Katar – heuer wird der kleine Wüstenstaat im sportlichen Mittelpunkt aller Fußballfreunde stehen. Wird er das wirklich? Die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft im Jahre 2010 (für 2018 und 2022) zog weite Kreise nach sich: Investigativjournalistinnen und -journalisten deckten in den folgenden Jahren auf, dass die Vergabe für die WM 2022 nach Katar gekauft wurde. Der Ausrichter der Asienspiele 2008 und 2011 bewarb sich für die Weltmeisterschaft und setzte sich damit gegen Südkorea, Australien, der USA und Japan durch. Interessant dabei ist, dass sich Katar die WM im Herbst/Winter 2022 wünschte – und sich damit durchsetzte. Der Bau der Stadien begann knapp nach der Vergabe. Damit stellte der Wüstenstaat sicher, dass sie auch nach den Korruptionsvorwürfen im Land ausgetragen wird – die FIFA folgte diesem „Argument“. Katar 2022: Der Weg von der WM-Vergabe bis heute | Thema – kicker

WM in Katar: Arbeitsmigrant*innen unter unvorstellbaren Arbeitsbedingungen

Unter bei uns unvorstellbaren Arbeitsbedingungen – der Großteil der Arbeiter kam aus anderen asiatischen Ländern – stellte der Wüstenstaat die Infrastruktur her. Etwa 180.000 Gastarbeiter aus Nepal, Pakistan, den Philippinen, Kenia und Indien schufteten unter teils unhaltbaren Zuständen, um die Stadien zu errichten. Westliche Medien berichteten unter Berufung auf einheimische Quellen von 15.021 toten Arbeitern. Die Hintergründe für diese Todesfälle wurden bis heute nicht oder nur oberflächlich aufgeklärt. Bei Temperaturen über der 40 Grad Marke ohne Essen und Trinken bekamen selbst junge, gesunde Arbeiter schnell Probleme. Die Familien wurden über die Todesursachen ihrer Angehörigen meist im Unklaren gelassen. Auf Druck der westlichen Öffentlichkeit und offizieller Stellen wurden 2017 die Arbeitsbedingungen etwas verbessert, Todesfälle kamen aber trotzdem noch gehäuft vor. Nimmt man die Anzahl der Toten und dividiert sie durch die dort ausgetragenen Spiele so kommen auf jede Minute der WM rund 3 Tote. WM 2022 in Katar: Für unseren Torjubel starben 15.000 Menschen – Kolumne – DER SPIEGEL

Heute kann man lediglich 37 der 15.000 Todesfälle direkten Unfällen beim Bau der acht Stadien zuordnen, eine Zahl, die auch viel zu hoch ist, nimmt man westliche Baustandards zum Maßstab. In Katar gibt es keine Bauvorschriften in unserem Sinne. Bei der WM 2014 in Brasilien starben 11 Arbeiter. Recherchen zufolge soll es vor 2014 nur insgesamt 8 Todesfälle bei Großveranstaltungen geben haben. Bei den Arbeiten zur Sommerolympiade in London 2012 kam beispielsweise kein einziger Arbeiter ums Leben. Elf Tote bei Bauarbeiten vor Olympia 2016 in Rio de Janeiro (faz.net)

Nach einem Bericht von Amnesty International arbeiten in Katar rund 2,3 Millionen Arbeitsmigrantinnen und -migranten, davon 173.000 direkt rund um die Fußball-WM. Um dort arbeiten zu können, mussten sie zum Teil exorbitante Vermittlungsgebühren zahlen, um dort den Unterhalt für die Familien daheim zu verdienen. Arbeitszeitregelungen oder andere hier übliche Standards gibt es nicht. Arbeiten bis zur Erschöpfung war angesagt, Gewalt, auch sexualisierte, an der Tagesordnung. Ausbeutung und Tote vor der FIFA-WM in Katar | Amnesty International Österreich

WM in Katar: Im Westen kaum Proteste

Sowohl der Weltfußballverband FIFA als auch westliche Regierungen haben bis heute kaum Proteste dagegen erhoben, ein Entzug der WM durch die FIFA wurde nicht einmal andiskutiert. Die katarischen Scheichs sollen ihren Auftritt vor der Welt bekommen. Mit diesem Auftritt einhergehen restriktive Einschränkungen: so darf kein Alkohol ausgeschenkt werden, jeder WM Besucher muss sich eine spezielle App namens Ehteraz auf das Handy laden, mit deren Hilfe er jederzeit geortet werden kann. Datenschützer kritisieren, dass diese App weitestgehenden Zugriff auf die am Handy gespeicherten Daten erlaube, also eine Spionagesoftware ist. Regenbogenfahnen sind ebenso verboten wie andere politische Bekundungen, die den Wüstenstaat in ein schlechtes Licht rücken. Ob und wie es mit „christlichen“ Symbolen aussieht (die Fahne Englands wäre ein solches Symbol in den Augen der Imame) bleibt abzuwarten. Wie Katar WM-Besucher per App überwachen will | BR24

Der Sport selber ist schon lange in den Hintergrund getreten, zumal auch die Landesverbände der teilnehmenden Staaten – der Iran wurde als einziges Land ausgeschlossen – mit wenigen Ausnahmen wie Norwegen und Dänemark kaum Reaktionen zeigten. Und die Spieler? Auch sie stehen unter einem weitgehenden „Maulkorberlass“, keinerlei politische oder katarfeindliche Aussagen zu tätigen. Wer das nicht macht, bleibt zuhause. Katar 2022: Der Weg von der WM-Vergabe bis heute | Thema – kicker. Äußerungen, wie jene von Toni Kroos, sind eher die Seltenheit, derzeit ist er noch im aktuellen Kader für die WM. Mal sehen, ob es so bleibt. Es gibt aber auch ambivalente Kritiken, wie jene von Joshua Kimmich, der die WM zwar kritisiert, sie aber nicht boykottieren will. Und das ist das Problem vieler Spieler: Sie „müssen“ zur Arbeit, wollen aber nicht so recht.

Der deutsche Teamchef Hansi Flick zum Beispiel kritisierte zwei Monate vor Beginn des Turniers die Vergabe, will dennoch daran teilnehmen. Die dänische sowie die norwegische Nationalmannschaft wollen in Trikots auftreten, auf denen Menschenrechte eingefordert werden. Dem Gastgeber werden sie damit keine Freude machen und es steht abzuwarten, wie sie darauf reagieren. Immerhin ist Katar eines der restriktivsten Länder der Erde, wenn es um Kritik an den Scheichs geht. Die Menschenrechte dort können schnell umschrieben werden: „Alles was der Scheich erlaubt!“.

Insgesamt sind diese kritischen Stimmen aber zu wenig laut, zu spät und nicht konsequent genug, um ein Umdenken bei den Kataris zu bewirken. Ihre WM, die auf Blut gebaut wurde, findet schließlich statt. Österreich nimmt dankenswerterweise nicht daran teil.

Quellen:

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