Seit Jahrhunderten kämpfen Feminist*innen gegen sexistische Diskriminierung – und haben schon eine ganze Menge erreicht. Trotzdem sind wir auch 2023 von echter Gleichberechtigung noch weit entfernt. Tatsächlich erscheint die Gleichberechtigung in weiter Ferne, wenn man sich die Gender Pay Gap oder den Gender Data Gap anschaut.
Viele Menschen, die Feminismus grundsätzlich gut finden und für Gleichberechtigung sind, haben trotzdem noch ein Problem damit, sich als Feminist*in zu bezeichnen.
Ein Grund dafür, dass sich so wenige Menschen als Feminist*innen bezeichnen, sind sicherlich Stereotype und Vorurteile. In einigen Kreisen hält sich noch heute die absurde Vorstellung, Feministinnen seien verbitterte Männerhasserinnen, hässlich und ungepflegt, die nur einen richtigen Mann bräuchten, der sie aus ihrer (sexuellen) Frustration herausholt.
Feminismus im Alltag: Was wir tun können
Wir alle können unseren Beitrag dazu leisten, die Welt zu einem gleichberechtigteren Ort zu machen. Das heißt aber nicht, dass wir die Verantwortung für die patriarchalen Strukturen tragen, in denen wir leben. Das heißt nicht, dass wir Arbeit leisten oder etwas sagen müssen, um diese aufzubrechen und ansonsten „selbst schuld“ sind. Das Problem sind gesellschaftliche, politische und institutionelle Strukturen, die Menschen diskriminieren.
Trotzdem haben wir die Möglichkeit, einige Dinge in unserem eigenen Alltag zu überdenken und zu hinterfragen, um diesem System den Kampf anzusagen und selbst keine unbewussten Diskriminierungen zu reproduzieren. So können wir selbstbestimmter leben und auch anderen Frauen gegenüber besser sein.
Die patriarchalen Strukturen, in denen wir leben, werden wir leider nicht von heute auf morgen los. Aber wir können alle versuchen, sie ein wenig weiter aufzubrechen und laut zu sein.
Eine eigene Meinung bilden und diese vertreten
Die eigene und freie Meinung ist eines der wertvollsten Güter, die wir haben, in einer Demokratie. Versuche, dir zu relevanten Themen eine eigene Meinung zu bilden und diese immer wieder zu hinterfragen. Beziehe dabei verschiedene Standpunkte mit ein und schrecke nicht davor zurück, auch das Gespräch mit Menschen zu suchen, die ganz anders denken als du.
Andere Frauen unterstützen und solidarisch sein
Rivalitäten und Missgunst unter Frauen behindern, gerade in einer von männlichen Machtstrukturen geprägten (Arbeits-)welt. Viel zielführender ist ein solidarisches und motivierendes Miteinander. Lasst uns anderen Frauen den Rücken stärken, ihre Ideen sichtbar machen und zusammen zeigen, was wir draufhaben.
Feminismus breiter denken
Gehe auf deinem Weg zu mehr Gleichberechtigung nicht nur von dir selbst aus. Menschen haben mit verschiedenen Formen von Diskriminierung zu kämpfen und es ist wichtig, dass wir diese mitdenken und möglichst viele unterschiedliche Perspektiven, beispielsweise von Schwarzen, behinderten und queeren Frauen sowie Inter*- und Trans*Personen, berücksichtigen.
Wut zulassen und zeigen
Mädchen werden von klein auf so erzogen, dass sie nett, ruhig und bescheiden sein und nicht widersprechen sollen. Frauen gelten schon als „angry women“, als keifende Weiber, wenn sie Probleme nur ansprechen. Offen Kritik zu üben macht Frauen zu Meckerziegen und Männer zu guten Managern. Wenn wir unseren Ärger für uns behalten, dann halten wir uns selbst zurück. Deshalb: Wut rauslassen und nicht unterdrücken, sie gehört zu dir und darf ausgelebt werden.
Mutig sein
„Einer Frau steht Mut immer gut“ – ein toller Satz, den jede Frau beherzigen sollte. Mutig sein bedeutet, Grenzen zu überwinden – aber auch welche zu setzen, laut zu sein, die eigene Stimme zu benutzen. Deine Komfortzone auch mal zu verlassen, lässt dich wachsen und macht dich stärker.
Die eigene Sozialisierung hinterfragen
Wir alle werden in eine Gesellschaft hinein erzogen und nehmen dabei gewisse Dinge als gegeben hin. „Das macht man so“ oder „Das gehört sich nicht“ hören wir als Kinder häufig. Jetzt, wo du deine eigenen Entscheidungen treffen kannst, ist die beste Zeit, um dich zu fragen: Aber wieso denn eigentlich (nicht)? Es ist nicht einfach, gesellschaftliche Strukturen zu erkennen und noch schwieriger, sie zu durchbrechen, aber in den allermeisten Fällen lohnt es sich, wenn du dich fragst: Was würde ich eigentlich gern tun, wenn niemand mich dafür verurteilen würde?
Eigene Entscheidungen treffen
Bin ich gut in dem, was ich tue? Sollte ich kündigen? Sieht diese Hose nicht komisch an mir aus? Häufig verlassen wir uns bei Fragen, die uns selbst betreffen, viel zu sehr auf das Urteil von anderen. Natürlich kannst du um Rat fragen, aber die finalen Entscheidungen solltest du nicht andere für dich treffen lassen.
Mehr Bücher von Frauen lesen
Lesen hilft, verschiedenste Areale in unserem Gehirn zu aktivieren, wie etwa visuelle und motorische Areale, Sprachareale oder Areale unserer Emotionen. Wenn du mehr Bücher von Frauen liest, tust du dir selbst und der Gleichberechtigung etwas Gutes. Denn Autorinnen sind in der Literatur immer noch unterrepräsentiert.
