In Griechenland ist der Kurswechsel vielleicht gelungen. Dies hängt jetzt weniger von der griechischen Regierung als von der EU, der Troika und Deutschland ab.

Werden diese das Wahlergebnis, die Abkehr von der bisherigen Politik, die als Umsetzung von Vorgaben der Troika verstanden werden kann, akzeptieren?

Das Ergebnis dieser Wahl in Griechenland und der Erfolg der Verhandlungen in Bezug auf die ­Auflagen und Eingriffe in Zusammenhang mit dem Rettungsschirm werden Auswirkungen auf die derzeitige Organisations- und Entscheidungsstruktur im gesamten Euroraum haben. Gelingt der Bruch mit der Sparpolitik?

Die Forderungen der Syriza

sind vernünftig und ­demokratiepolitisch ein Gebot der Stunde. Es ist eine neue Regierung gewählt worden, die die zunehmende Verelendung eines Landes stoppen will und daher die Verträge, die diese Verelendung begründen, neu verhandeln muss. Und auch wenn uns noch so viele Kommen­tatoren weis machen wollen, dass es sich hier um unzumutbare Forderungen handelt und Verträge einzuhalten sind, zeugt dies nicht von ökonomischem Verständnis oder Überzeugung von einem demokratischen Regelwerk, sondern einzig und allein von Systemerhalt.

Die griechische Regierung fordert eine europäische Schuldenkonferenz und eine Neuverhandlung der Schuldentilgung. Sie braucht Mittel für öffentliche Investitionen zur Wiederbelebung der griechischen Volkswirtschaft, sie braucht eine Bevölkerung, die mittels Konsum zu dieser Belebung beitragen kann. Dazu fordert sie die Erhöhung des Mindestlohns auf die ursprünglichen 750 Euro pro Monat, die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen und ein Eindämmen der Prekarisierung. ­Kollektivverträge sollen wieder Gültigkeit bekommen. Diese Forderungen zeigen weniger wie angeblich linksreaktionär (Original-Ton Hans Rauscher) diese Regierung ist, sondern viel eher, wie weit sich die Vorgaben der Troika von demokratischen Grundwerten und Menschenrechtserklärungen wegbewegt hat.

Die Verhandlungen haben begonnen

und Griechenland sucht einen Ausweg aus der Krise. Wie zu erwarten, setzt bei den Verhandlungs­partnerInnen nicht die Vernunft ein. Vieles der Inhalte der Gespräche können wir nicht beurteilen, da wir sie nicht kennen, wir können aber die Stimmung und die veröffentlichten Reaktionen einer kritischen Betrachtung unterziehen und dies ist wichtig. Der Versuch, vor allem den griechischen Finanzminister wegen eines angeblichen Schlingerkurses als unzuverlässig hinzustellen oder auf Äußerlichkeiten zu reduzieren, wurde breit rezipiert.

Die Zugeständnisse, die die griechische Regierung machen musste, um diese viermonatige Frist zu ­bekommen, waren weitreichend. Kleine Schritte sind gelungen, in dem zum Beispiel im Bereich der Arbeitsmarktreformen die Sozialpartner, die „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ und die Internationale Arbeitsorganisation „ILO“ einbezogen werden sollen.

Abkehr vom Spardiktat

Vier Monate, in denen nicht nur Griechenland, sondern der ganze Euroraum gefordert ist, an einer Abkehr des Spardiktats mitzuwirken. Um der eigenen Bevölkerung zu erklären, dass ohne Investitionen kein Wachstum ent­stehen kann. Um ohne das Schielen auf den Boulevard deutlich zu machen, dass die Krise nicht in Griechenland entstanden und auch dort nicht gelöst werden kann. Um zu erklären, was es bedeutet, wenn ein ganzes Land ­verarmt und verelendet. Um zu zeigen, dass Sparen in ­diesem Fall nur in eine Rezession führen kann. Um klar zu sagen, dass es nicht nur um Griechenland, Spanien, ­Portugal, Irland und vielleicht bald um Italien geht, ­sondern um Europa und um alle damit verbundenen ­Volkswirtschaften. Hier sind Gewerkschaften, die Sozial­demokratie und die Grünen gefordert, dies ist keine Zeit für noble Zurückhaltung.

Aber noch etwas ist gelungen. Das System beginnt zu bröckeln. Es ist möglich, die Vorgehensweise der Troika massiv in Frage zu stellen. Sie wird diskutiert. In einer beachtlichen Dokumentation auf ARTE ist deutlich gezeigt worden, welche Verwerfungen dieses System der Kontrolle durch EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalen Währungsfonds mit sich gebracht hat. Es wird bekannt, dass die Zahlungen des Rettungsschirms nicht in Griechenland angekommen sind, sondern dazu genutzt wurden, um europäische Banken und den Finanzsektor zu stützen.

Es wird endlich darüber diskutiert, dass die Troika keinerlei demokratischer Kontrolle unterliegt und sie ihr Vorgehen nicht politisch legitimieren muss. Es wird deutlich darüber berichtet, dass die rigide Sparpolitik in keinem der betroffenen Länder einen Aufschwung oder auch nur ein bescheidenes Wachstum gebracht hat. Es wird hinterfragt, mit welchem Ziel die Troika agiert und wer sie beeinflusst.

Am Anfang

Zugegeben, wir befinden uns am Anfang und es wird wohl noch dauern, bis die Zusammenhänge aufgearbeitet werden. Die breite öffentliche Meinung ist noch nicht erreicht. Kampagnen von verschiedenen Seiten versuchen nach wie vor eine Schuldfrage aufzuwerfen und diese der griechischen Bevölkerung anzulasten. Hilfreich wäre auch eine breite Front der Sozialdemokratie und der Grünen zur Unterstützung der Veränderungen in der Austeritätspolitik, zur Aufdeckung der Vorgehensweise der Troika und zur Demokratisierung der europäischen Institutionen.

Um Schäuble zu zitieren „Die Probleme müssen dort gelöst werden, wo sie entstanden sind“: Ja stimmt, diese „Probleme“ sind das Ergebnis einer fehlgeleiteten und gescheiterten Politik des Europäischen Rats, Kommission, der Europäischen Zentralbank und der Eurogruppe. Die Alternativkonzepte liegen auf dem Tisch. Mehrfach überprüft, gut durchdacht und logisch durchargumentiert.

Quelle: Die Alternative

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