Warum es bei (antifaschistischen) Protesten immer um mehr geht, als um die Sache an sich.

Die Aufregung war groß, als das NoWKR-Bündnis verlautbarte, das es um mehr ginge, als nur den Protest gegen den Akademikerball.

Oh, workers can you stand it?
Oh, tell me how you can

Die Ereignisse während der Proteste gegen den WKR- / Akademikerball (beziehungsweise auch bei anderen antifaschistischen Protesten) in den vergangenen Jahren sind noch in guter Erinnerung, die Ergebnisse auch:

  • Ein großräumiges Platzverbot,
  • Betretungsverbot für die Presse,
  • ein Verhüllungsverbot auf einer Fläche mit der Größe von Eisenstadt,
  • teilweise exzessive Gewalt von Seiten der Polizei,
  • ein Polizeipräsident der auf Patientendaten zugreifen will, um AntifaschistInnen zu kriminalisieren und
  • mehrere verhaftete Demonstrations-TeilnehmerInnen.Der Student Josef S. verbrachte Monate in U-Haft. Der ­folgende Prozess wurde von mehreren Medien als kafkaesk beschrieben und war geprägt von Widersprüchen, Beleidigungen der Staatsanwaltschaft und ein Urteil, das sich auf Mutmaßungen stützte.

Auch dieses Jahr kam es zu Polizeimaßnahmen, die für heftige Kritik sorgten. So die Entscheidung nur noch ­JournalistInnen, die einen Presseausweis des Kuratoriums für Presseausweise besitzen, die Akkreditierung zu erteilen. 5820 Presseausweise wurden vom Kuratorium aus­gestellt, während es in Österreich laut Medienindex etwa dreizehntausend JournalistInnen gibt.

Die vielen und wichtigen freien Medienprojekte noch gar nicht miteingerechnet. Das österreichische Staatsgrundgesetz sagt eindeutig: „Die Presse darf weder unter Censur gestellt, noch durch das Concessions-System beschränkt werden“. Alle Einschränkungen durch eine Bewilligung zur Ausübung der journalistischen Tätigkeit sind daher unzulässig. Es ist nur schwer nachvollziehbar, warum die Presseausweise eines Vereins akzeptiert werden, die Presseausweise eines anderen Vereins, wie die des Österreichische Journalisten Club nicht.

Demokratiepolitisch bedenklich war und ist die Informationspolitik der Polizei im Vorfeld anti­faschi­stischer Proteste. Auch dieses Jahr heizte die Polizeiführung die Stimmung an: Just am Tag des Akademikerball wurde medial verlautbart, dass die Wiener Polizei Anzeige gegen Aktivisten aus dem Umfeld der Anti-Akademikerball-­Proteste erstattet habe. Es würde der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung bestehen. Unabhängig von der Sachlage kann es nur kontraproduktiv genannt werden, am Tag der Proteste, vor den Protesten eine solche Meldung zu lancieren.

Come all of you good workers
Good news to you I’ll tell
Of how that good old union
Has come in here to dwell

Mit dem Ziel solche Ereignisse zu verhindern, beziehungsweise diese zu dokumentieren und aufzu­arbeiten, gründete sich im Dezember 2015 die Plattform „Wir beobachten die Polizei“, bestehend aus AK Grundrechte und AUGE/UG, unter anderem.

Ein Kritikpunkt der Plattform war der verfassungswidrige Umgang der Polizei mit der freien Presse. Gemeinsam mit anderen Initiativen kritisierte die Plattform diesen Angriff gegen die Pressefreiheit. Die Kritik und Proteste vieler Initiativen hat dafür gesorgt, dass die Polizeiführung von dieser Vorgangsweise abgerückt ist. Die Polizei erteilte auch JournalistInnen die Akkreditierung, die keinen Presseausweis des Kuratoriums besitzen. Bedauerlich, dass zur Durchsetzung dieses elementaren, verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrechts überhaupt Proteste notwendig waren. Fatal das Bild, das dadurch erzeugt wurde: Eine Polizeiführung, die eine der wichtigsten Säulen einer Demokratie, die Pressefreiheit, missachtet und dabei nicht gleich zur Verantwortung gezogen wird.

Ein weiterer Kritikpunkt der Plattform an der Polizeiführung war die erfolgte Versorgung der Polizist­Innen durch die FPÖ-nahe Gewerkschaftsfraktion AUF. Noch wenige Tage vor dem Akademikerball sprach Polizei­präsident Pürstl davon, dass es der Dienstgeber begrüße, dass die Gewerk­schafts­fraktionen den Einsatzkräften zur Seite stehen. Aber die ausreichende Versorgung von PolizistInnen während ihrer Dienstzeit hat durch den Arbeitgeber – also das Innenministerium beziehungsweise die entsprechenden Dienststellen – zu erfolgen. Es ist nur schwer nachvollziehbar, warum Gewerk­schafts­fraktionen die Versorgung übernehmen müssen. Gleichzeitig ist es eine Provokation, wenn aus­gerechnet bei Protesten gegen einen FPÖ-Ball eine FPÖ-nahe Gewerkschaftsgruppe ­PolizistInnen versorgt. Durch dieses Verhalten wird die Neutralität der PolizistInnen in Zweifel gezogen und die Stimmung zwischen PolizistInnen und DemonstrantInnen unnötig angeheizt.

Nach Kritik der AUGE/UG schwenkte die Wiener Polizeiführung um und verlautbarte, dass die Versorgung der Polizei nun der Dienstgeber selbst übernehme.