Allein unterwegs sein
Ob ins Café, Restaurant oder Kino – häufig sind wir bei solchen Unternehmungen mindestens zu zweit unterwegs. Die Hemmschwelle, allein auszugehen, ist hoch, dabei hat es einige Vorteile, allein unterwegs zu sein. Es ist befreiend und stärkt dein Selbstbewusstsein.
Tolerant und offen bleiben!
Man sollte sich nie zu sehr in den eigenen Meinungen einrichten. Es ist wichtig, immer ein Auge auf die andere Perspektive zu werfen und sich auch gegenteilige Meinungen anhören. Nutze alle Möglichkeiten, dazu zu lernen, informiere dich und bleibe neugierig, trage deine Meinung nach außen, aber versuche, auch andere Sichtweisen zu akzeptieren und nachzuvollziehen. Das gilt nicht für Sexismus, Rassismus und Co. – denn das sind keine Meinungen.
Wir dürfen euch einige Bücher ans Herz legen …
Alle Bücher hier sind von großartigen Frauen, die etwas für die Gleichberechtigung tun, die den Mund aufmachen und sich nicht von Männern die Welt erklären lassen – sondern sie selbst entdecken und mitbestimmen wollen.
Margarete Stokowski: „Die letzten Tage des Patriarchats“
In ihrem neuen Buch finden sich ihre Essays, Kolumnen und Artikel aus den letzten sieben Jahren zu Themen wie #metoo-Debatte, Rechtspopulismus, Gender-Studies, Pornos und Unisex-Toiletten. Auf eine humorvolle Art und Weise machen Stokowskis Worte Mut und zeigen, dass wir uns auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft befinden, dass es aber noch Einiges zu tun gibt.
Jessica Bennett: “Feminist Fight Club. Wie sich Frauen am Arbeitsplatz erfolgreich durchboxen.“
Sexismus am Arbeitsplatz ist sehr stark verbreitet. Das Buch beinhaltet einen Leitfaden für erfolgreiche Gehaltsverhandlungen (Stichwort Gender Pay Gap, laut dem Frauen immer noch 21 % weniger verdienen als Männer), eine Auflistung der Fallen, in die Frauen tappen können (z. B. entschuldigen sich Frauen zu oft) und eine Liste der männlichen Feinde, die im Büro vorkommen und was man gegen sie tun kann.
Rebecca Solnit: „Wenn Männer mir die Welt erklären“
Der amerikanischen Aktivistin und Feministin Rebecca Solnit ist es zu verdanken, dass der Begriff „Mansplaining“ (Männer geben oft mit ihrem Wissen an und denken, dass die Frauen vor ihnen sowieso keine Ahnung haben) bekannt wurde. In den sieben Essays des Buchs geht es um männliche Arroganz und wie sehr diese die Kommunikation zwischen Männern und Frauen erschwert. Es geht aber auch um Gewalt gegen Frauen und die Kernfamilie als Institution.
Frauen sichtbar machen
Frauen sichtbar zu machen, muss uns allen ein zentrales Anliegen sein. Deshalb soll künftig einmal im Jahr jede Magistratsabteilung, bzw. jedes Krankenhaus des Gesundheitsverbundes und jede große Betriebseinheit der Stadt für ein Monat die „Wanderausstellung“ Pionierinnengalerie nützen. Verbunden damit haben verbindlich 4 Fortbildungsstunden zum Thema „Feminismus im Alltag – Gleichberechtigung in der Stadt Wien“ von allen Mitarbeiter*innen absolviert zu werden.
Pionierinnengalerie „Wien. Stadt der großen Töchter“
Die Galerie macht 26 Frauen in ihrem vielfältigen Schaffen in und für Wien sichtbar. Die ausgestellten Porträts stehen inhaltlich für unterschiedliche Bereiche, in denen sich diese und viele andere Frauen engagierten. Der rote Faden, der das Engagement dieser Frauen verbindet, ist das Ziel einer Gleichberechtigung von Frauen und Männern in einer gerechten Gesellschaft.
Außergewöhnliche Frauen und ihr Schaffen
Jede der porträtierten Frauen steht mit ihrer Biografie für ihr jeweiliges außergewöhnliches Wirken, soziales oder politisches Engagement und ihren Mut. Fast alle haben gemeinsam, dass sie sich als Frauen erst ihren Platz und ihre Rechte erkämpfen mussten und sie als Frau nicht die gleichen Möglichkeiten hatten wie ihre männlichen Mitstreiter und Weggefährten.
Jede der Frauen steht auch für eine Vielzahl anderer Frauen als Vor- und Mitkämpferinnen. Die Ausstellung stellt Verbindungen zu Frauen von heute her, die diese Kämpfe – wenn auch unter anderen Voraussetzungen – fortsetzen.
Porträtiert werden nach Geburtsjahr: Bertha von Suttner, Gabriele Possanner von Ehrenthal, Adelheid Popp, Eugenie Schwarzwald, Stephanie Endres, Käthe Leichter, Trude Fleischmann, Margarete Schütte-Lihotzky, Marie Jahoda, Gerda Lerner, Irma Schwager, Ceija Stojka, Johanna Dohnal, Helga Pankratz, Ella Lingens, Olga Ehrenhaft, Marianne Beth, Karoline Perin-Gradenstein, Barbara Prammer, Ella Briggs, Christine Nöstlinger, Sabine Oberhauser, Yella Hertzka und Elisabeth T. Spira.