Die Corona-Krise verändert natürlich auch das Arbeitsleben bei der Berufsrettung Wien. Täglich gibt es neue Dienstanweisungen, die unsere Richtlinien verändern. Der Fahrdienst muss sich, mittels Schutzbekleidung, ausreichend schützen. Auch die Arbeitsabläufe haben sich wesentlich verändert. Alles dauert viel länger und ist sehr mühsam, speziell das Arbeiten beim bzw. am Patienten oder der Patientin.
Schutzmaßnahmen und Masken
Jeder von uns weiß spätestens seit der Maskenverordnung beim Einkaufen, dass es nicht angenehm ist, diese zu tragen. Man bekommt schlechter Luft und die Brillen laufen des Öfteren an. Auch müssen wir uns nun jeden Handgriff zweimal überlegen. Was kann ich wie angreifen wann muss ich die Handschuhe wechseln, wie nehme ich meine Maske ab, ohne die Innenseite zu kontaminieren, etc.? Haben wir doch pro Dienst nur eine Schutzmaske zu Verfügung, die Schutzmaske wird nur nach einem Corona-Verdachtsfall gewechselt. Auch werden die Masken nach dem Dienst gesammelt, damit sie von einer Firma aufbereitet werden. So können sie anschließend wiederverwendet werden (bis zu 4-mal ist das möglich).
Am Anfang der Krise durften wir die Masken nur bei Verdachtsfällen verwenden, mittlerweile ist es Pflicht, sie bei jedem Einsatz zu tragen. Auch waren anfangs die Schutzausrüstung und das Desinfektionsmittel sehr knapp, derzeit gibt es diesbezüglich keinen Engpass mehr. Da hat unser Vorsitzender Andreas Peter sehr viel dazu beigetragen. Er hat alle Hebeln und Netzwerke in Bewegung gesetzt, um Schutzbekleidung und Desinfektionsmittel zu beschaffen – und das mit Erfolg.
Durch die vorher beschriebenen Schutzmaßnahmen dauert es natürlich auch viel länger, bis man bei PatientInnen eintrifft. Auch der Arbeitsablauf hat sich grundlegen geändert. So ist der erste Schritt, dem Patienten vor der Eingangstür eine Maske anlegen zu lassen, dann wird Fieber gemessen, zuletzt wird der Patient befragt, ob er vor kurzem in einem „Krisengebiet“ war oder mit Personen Kontakt hatte, die möglicherweise an COVID-19 erkrankt sein könnten usw. Bei einem Verdacht ziehen wir uns zurück, um unsere Schutzanzüge anzuziehen. Erst dann betreten wir die Wohnung. Es werden derzeit auch nur spitalspflichtige PatientInnen in das Krankenhaus gebracht. Selbst Corona-Verdachtsfälle werden, wenn sie nicht lebensbedrohliche Symptome aufweisen, nach telefonischer Rücksprache mit unserem Oberarzt, zu Hause belassen. Dadurch hat sich die Lage auf den Aufnahmestationen total verändert. Waren diese noch vor der Krise restlos überfüllt, sind heute durchschnittlich 2-3 PatientInnen im Wartebereich.
Keiner möchte mehr in das Krankenhaus
Auch, dass keine Begleitperson bei uns mitfahren darf und schon gar nicht in das Krankenhaus gelassen wird, verstärkt diesen Umstand, denn Angehörige von Kulturen, in denen es Usus ist, von der gesamten Familie ins Krankenhaus begleitet zu werden, bleiben nun, da das nicht mehr möglich ist, fast durchgehend lieber daheim und werden dort von der Familie betreut. Diesen aufgezählten Umständen ist es zu verdanken, dass auch unsere Ausfahrten sehr stark zurückgegangen sind und dass die befreundeten Organisationen uns mehr Fahrzeuge zu Verfügung stellen können, da die Routineuntersuchungen bzw. Kontrollen auf ein Minimum reduziert wurden. Dadurch werden auch weniger Krankentransporte benötigt.
Doch wenn man nun glaubt, dass die Übergabe in den Spitälern schneller von statten geht, ist man leider auf dem Holzweg. Man wartet trotzdem in manchen Krankenhäusern bis zu 30 Minuten, bis sich ein Arzt/ eine Ärztin entschließt, PatientInnen im Rettungswagen zu begutachten. Dann fährt man, im Verdachtsfall, auf eine „Corona Station“. Dort angekommen, muss man wieder warten, bis sich das Pflegepersonal ihre Schutzkleidung angezogen hat. Auch am Umgangston mit dem Rettungspersonal hat sich nichts geändert. So werden wir noch immer „angeschnauzt“, ja teilweise auch angeschrien. Auch sind die Hygienevorschriften in jedem Krankenhaus anders, das erschwert unsere Arbeit natürlich auch sehr.
Corona-Virus: Die Verunsicherung ist spürbar
Die Lage auf den Stationen der Berufsrettung Wien ist auch anders, als vor der Krise. Die Verunsicherung ist spürbar. Jeder „Verdachtsfall“ bei einem Kollegen steigert diese merkbar. So wurde vor kurzem eine ganze Dienstgruppe auf der Station Mariahilf nach Hause geschickt, weil ein Zivildiener positiv getestet wurde. Je länger dieser Zustand andauert, umso mehr Kollegen werden ausfallen, egal ob sie sich im Dienst oder privat infizieren. Auch gibt es einige Kollegen, die der Risikogruppe angehören und somit nicht mehr ihren Dienst versehen dürfen. Derzeit haben wir noch ausreichend Personal, um die Fahrzeuge, Leitstelle, Stationsführer und den Krisenstab zu besetzen. Ob das auch noch in der Zukunft so ist, wird sich erst weisen.
Unsere Tätigkeit beschränkt sich natürlich nicht nur auf den Fahrdienst. Zusätzlich zu unseren täglichen Aufgaben in der Leitstelle, die so wie allen anderen Abteilungen bei der MA 70 personell unterbesetzt sind, muss sich die Berufsrettung Wien auch um den Krisenstab und die Logistik kümmern. Das belastet zusätzlich unsere, seit Jahren, angespannte Personalsituation.
Vielleicht kann diese extreme Situation die verantwortlichen Politiker und Politikerinnen zu einem Umdenken bewegen. Vielleicht legen sie dann den „Rotstift“ zur Seite und stocken das Personal im Gesundheitsbereich wieder auf. Das wäre schon lange überfällig, denn auch in der Vergangenheit wurde nur durch extremen Einsatz aller Bediensteten die eine oder andere Katastrophe verhindert. Glauben kann ich eigentlich nicht daran, aber wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Michael Holzinger ist Systemerhalter, KIV-Mandatar und Notfallsanitäter bei der Berufsrettung Wien.