Diese begrüßenswerte Entscheidung war nur von ­kurzer Dauer. Bereits bei den Protesten gegen Pegida, ­versorgte die Gewerkschaftsfraktion AUF wieder Polizist­Innen, was wiederum für heftige Kritik unter anti­faschistischen KundgebungsteilnehmerInnen an der ­Polizei selbst sorgte.

Don’t scab for the bosses
Don’t listen to their lies

Eine ebenso dubiose Rolle spielen aber immer wieder einige Medien selbst. Dieses Jahr berichtete die Kronen Zeitung, dass eine „vorübergehende Festnahme“ geplant sei. Allerdings wusste die Staats­anwaltschaft nichts davon, verneinte sogar die Rechtmäßigkeit von vorsorglichen Festnahmen. Als „Piefke-Buben“ wurden zwei Sprecher von der Kronen-Zeitung diffamiert. Vergangenes Jahr tat sich in der medialen Hetze gegen Antifaschismus der Kurier besonders hervor.

Der Kurier veröffentlichte gegen jegliche übliche Vorgehensweise die Klarnamen von zwei Anti­faschistinnen und unterstellte damit potentiell strafwürdige Vorgehens­weisen (siehe Paragraph Landfriedensbruch). Aus dem Wunsch einer Antifaschistin: „Mehrere Verletzte im ­Kessel Löwelstraße, DemoSani wär toll“, wurde in der Nacherzählung durch den Kurier: „Sie steuerte auch den Einsatz von privaten Sanitätern“. Aus Vermittlungsversuchen zwischen DemonstrantInnen und Polizeiführung wurde: „auf Beobachter machte sie zumindest den Eindruck, dass sie die Meute anführen würde“.

Us poor folks haven’t got a chance
Unless we organize

Die nur auszugsweise dargestellte Vorgehensweise durch die Polizeiführung ist demokratiepolitisch höchst brisant. Sie ist geeignet den politischen Frieden zu gefährden. Die Aufgabe einer Gewerkschaft ist es, die politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen aller ArbeitnehmerInnen wahrzunehmen. Maßnahmen durch die Exekutive, wie etwa Angriffe auf die ­Pressefreiheit oder das Anheizen der Stimmung vor ­großen Protesten, betreffen eben nicht nur einzelne Gruppen, sondern haben Auswirkung auf die allgemeine politische Lage. Es ist daher die Verpflichtung von Gewerk­schaften, vor möglichen Gefahren für das demokratische ­Zusammenleben zu warnen, einzuschreiten und Position zu beziehen.

Das eine ist der Kampf der Gewerkschaften gegen die Reaktion, gegen den immer stärker werdenden Druck auf bisher selbstverständliche demokratische Grundrechte. Das andere ist, dass der Rechts­extremismus seit jeher Gegner der organisierten ArbeiterInnen ist. Dort, wo rechtsextreme, faschistische Gruppierungen an der Macht sind, gingen sie gegen ArbeitnehmerInnen-Rechte vor und versuchten, die ArbeiterInnenbewegung zu schwächen, wenn nicht gar zu zerstören. Gewerkschaft­licher Kampf gestern und heute bedeutet auch immer Kampf für Freiheit und Solidarität und gegen Rechts­extremismus und Faschismus. GewerkschafterInnen ­werden sich weiter entschieden autoritären Tendenzen entgegenstellen, uns in diesem Kampf auch nicht einschüchtern und nicht mundtot machen lassen und nicht zulassen, dass Proteste gegen Rechtsextremismus und Faschismus kriminalisiert werden.

Aber der Kampf gegen Rechtsextremismus ist auch immer eingebettet in einem Kampf für eine bessere Welt. Die Demokratisierung der Gesellschaft und der Wirtschaft, die Demokratisierung der Produktions­mittel, waren und sind Schwerpunkte der Gewerkschaft in der gesellschaft­­lichen Auseinandersetzung. Gewerkschaftsbewegungen waren immer führend in der Auseinandersetzung für mehr Demokratie, für neue Modelle des demokratischen Zusammenlebens. Ein Beispiel ist die Spanische Revolution 1936. Aber auch in Wien gab es den Versuch der ­Sozialdemokratie, des Kommunismus und des Anarchismus gemeinsam (!) das Zusammenleben der Menschen auf Grundbasis von Demokratie und Solidarität neu zu ­ordnen: Die Rätebewegung in Österreich in den Jahren 1918—1924. Sie war ein „Produkt des spontanen Strebens der sozialen Unterschichten nach unmittelbarer Teilnahme an allen öffentlichen Angelegenheiten und ­Ausdruck der massenhaften Mobilisierung, Politisierung und Radikalisierung der Arbeiterschaft in der Endphase des Ersten Weltkriegs.“ Diese neue Art der Willensbildung kenn­zeichnete: imperatives Mandat, permanente Rechenschaftspflicht der Gewählten gegenüber den WählerInnen und jederzeitige Abberufbarkeit der Gewählten durch die WählerInnen. Diese Räte­demokratie unterschied sich grundlegend vom parlamentarisch-demokratischen ­Repräsentativsystem.

Wenn also das NoWKR-Bündnis im Rahmen der Proteste gegen Rechtsextremismus für Kommunismus eintritt, dann macht das Bündnis nur das, was zahlreiche Protestbewegungen schon Jahrzehnte zuvor taten: Den Kampf gegen die Reaktion und für eine bessere Welt führen.

Quelle: Die Alternative

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