY ist der Meinung, dadurch würde das TTIP verletzt und klagt die Republik – aber nicht in einem öffent­lichen Prozess, sondern eben vor einem extra eingerichteten, geheim tagenden und verhandelnden, letztlich privaten Schiedsgericht. Die Urteile sollen ebenfalls der Geheimhaltung unterliegen. Die Republik Österreich müsste das Produkt zulassen oder den vom Schiedsgericht festgestellten „Schaden“ an das Unternehmen als Strafe zahlen – ohne die Bevölkerung informieren zu dürfen.

Solche Schiedsgerichte gibt es bereits in der nord­amerikanischen Freihandelszone NAFTA – da ist nicht nur die Klage auf entgangene Profite möglich, sondern auch aufgrund gesunkener Gewinnerwartungen bei ­politischen Entscheidungen.

Intransparenz

Die TTIP-Verhandlungen finden de facto hinter verschlossenen Türen statt. Verhandlungspartner ist auf ­europäischer Seite die EU-Kommission, die ein Verhandlungsteam eingesetzt hat. Das Europäische Parlament wird über den Verlauf der Verhandlungen nicht informiert.

Der globale Kontext

Handelsabkommen sind eines der Kernthemen der ­Globalisierungskritik. In den 1990er-Jahren wurde versucht, über die Welthandelsorganisation WTO ein globales ­Freihandelsregime aufzusetzen, der Widerstand war enorm (berühmt wurden die Proteste in Seattle 1999). Blockiert wurde das Unterfangen letztlich durch den Widerstand der ärmeren Staaten, die sich gemeinsam gegen die westlichen Industriestaaten ganz gut behaupten konnten.

Daher erfolgte ein Strategiewechsel, die USA und die Europäische Union setzten auf kleinere, regionale Frei­handelsabkommen, oft mit einzelnen Staaten. Da kann man sich leichter durchsetzen. Die USA verhandeln derzeit nicht nur das transatlantische Abkommen, sondern auch eines für den pazifischen Raum.

Dieser Druck trug erst vor kurzem dazu bei, den ­globalen Süden nach fast zehn Jahren Stillstand bei den WTO-Gesprächen doch zu einem Ergebnis zu prügeln. Die Kompromisse sind beschämend: Indien zum Beispiel darf zwar weiterhin Lebensmittel subventionieren, um den Hunger zu bekämpfen, darf dieses Programm in Zukunft aber nicht mehr ausweiten oder auf eine breitere Palette von Lebensmitteln anwenden.

Dem TTIP kommt bei dieser Strategie besondere Bedeutung zu, da der entstehende Handelsraum fünfzig Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und ein Drittel des Welthandels umfassen würde. Das TTIP würde damit die ­Rahmenbedingungen des globalen Welthandels dominieren, alle anderen Abkommen wären davon beeinflusst.

Geschrieben von Michel Reimon.


Quelle: Die Alternative

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