Viel wird derzeit über die Arbeitszeit und die Gehaltsforderungen der ÄrztInnen geschrieben.
In einer wahren Flut an E-Mails wird spekuliert und interpretiert. In einigen Bundesländern, so wie auch in Wien, gibt es schon Einigungen. Jahrelang wurden die überlangen und vielen Dienste sowie das geringe Grundgehalt von den ÄrztInnen akzeptiert.
Die Arbeitszeitregelung im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) vom 29. Jänner 2015 beinhaltet folgende Eckpunkte:
- Die ärztliche Tätigkeit liegt künftig überwiegend in der Zeit von 7:00 bis 19:00 Uhr. Die Anzahl der Nachtdienste wird dadurch schrittwiese um ein Drittel reduziert. Zusätzlich wurden Begleitmaßnahmen zur besseren Organisation der nächtlichen Spitalsabläufe festgelegt.
- Die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit wird auf 48 Stunden reduziert, wie es die EU-Richtlinie und das Gesetz vorsehen.
- Pro geleistetem Nachtdienst ohne Schlaferlaubnis werden zwei Stunden Freizeit gutgeschrieben, Nachtdienste werden generell mit 75 Euro abgegolten.
- 25-Stunden Dienste sind unter gewissen Voraussetzungen weiterhin möglich (z.B. Genehmigung durch die Generaldirektion).
- Ein Fortbildungspaket beinhaltet einen Sonderurlaubstopf für externe Fortbildung.
- Die Einstiegsgehälter für JungärztInnen werden deutlich erhöht. Die Gehaltsanpassung erfolgt in zwei Etappen. Die erste erfolgt mit 1. Juli 2015.
- Für TurnusärztInnen wird ein eigenes Gehaltsschema geschaffen. Es ist noch immer nicht klar, wie das Gehaltsschema für die TurnusärztInnen ausfallen wird.
Der KAV möchte mehr Tagespräsenz der ÄrztInnen. Es ist logisch, dass es nicht sehr produktiv ist, um 13:00 Uhr den Hammer (oder das Skalpell) fallen zu lassen und zu gehen. Einzig die Möglichkeit, sofort weiter in die Ordination zu düsen oder die Kinder von Schule und Kindergarten abzuholen, hat den Einen oder die Andere bislang davon abgehalten, diesen Umstand deutlich aufzuzeigen. Für die Ausbildung der JungärztInnen wäre eine vermehrte Tagespräsenz sicher von Vorteil. In der Hektik des Vormittags wollen die wenigsten OberärztInnen ausbilden.
Das ist ein Problem. Die Weitergabe von Wissen und Fähigkeiten an die nächste Generation ist angesichts der bevorstehenden Pensionierungswelle essentiell. Den ÄrztInnen die Nebenbeschäftigungen generell zu verbieten ist sicher nicht klug – diesbezüglich haben wir bislang aber auch noch nichts gehört.
Neue ÄrztInnenarbeitszeitregelung im KAV: Vorteile für die ÄrztInnen
- weniger Arbeitsbelastung durch weniger Nachtdienste
- Grundgehalt, das nicht von der Anzahl der Nachtdienste abhängig ist
- höheres Grundgehalt für junge ÄrztInnen in Ausbildung
- flexibleres Arbeitszeitmodell
Fragliche Punkte und Probleme:
- Familienfreundlichkeit: Bezüglich Familienfreundlichkeit des neuen Arbeitszeitmodells sich die Ärzte noch gespalten. Einige befürchten, sich nun andere Kinderbetreuungseinrichtungen suchen zu müssen, da viele Kindergärten gar nicht so lange offen haben. Auch kann es sein, dass die Kosten für die Kinderbetreuung nun steigen werden. Es gibt auch AlleinerzieherInnen unter den ÄrztInnen. Ein Vorteil der neuen Regelung könnte es sein, dass ÄrztInnen an manchen Tagen erst später beginnen und an diesen Tagen ihre Kinder in Ruhe in die Schule / den Kindergarten bringen können.
- Keine Diskriminierung: Die KIV/UG möchte, wie auch die Ärztekammer, keine Diskriminierung von Ärzten, die nicht mehr als 48 Stunden arbeiten wollen. Bislang wurde vom KAV keine Opt-out-Option angeboten. Es wird zu überprüfen sein, ob die Patientenversorgung ohne Opt-out und ohne Personalaufstockung möglich ist.
- Patientenströme lenken: Es ist nicht davon auszugehen, dass die PatientInnenzahlen in Zukunft rückläufig sind. Die PatientInnenströme müssen besser gelenkt werden. Es wird an einigen Abteilungen mehr Personal notwendig sein. Die Bevölkerung sollte vermehrt die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten außerhalb des Krankenhauses nützen, da die Behandlung akuter Notfälle bei derzeitigem Personalstand durch das große PatientInnenaufkommen behindert wird. Die verantwortlichen ÄrztInnen fühlen sich diesbezüglich alleingelassen.
- Gehaltseinschnitte: Die ÄrztInnen arbeiten derzeit oft deutlich mehr als 48 Stunden pro Woche, um die PatientInnenversorgung aufrechtzuerhalten. Diese KollegInnen müssen spätestens ab März die Überstunden abbauen, was einen noch nie dagewesenen Gehaltseinschnitt bedeutet.
Folge: ÄrztInnengewerkschaft
Bei der ÄrztInnenbelegschaft in den Wiener Spitälern ist die Unzufriedenheit spürbar. Und das liegt nicht nur am Geld. Viele KollegInnen behaupten, die Ärztekammer und die Gewerkschaften hätten zu wenig Druck gemacht und damit seit 2003 wertvolle Verhandlungszeit verloren. Diese Unzufriedenheit mündete in den Bestrebungen, eine eigene ÄrztInnengewerkschaft zu gründen.
Ich halte nicht viel von einer eigenen ÄrztInnengewerkschaft, genaugenommen haben wir mehr als genug Berufsvertretung z.B. Personalvertretung, eigener Personalgruppenausschuss für ÄrztInnen, Gewerkschaft, sowie Ärztekammer. Als parteiunabhängige Liste ist es der KIV/UG wichtig, die parteipolitischen Interessen in der Diskussion dieses wichtigen Themas nicht in den Vordergrund zu stellen.
Das größte Kapital des Spitalsbetreibers sind die MitarbeiterInnen und ihre Fähigkeiten. Nur ausgeruhte MitarbeiterInnen können eine gute Leistung bringen. Das gilt für alle Berufsgruppen.
Die KIV/UG kämpft seit Jahren gegen die Parteipolitik innerhalb der Gewerkschaft. Wir sind jedenfalls, auch wenn wir nicht am Verhandlungstisch sitzen, PersonalvertreterInnen und jederzeit dazu bereit, unsere Unterstützung anzubieten.