Einschätzung aus alternativ-gewerkschaftlicher Sicht: Jede Menge Schatten, im Bereich Sicherheitspolitik tiefste Nacht. Die ÖVP hat sich inhaltlich weitgehend durchgesetzt. Eine sozialdemokratische Handschrift ist nur in Spuren zu finden.

Die Arbeitsmarktmaßnahmen sind grundsätzlich angebots- und nicht nachfrageorientiert.“ Das ist eine eklatante Fehleinschätzung der ökonomischen Situation, die steigende Arbeitslosigkeit ist ins­besondere auf die mangelnde Nachfrage (Austeritätspolitik, massiver Rückgang öffentlicher und in Folge privater Investitionen, pessi­mistische Stimmungslage etc.) zurückzuführen. Entsprechend kritisch sind die Punkte im Papier auch zu bewerten, da ihnen eine falsche Analyse zugrunde liegt.

Beschäftigungsbonus (­Lohnnebenkostensenkungen):

Die entstehenden Kosten sind nicht abzuschätzen, die Gegen­finanzierung vollkommen ungeklärt, tendenziell sind Mitnahmeeffekte zu befürchten (Jobs wären ohnehin entstanden, Förderungen werden gerne ­„mitgenommen“). Schwer feststellbar, was jetzt „neue“ Arbeitsplätze sind.

Kalte Progression:

Automatismus birgt in sich ziemliche Probleme und Umverteilungs­effekte, die insbesondere oberen Einkommensgruppen zugute kommen – auch in diesem Modell, da diese Gruppen jedenfalls in die untersten beiden Tarifstufen fallen. Nicht geklärt ist, ob Negativsteuer auch entsprechend indexiert wird.

Halbierung Flugabgabe:

Flüge gehören tatsächlich verteuert, insbesondere auch, um im Nahverkehr die Bahnnutzung zu attraktivieren! Die Halbierung der Flugabgabe ist umwelt­politisch gesehen höchst kontraproduktiv und geht vollkommen in die falsche Richtung.

Entgeltfortzahlung neu:

Statt die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt finanziell noch stärker zu belasten, nachdem die Beiträge zur Unfallversicherung bereits reduziert wurden (Maßnahme zur „Lohnnebenkostensenkung“), wäre es deutlich sinnvoller den „alten“ unter schwarz-blau abgeschafften Entgelt­fortzahlungsfonds für Arbeiter­Innen wieder einzuführen.

Erhöhung Forschungsprämie auf vierzehn Prozent:

Mitnahmeeffekte – unter Garantie!

Investitionsförderung – vorzeitige Abschreibung:

Grundsätzlich einmal nicht blöd – allerdings gilt auch hier: Die Investitionsbedingungen (Zinslandschaft!) wären für Unternehmen günstig wie noch nie! Es fehlt allerdings das ökonomisch-stabile Umfeld, das zu Investitionen ermutigt sowie die öffentliche Nachfrage, die diese stimuliert. Es ist ein Nachfrage-, nicht Angebotsproblem!

Arbeitszeitflexibilisierung:

Es gilt nach wie vor – Nein zu einer weiteren Ausdehnung täglicher Arbeitszeiten! Arbeitszeit und Arbeitsmärkte sind bereits zur Genüge flexibilisiert, es herrscht ein regelrechter Wildwuchs an Möglichkeiten. Viel mehr muss die Flexibilisierung Arbeitneh­mer­Innenseitiger gestaltet werden. Vor allem braucht es Arbeitszeitverkürzung bei Lohnausgleich.

ArbeitnehmerInnenschutz, -inspektorat:

Die Reduktion der Meldepflichten nach Arbeitszeit-Gesetz sind jedenfalls problematisch zu sehen. Sie wurden nicht zuletzt im Rahmen der letzten Arbeitszeit-Flexibilisierung eingeführt, um Missbrauch zu verhindern und Ansprüche sicherzustellen.

Arbeitsmarkt für EU-BürgerInnen einschränken / Familienbeihilfe:

Wohl nur schwer durchsetzbar (EU-Sekundärrecht). Außerdem ist das ein vollkommen falscher Weg. Vor Infragestellung der vollkommenen Kapital- und Dienstleistungsfreiheit ausgerechnet die Personen­freizügigkeit in Frage zu stellen, von der ja auch zehntausende österreichische ArbeitnehmerInnen profitieren, macht für die Krise am Arbeitsmarkt ausgerechnet jene verantwortlich, die in ihren Ländern als Folge der Austeritätspolitik überhaupt keine Perspektive mehr sehen. Bei Familienbeihilfe muss wohl gelten – gleicher Beitrag, gleiche Leistung – oder sollen umgekehrt Beiträge zum Familienlasten­ausgleichsfonds für EU-BürgerInnen reduziert werden? Das wäre institutionalisiertes Lohndumping!

