Ausreichende Finanzierung, weltoffene Bildungsmaßnahmen, faires Arbeitsmarktservice und Schaffung neuer Arbeitsplätze zur Integration von MigrantInnen.

Viele KollegInnen des öffentlichen Dienstes haben in ihrer Arbeit täglich mit Menschen von überallher zu tun und leben bereits in dem Bewusstsein, dass Integration keine Einbahnstraße ist und dass Zuwanderung unseren Arbeitsmarkt viel weniger gefährdet als belebt.

Die mit Integrationsarbeit verbundenen,

gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten, die von den KollegInnen im öffentlichen Dienst auf Dauer nicht zusätzlich zu ihren bisherigen Aufgaben geleistet werden können, sind ein weiteres starkes Argument für die Notwendigkeit eines gut ausgebauten und für Innovation zugänglichen öffentlichen Dienstes.

Persönliche Begegnungen und qualitätsvolle Beratung sowie eine effiziente Vernetzung erleichtern neu zugewanderten Menschen, sich in unserer gut organisierten Republik zurechtzufinden – das löst bei vielen Betroffenen große Dankbarkeit aus und eröffnet uns die Möglichkeit, die Chancen auf eine neue Vielfalt in Gegenseitigkeit wahrzunehmen.

Soziale Integration ist mehr als Polizei-, Justiz- und Bundesheer-Arbeit, die Überwindung fremdenrechtlicher Hürden bedarf der Einzelfall-Beratung durch gut geschultes Personal. Der Zugang zu wirkungsvollen Bildungsmaßnahmen muss dem ganzen Menschen geöffnet werden, dann können Sprachbarrieren, Ausbildungs- und Anerkennungs­kriterien sowie Altersgrenzen gemeinsam und zukunftsorientiert gemeistert werden. Auf dem Weg in unseren Arbeitsmarkt ist Begleitung notwendig für eine soziale und kulturelle Integration.

Die Schaffung neuer Arbeitsplätze

mit integrativem Hintergrund kann nur im gegenseitigen respektvollen Umgang miteinander gelingen. Mit Null- oder Ein-Euro-Jobs werden wir nicht integrationsfördernde Signale an integrationswillige Menschen aussenden! Die Kürzung der Mindestsicherung oder ihre acht möglichen föderativen Verkürzungen werden Menschen nicht davon abhalten aus lebensbedrohenden Situationen zu entkommen, zu flüchten und eine Chance auf einen Neustart zu erhoffen und zu erreichen. Selbst die Dublin-Abschiebungen werden Menschen nicht davon abhalten, sich eine neue Zukunft aufzubauen und sich irgendwann selber den passenden Lebensort für sich und ihre Familie zu suchen.

Migration als globales Phänomen

wird in den kommenden Jahren die ganze Welt beschäftigen, daher darf der öffentliche Dienst in Österreich nicht auf eine Befassung damit verzichten. Österreich ist seit Jahrtausenden von Zu-, Ab- und Durch­wanderung betroffen und historisch betrachtet darf sogar gesagt werden, dass wir durch sehr lange Zeit von einer Migrantenfamilie aus der Schweiz regiert wurden, die sich nicht an eine österreichische Hausordnung hielt, sondern sich lieber an einem spanischen Hofzeremoniell orientierte, mit den bekannten Folgen und skurrilen Erscheinungen rund um die Wiener Hofburg, die bis heute sichtbar sind.

Internationale Integrationsstudien belegen,

dass Menschen in etwa fünf Jahre brauchen, bis sie sich in einer Aufnahmegesellschaft sozial und kulturell so angepasst haben, dass sie nicht mehr in jedem Fall als Personen mit Migrationsgeschichte auffallen. Viele KollegInnen im öffentlichen Dienst haben Migrationsgeschichte. Einer, der seine Geschichte gern erzählt, ist Hasan Tanyeli:

Hasan wurde mit acht Jahren aus der kurdischen Türkei nach Österreich gebracht, das war eine Entscheidung seiner Familie und für ihn nicht freiwillig. Heute ist er stolz, dass er zur erfolgreichen Existenz Österreichs beitragen kann, und dankbar den vielen Menschen, die ihn freundschaftlich und mit Geduld unterstützt haben. Er arbeitet seit Jahren im öffentlichen Dienst und begegnete immer wieder Leuten, die zunächst auf ihn schimpften und dann doch noch gute Freunde oder Kollegen wurden. Manchmal dauerte es ein bisschen länger, bis zwischen dem „Kameltreiber“ und dem „Sautreiber“ der Schmäh richtig zu laufen begann und nicht nur die Zusammenarbeit gut klappte, sondern auch der Spaß bei der Arbeit nicht mehr vermisst werden musste.

