Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit
- KIV Redaktion
- 15. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Sept.

Immer auf Stand-by-Modus – nie abschalten – gesund geht anders!
Andauernde Informationsflut, keine Zeit für Pausen und nach dem anstrengenden Arbeitstag noch immer ruhelos: Mitarbeiter*innen berichten immer häufiger davon, dass ihnen die Abgrenzung nach Dienstschluss oder an Wochenenden schwerfällt. Dabei ginge es auch anders:
Einfach mal das Handy weglegen – für viele unserer Kolleg*innen selbst nach Dienstschluss unmöglich. Denn als Mitarbeiter*in bei der Stadt Wien mit steigendem Arbeitsdruck, Überlastung und Stress, scheint der Aus-Knopf keine Option mehr zu sein. Und das macht mit uns Mitarbeiter*innen in der Daseinsvorsorge etwas. Umfragen und Studien zeigen auf, dass der psychische Stress seit 2019 – dem Jahr vor der Corona-Pandemie – stark zugenommen hat und auch weiterhin verstärkt wahrzunehmen ist. Für die ständige Erreichbarkeit zahlen am Ende des Tages Menschen im Arbeitsleben einen hohen Preis, nämlich jenen der physischen und psychischen Überlastung bis hin zu Burn-out Erkrankungen.
Ständige Erreichbarkeit: Informationsflut
Wir Mitarbeiter*innen der Stadt fühlen uns immer stärker mit Information konfrontiert, deren Relevanz wir leider nicht immer reflektiert einschätzen können. Die Informationsauswahl hat sich zur eigenen Leistungsanforderung entwickelt. „Wir muss ständig entscheiden: Welche E-Mail betrifft mich überhaupt, welche Whats App Nachricht muss sofort beantwortete oder umgesetzt werden, welches sms oder Posting hat Priorität?
Viele Mitarbeiter*innen fühlen sich dadurch überlastet – von der Fülle an Information an sich, aber auch von dem Zwang, permanent zu sichten und herauszufiltern, was überhaupt relevant ist.
Das Problem sind nicht die zehn Minuten, in denen ich vielleicht abends zu Hause noch eine E-Mail beantworte, sondern dass man quasi ständig auf Stand-by ist, so Wolfgang Menz, Professor für Soziologie mit den Schwerpunkten Arbeit und Organisation an der Universität Hamburg.
Die Digitalisierung hat nicht nur auf die Produktivität der Arbeitnehmer*innen enormen Einfluss genommen, sondern auch auf die Bereitschaft zu arbeiten.
Arbeit verlagert sich vermehrt ins eigene Zuhause. Die Ruhephasen werden so gestört, die Grenzen verschwimmen und die ständige Erreichbarkeit wird zur Norm. Mit der Corona-Krise und dem Arbeiten im Homeoffice haben sich Abgrenzungsprobleme weiter verschärft. Niemand scheint mehr zu wissen, was geht und was nicht. Wann muss mensch erreichbar sein oder aber auch wann darf mit Kolleg*innen Kontakt aufgenommen werden?
Auf Stand-by
Dass technische Geräte, die immer im Stand-by-Modus und nie ganz abgeschaltet sind, Energie verschwenden, hat sich herumgesprochen. Beim Menschen verhält es sich nicht viel anders. Das Problem sind nicht die zehn Minuten, in denen ich vielleicht abends zu Hause noch eine E-Mail beantworte, sondern dass wir quasi ständig auf Stand-by sind. Wir verlieren dadurch Zeit und Raum, um völlig abschalten zu können. Es entstehe dadurch ein Verpflichtungsgefühl seitens der Mitarbeiter*innen, die ja grundsätzlich alle einen guten Job machen wollen. Und genau das ist die Falle, in die getappt wird. Weil gut sein bedeutet dann, dass wir immer bereit sein müssen. Hier stellt sich die provokante Frage, ob von selbstgemachtem Stress gesprochen werden kann.
Jetzt könnten wir davon ausgehen, dass nur die Dienstgeberin den Druck auf uns Mitarbeiter*innen erhöhen. Aber so einfach ist die Sache natürlich nicht! Denn auch wir Mitarbeiter*innen tragen einen Teil zu diesen Entwicklungen bei. Wichtig genommen werden, immer da sein zu – das sind Vorschubleistungen. Allerdings kommt bei uns allen der Zeitpunkt, wo es einfach zu viel wird – und dann ist aber der Salat der Selbstverständlichkeit schon angemacht.
Keine gesetzliche Grundlage für Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit!
Das Dienstrecht steht in Sachen Erreichbarkeit außerhalb der Dienstzeit jedenfalls eindeutig aufseiten der Mitarbeiter*innen. Außerhalb der vereinbarten Dienstzeit müssen wir nicht für die Dienstgeberin erreichbar sein. Nicht per Mail, nicht per Whats App und auch nicht telefonisch! Tatsächlich dienstlich notwendige Erreichbarkeit ist in der Stadt Wien mittels Rufbereitschaft geregelt und bezahlt.
Was gilt für das Diensthandy?
Auch für ein dienstlich zur Verfügung gestelltes Mobiltelefon gilt der allgemeine Grundsatz zur Erreichbarkeit. Während der Arbeitszeit muss der/die Mitarbeiter*in über das Diensthandy erreichbar sein – darüber hinaus jedoch nicht. Deshalb darf das Diensthandy auch außerhalb der Arbeitszeit einfach ausschaltet werden.
Was gilt für die Erreichbarkeit im Urlaub?
Grundsätzlich gilt der Urlaub als arbeitsfrei. Der/die Mitarbeiter*in kann das Diensthandy in dieser Zeit ausschalten und muss auch nicht auf E-Mails oder Nachrichten reagieren. Auch Anrufe oder Nachrichten auf die private Nummer oder E-Mail müssen nicht beantwortet werden, wenn es sich nicht um einen zwingenden Notfall handelt.
Was gilt für die Erreichbarkeit während des Freizeitausgleichs?
Bei Freizeitausgleich zum Abbau von geleisteten Überstunden muss der/die Mitarbeiter*in ebenfalls nicht erreichbar sein. Es handelt sich schließlich nicht um Arbeitszeit, sondern um Freizeit.
Muss man bei Krankschreibung erreichbar sein?
Ist ein/e Mitarbeiter*in krankgeschrieben, so besteht grundsätzlich keine Verpflichtung der Dienstgeberin in dieser Zeit zur Verfügung zu stehen.
Eine Niederschrift oder ein Aktenvermerk wegen fehlender Erreichbarkeit kann bereits deshalb nicht ausgesprochen werden, weil es bis auf die genannten Ausnahmen bereits keine Verpflichtung des/der Mitarbeiter*in gibt, erreichbar zu sein. Sollte dies trotzdem erfolgen, bitte umgehend die Personalvertretung oder Gewerkschaftsvertretung informieren!
Gibt es Ausnahmen für Führungskräfte?
Bei Führungskräften kann – je nach konkreter Position und Aufgabenbereich – eine weitergehende Erreichbarkeit vorausgesetzt werden. Sollte die Reichsbrücke ein zweites Mal einstürzen wird der zuständige Abteilungsleiter wohl auch den geplanten Kinobesuch für ein Telefonat unterbrechen.