Mobilität am Arbeitsmarkt fördern:

Kombilohnmodelle sind grundsätzlich kritisch zu betrachten (Lohn­subventionierung, wirken insbesondere bei spezielle Zielgruppen) – Ausweitung auf ­weiter entfernte Jobs droht Druck auf Arbeitslose noch weiter zu erhöhen. Insbesondere droht auch das Arbeitsmarktservice weiter unter Druck zu geraten, da diese Wunschprogramme der ÖVP (Kombilohn­modelle ausdehnen, Übersiedlungen fördern, ­Entfernungs­beihilfe etc.) aus dem aktuellen Arbeitsmarktservice-Budget finanziert werden sollen. Zu Lasten welcher Programme?

Ausweitung Zumutbarkeitsbestimmungen:

Wo sind die Rahmenbedingungen, die tatsächlich erlauben 20- statt 16-Stunden-Jobs anzunehmen? Schuld beziehungsweise Verant­wortung wird wieder den Arbeitslosen zugeschoben statt fehlenden Kinderbetreuungs- oder Pflegeeinrichtungen beziehungsweise mangelhafter Verkehrsinfrastruktur oder Ähnlichem.

Mindestlohn:

Die Niedriglohnschwelle liegt schon bei zirka 10#Euro die Stunde (das wären 1700#Euro im Monat)! 1500#Euro kann maximal Zwischen­etappe sein. Grundsätzliche Zuständigkeit von Kollektivverträgen richtig, wenn gesetzliche „Satzung“ dahingehend geändert wird – sprich ausgeweitet – dass es auf alle sonstigen Kollektivverträge und Nicht-Kollektivvertraglich abgedeckten Bereiche anwendbar ist. Gesetzliche Lösung (insbesondere Mindest-Stundenlohn als absolute Lohnuntergrenze) ist allerdings durchaus denkbar.

Beschäftigungsaktion 20.000 / Aufweichung ­Kündigungsschutz über 50-Jährige:

Einerseits die Kündigung der über 50-Jährigen zu erleichtern (Kündigungsschutz ohnehin sehr schwach) und gleichzeitig arbeits­marktpolitische Maßnahmen für diese Gruppe auszubauen mutet schon eigenartig an. Grundsätzlich aber begrüßenswert, Frage der Ausgestaltung (auf Mittel-/Langfristigkeit ausgelegt, arbeits- und sozialrechtliche Absicherung). Es gilt: Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen können Beschäftigungspolitik nur unterstützen. Und: Wer zahlt? Wo bleibt die Co-Finanzierung durch die Arbeitgeber? Mit Aufweichung des Kündigungsschutzes für über 50-Jährige wird ihnen (den über 50-Jährigen) implizit auch Verantwortung für ihre Arbeits­losigkeit zugeschoben (nach dem Motto: „Arbeitslosigkeit ist hoch weil Alte schwer kündbar sind, darum werden sie nicht eingestellt“)? Lockerung vom Kündigungsschutz führt grundsätzlich zu weiterer Instabilität der Arbeitsverhältnisse, die in Österreich schon sehr instabil sind (960.000#ArbeitnehmerInnen sind mindestens einmal im Jahr arbeitslos).

Modernes Insolvenzrecht:

Sollte auch die Möglichkeit der geförderten und unterstützten Fort­führung von Betrieben in ArbeitnehmerInneneigentum beinhalten.

Arbeitsmarktintegrationsgesetz:

Klingt streckenweise ganz gut, kommt auf die konkrete Ausgestaltung an. „Harte Sanktionsmaßnahmen“ bei Verweigerungen können – wenn überhaupt – nur das letzte Mittel sein – da schlägt wieder der repressive Charakter durch, der dieses Programm leider immer wieder durchzieht (außer wenn es um Arbeitgeber und Verstöße gegen Arbeits­rechte geht, siehe zum Beispiel ArbeitnehmerInnen-Aufzeichnungen) . Öffnung des Dienstleistungsschecks für Asylwerber­Innen kann nur ein erster Schritt für eine Arbeitsmarkt-Öffnung sein. Eingliederungs­beihilfen („Integrationsbeihilfen“) können durchaus sinnvoll sein – auch hier eine Frage der Ausgestaltung (Dauer, Umfang der Subvention, Behaltefristen, parallele ­Bildungsmaßnahmen, Gültigkeit Kollektivverträge#…).

Verpflichtende Frauenquote in Aufsichtsräten:

Dreißig Prozent ab eintausend Beschäftigte ist mager – aber immerhin ein erster Schritt.

Gegenfinanzierung:

Unkonkret, insbesondere über Einsparungsmaßnahmen – allerdings ist noch nicht einmal die Gegen­finanzierung der Steuerreform sicher­gestellt. Weitere Einsparungsmaßnahmen werden wieder zu Lasten sozialer Sicherheit, öffentlicher Investitionen etc. gehen. Das ist für die soziale wie ökonomische Entwicklung kontraproduktiv!

Was fehlt:

Jede Form von Maßnahmen zu mehr Steuergerechtigkeit und einer umfassenden Ökologisierung des Steuersystems, finanzielle Absicherung des Sozialstaates, ein Kapitel zum Thema „öffentliche Investitionen“, Stärkung der ArbeitnehmerInnen und ihrer Vertretungen, Bekenntnis zu Arbeitszeitverkürzung, Infragestellung EU-Austeritätspolitik, …

Quelle: Die Alternative

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