Die Trennung und Ausgrenzung

von ArbeitnehmerInnen nach ihrer Herkunft kann verheerende Folgen nach sich ziehen. Vorurteilen und Abneigung oder gar Hass freie Bahn zu geben führt zur Isolation in Gruppen, die sich in oft subtiler Weise ihre eigene Kultur schaffen aus den Erfahrungen mit Isolierung und Feindseligkeit – dort ist über kurz oder lang demokratisches Zusammenarbeiten nicht mehr möglich.

Mitgestalten und Verantwortung übernehmen beziehungsweise übertragen, führt nach Hasans Erfahrungen zum gemeinsamen Erfolg. Gemeinsam arbeiten, gemeinsam lernen, gemeinsam feiern – ob in einem privaten Unternehmen oder im öffentlichen Dienst, nur so wird eine emotionale Bindung aufgebaut, die den Erfolg des Ganzen fördert. Hasan hat erlebt, dass er eingebunden wurde und dass ihm etwas zugetraut wurde, er wurde zum Betriebsrat und ist mit Begeisterung seit langem unabhängiger Gewerkschafter.

Er fragt sich auch,

warum kaum darüber geredet wird, dass in Österreich die Lehrlingszahlen seit den 1990iger-Jahren des vorigen Jahrhunderts von hundertneunzigtausend auf fast die Hälfte bis knapp über hunderttausend zurückgingen. Er fragt sich, warum den Zahlen der aus Österreich abwandernden Personen keine solche mediale Aufmerksamkeit gewidmet wird wie denen, die einwandern wollen. Hasan überprüft die Zahlen selber und stellt unter anderem fest:

  • 2014 zahlten in Österreich beschäftigte AusländerInnen 5,3 Milliarden Euro in das österreichische Sozialversicherungs­system ein und erhielten davon als Leistungen 3,7 Milliarden – 1,6 Milliarden haben sie also mehr bezahlt als bekommen.
  • 2015 haben AusländerInnen 2,8 Milliarden Euro in die österreichische Pensionsversicherung eingezahlt, aber lediglich 1,1 Milliarden Euro an Pensionszahlungen erhalten – 1,7 Milliarden haben sie also mehr bezahlt als bekommen.

Wer zieht den Nutzen

aus den Überschüssen, die von AusländerInnen erwirtschaftet werden? Im Verhältnis zum Sozialstaat Österreich müssen sich nur AusländerInnen von Politik und Medien die Frage gefallen lassen, was sie zu diesem beitragen und wie er ihnen nützt?

Hasan weiß, dass hunderttausende KollegInnen aus verschiedensten Herkunftsländern durch ihre Arbeit jahrzehntelang den ökonomischen Reichtum Österreichs mitbewirkt haben und dass gerade ihnen nicht immer die angenehmsten Aufgaben übertragen wurden. Obwohl sie von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis abhängig waren, haben ausschließlich MigrantInnen den ersten Streik in der Billa-Firmen­geschichte gegen arbeitnehmerInnenfeindliche Personalpolitik geführt und die gewerkschaftliche Vertretung für ihre KollegInnen so weit durchgesetzt, dass seit 2006 das passive Wahlrecht bei Betriebs­ratswahlen für MigrantInnen ohne österreichische Staatsbürgerschaft endlich anerkannt wird.

Wenn er jedoch an den Spitzen der Gewerkschaften in Österreich keinen Willen zur Einrichtung von effizienten Beratungseinheiten für Menschen mit Migrationsgeschichte erkennen kann und ihre Betreuung als Zielgruppe mit zehnprozentigem Anteil im ÖGB nicht als Notwendigkeit anerkannt wird, dann muss Hasan sich sehr ärgern – dennoch gibt er den Gedanken nicht auf, dass Integration keine Einbahnstraße ist und dass gelebte Solidarität stark macht.

Quelle: Die Alternative

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